Nach Spitzengespräch: Neue Brexit-Verhandlungen angekündigt

Die EU und Großbritannien unternehmen einen weiteren Versuch, um in letzter Minute doch noch ein Handelsabkommen nach dem Brexit zu vereinbaren. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern sagte, einigte sie sich mit dem britischen Premierminister Boris Johnson bei einem Telefonat trotz „bedeutender Differenzen“ auf eine Fortsetzung der Verhandlungen heute. Sie werde dann morgen Abend erneut mit Johnson sprechen.

Brexit-Countdown läuft

Großbritannien und die Europäische Union verhandeln heute weiter über einen Brexit-Handelspakt. Entgegen allen Hoffnungen blieb das letzte Telefonat zwischen EU-Kommissionschefin Ursula Von der Leyen und dem britischen Premier Boris Johnson ohne bemerkenswerte Ergebnisse. Die Zeit drängt – es bleiben nur noch wenige Wochen bis zum Ende der Übergangsfrist – bis zum 31. Dezember.

Großbritannien ist zum 1. Februar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende bleibt es aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Übergangsphase wollten beide Seiten eigentlich nutzen, um ein Handelsabkommen auszuhandeln. Die Gespräche kommen aber seit Monaten kaum voran. Inzwischen ist die Zeit für eine rechtzeitige Ratifizierung eines möglichen Abkommens bis zum 1. Jänner schon äußerst knapp.

Drei entscheidende Fragen

In dem Telefonat hätten beide Seiten „die Tatsache begrüßt, dass in vielen Bereichen Fortschritte erzielt worden sind“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung Johnsons und von der Leyens. Dennoch gebe es „nach wie vor erhebliche Meinungsverschiedenheiten in drei entscheidenden Fragen“. Dabei gehe es um gleiche Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern.

Von der Leyen und Johnson betonten, „dass keine Einigung möglich ist, wenn diese Fragen nicht gelöst werden“. Obwohl sie sich „des Ernstes dieser Differenzen“ bewusst seien, hätten sie vereinbart, „dass unsere Verhandlungsteams weitere Anstrengungen unternehmen sollten, um zu beurteilen, ob sie gelöst werden können“. Die Chefunterhändler seien aufgefordert worden, sich heute erneut in Brüssel zu treffen.

Frankreich setzt auf Geschlossenheit der EU

Frankreich rechnet mit Geschlossenheit der EU. Der britische Poker, auf eine Spaltung in der EU zu setzen, sei gescheitert, sagte Europaminister Clement Beaune der Sonntagszeitung „Journal de Dimanche“. Auch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel unterstütze die Haltung Frankreichs, sagte er auf die Frage nach möglichen Gräben innerhalb der EU.

Beaune bekräftigte die Bereitschaft seiner Regierung, ein Veto gegen ein aus ihrer Sicht unzureichendes Brexit-Abkommen einzulegen. Unterdessen hat das britische Kabinett einem Zeitungsbericht zufolge Premierminister Johnson den Rücken gestärkt. Es werde auch einen „No Deal“ mittragen, wenn Johnson zu dem Schluss komme, dass das notwendig sei, berichtete die „Times“.

Irland positiv gestimmt

Der irische Außenminister Simon Coveney hält ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit trotz festgefahrener Verhandlungen für erreichbar. „Wir werden eher eine Einigung bekommen als nicht, weil ich denke, dass es im Interesse aller ist“, sagte Coveney der irischen Zeitung „Sunday Independent“.

Das Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien sei „zu 97 oder 98 Prozent“ fertig. Man müsse einen kühlen Kopf bewahren, eine Vereinbarung sei noch immer zu erzielen.