90-jährige Margaret Keenan wird als erste Person in Großbritannien gegen Covid-19 geimpft
AP/Jacob King
Coronavirus

Impfkampagne in Großbritannien gestartet

Großbritannien hat als erstes westliches Land eine Impfkampagne gegen das Coronavirus gestartet. Den Anfang machte die 90-jährige Margaret Keenan. Sie erhielt Dienstagfrüh um 7.31 Uhr (MEZ) in Coventry die Spritze mit dem Wirkstoff der Pharmaunternehmen Pfizer und Biontech. Keenan ist der erste Mensch, der außerhalb einer klinischen Studie das Medikament bekam, auf dem die Hoffnungen zur Eindämmung der Pandemie liegen.

„Ich fühle mich unglaublich privilegiert, die erste Person zu sein, die gegen Covid-19 geimpft wird“, sagte die Seniorin. Großbritannien ist in Europa mit über 61.000 Toten das von der Lungenkrankheit Covid-19 am stärksten betroffene Land. Es hat noch vor anderen europäischen Ländern und den USA das Pfizer/Biontech-Medikament für Massenimpfungen zugelassen. Auch Impfungen anderer Konzerne stehen in mehreren Ländern kurz vor Abschluss des Zulassungsprozesses.

Der britische Premierminister Boris Johnson begrüßte den Start der Impfkampagne in seinem Land. In einer über Soziale Netzwerke verbreiteten Erklärung dankte er den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen, den Wissenschaftlern und den Freiwilligen, die sich als Testpersonen an der Studie zur Entwicklung des Impfstoffs beteiligt hatten. Gleichzeitig rief er die Öffentlichkeit dazu auf, sich weiter an Regeln zur Eindämmung des Virus zu halten. „Wir werden das gemeinsam besiegen.“

90-jährige Margaret Keenan und medizinisches Personal nach ihrer Impfung gegen Covid-19
AP/Jacob King
Die 90-jährige Keenan wurde in Großbritannien als Erste geimpft

Vorrang für Pflegeheime und medizinische Personal

Zuerst sollen zu Beginn der flächendeckenden Kampagne über 80-Jährige, Mitarbeiter und Bewohner in Pflegeheimen sowie besonders gefährdetes medizinisches Personal das Mittel von Biontech und Pfizer erhalten. Dabei handelt es sich um etwa sechs Millionen Menschen. 50 Kliniken sollen als Impfzentren dienen. „Alle Teile des Vereinigten Königreichs haben Dosen mit dem Coronavirus-Impfstoff erhalten“, schrieb Gesundheitsminister Matt Hancock bei dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Wie die Vizechefin des Nationalen Gesundheitsdiensts (NHS), Saffron Cordery, sagte, sollen bis zum Jahresende vier Millionen Dosen mit dem Impfstoff ins Land kommen. Das würde Impfungen für zwei Millionen Menschen bedeuten, da pro Person zwei Dosen für den vollen Schutz notwendig sind. Insgesamt hat das Land 40 Millionen Dosen bestellt, damit können 20 Millionen Briten geimpft werden – das ist etwas weniger als ein Drittel der Bevölkerung.

Impfaktion ein Jahr nach erstem Fall

Ein Jahr nachdem die ersten Coronavirus-Fälle in der chinesischen Stadt Wuhan entdeckt wurden, hat in Großbritannien die Impfaktion zum Schutz gegen die Krankheit begonnen.

Dank von Prinz Charles

Für die meisten Menschen werde es jedoch noch weit bis ins neue Jahr dauern, bis sie geimpft werden könnten, hieß es vom NHS. Ein Regierungssprecher sagte, dass der Großteil der schutzbedürftigen Menschen im Jänner und Februar geimpft werde. Die Behörden betonten, der Impfstoff sei „sicher und effektiv“. Johnson rief alle Menschen, die Anspruch auf eine Impfung haben, dazu auf, sich auch wirklich impfen zu lassen. Thronfolger Prinz Charles dankte allen, die an der Entwicklung des Impfstoffs beteiligt waren. Dank des Mittels könnten die Menschen nun mit neuer Hoffnung nach vorne schauen, sagte er.

Start der CoV-Impfungen in Großbritannien

ORF-Korrespondentin Eva Pöcksteiner berichtet aus London über den Start der Impfungen gegen das Coronavirus. Großbritannien beginnt als erstes westeuropäisches Land mit der flächendeckenden Immunisierung der Bevölkerung.

Gesundheitsexpertin Helen Donovan sagte der BBC, das größte Risiko liege darin, dass Geimpfte rund drei Wochen nach dem ersten Termin auch die zweite Dosis verabreicht bekommen müssten. Dabei soll eine Impfkarte als Nachweis helfen, die gleichzeitig eine Erinnerung an den zweiten Impftermin ist. Größere Impfzentren – etwa in Fußballstadien – sollen erst öffnen, wenn mehr Impfstoff zur Verfügung steht.

Kühlung als große Herausforderung

Die logistische Herausforderung ist groß, weil das Mittel bei minus 70 Grad Celsius gekühlt werden muss. Die britische Regierung will Medienberichten zufolge das in Belgien produzierte Präparat notfalls mit Militärflugzeugen einfliegen, damit es nicht im befürchteten Brexit-Verkehrschaos stecken bleibt. Ein Regierungssprecher wollte das nicht bestätigen, sagte aber: „Das Militär wird eine wichtige Rolle spielen bei der enormen logistischen Herausforderung.“

In der vergangenen Woche war Großbritannien vorgeprescht und hatte früher als alle EU-Staaten per Notfallzulassung dem Impfstoff eine Freigabe erteilt. Russland hatte am Wochenende in seiner Hauptstadt Moskau mit großangelegten Impfungen gegen das Coronavirus begonnen und gehört damit zu den ersten Ländern weltweit, die ihre Bevölkerung in größerem Stil gegen die Lungenkrankheit Covid-19 impfen lassen.

EMA-Zulassung noch im Dezember erwartet

Von der Europäische Arzneimittelagentur (EMA) wird die wichtige Entscheidung über eine Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs noch im Dezember erwartet. Auch in China wird bereits geimpft. Dabei werden zunächst jeweils Impfstoffe heimischer Hersteller verwendet.

Das Weiße Haus hat unterdessen bekräftigt, dass US-Amerikaner für Impfungen gegen das Coronavirus nicht selbst bezahlen müssen. Ein hochrangiger Regierungsvertreter sagte am Montagabend (Ortszeit) in einem Gespräch mit Journalisten: „Kein Amerikaner wird auch nur einen Penny aus seiner Tasche bezahlen müssen.“ Weiter hieß es am Montag, Trump werde das US-Außenministerium in der Verfügung anweisen, mit anderen Nationen für die Beschaffung von Impfdosen aus den US-Beständen zusammenzuarbeiten. Geplant sei auch, dass für ärmere Staaten Impfstoff gespendet werde. Voraussetzung sei in beiden Fällen aber die sichergestellte Versorgung der Bevölkerung in den USA.