Blick über Münchens Dächer
Getty Images/seng chye teo
Deutschland

Tauziehen um Weihnachtslockdown

In Deutschland geht das Tauziehen um einen Weihnachtslockdown weiter. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CDU) forderte nun einen kompletten Lockdown über die Feiertage. Die CoV-Lage in Deutschland verschlechterte sich nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) seit vergangener Woche, wie das Institut am Donnerstag bekanntgab.

Söder sieht die Zeit von Weihnachten bis zum 10. Jänner als ideal für einen Lockdown an. „Einfach mal alles runterfahren von den Geschäften bis hin zu den Betriebsferien in vielen Unternehmen. Wenn alle mitmachen, wäre das super“, sagte Söder Mittwochabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Dann hätte man knapp drei Wochen, in denen man Kontakte reduzieren könne. „Eine bessere Zeit als diese Zeit zwischen Weihnachten und 10. Jänner wird man im ganzen Jahr nicht mehr finden“, sagte der CSU-Chef.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) äußerte die Hoffnung, mit den anderen Ländern zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen, verwies aber auf die schon beschlossenen Maßnahmen. „Wir haben uns für unseren sächsischen Weg entschieden und werden ihn mit aller Konsequenz gehen“, sagte Kretschmer. In Sachsen sollen von Montag an Schulen, Kindergärten, Horte und viele Geschäfte geschlossen werden. Geöffnet bleiben sollen Lebensmittelgeschäfte und Geschäfte für den Grundbedarf. Handel, Schulen und Kindergärten offen zu halten, „das wird nicht diese Wirkung bringen“, sagte Kretschmer.

 Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
APA/AFP/Matthias Balk
Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder forderte einen Lockdown bis 10. Jänner

Spahn: Dem Virus „zwei Wochen“ keine Chance geben

Sachsen hat sich zum deutschlandweit größten Hotspot der Pandemie entwickelt. In Bayern, das im Vergleich der deutschen Bundesländer wie Sachsen überdurchschnittlich hohe Infektionszahlen aufweist, gelten schon seit Mittwoch strengere Regeln wie Ausgangsbeschränkungen, Alkoholverbot in Innenstädten und Ausgangssperren in Hotspots.

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, das Land brauche um den Jahreswechsel zwei Wochen, „wo wir insgesamt Kontakte reduzieren, runterfahren, Schulen geschlossen sind, damit wir diesem Virus einfach mal zwei Wochen so gut wie gar keine Chance geben, um auch auf ein anderes Niveau wieder zu kommen“.

Unklar, wann Entscheidung fallen soll

Zuvor hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine verschärfte Vorgangsweise verlangt. „Wenn wir jetzt vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und es anschließend das letzte Fest mit den Großeltern war, dann werden wir sicher etwas versäumt haben“, sagte Merkel am Mittwoch. Mit Verweis auf die steigende Zahl der CoV-Toten und Covid-19-Intensivpatienten sprach Merkel von Fallzahlen auf „alarmierendem Niveau“. Deutlich werde der deutschen Kanzlerin zufolge vor allem eines: Die bisherigen Maßnahmen reichten nicht aus, „die Zahl der Kontakte ist zu hoch“.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel
APA/AFP/Tobias Schwarz
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte eine verschärfte Vorgangsweise

Wann eine Entscheidung fällt, ist allerdings unklar. Möglicherweise beraten die Regierung in Berlin und die deutschen Bundesländer noch einmal über ein gemeinsames Vorgehen. Söder sagte, das könne wegen der Termine Merkels auf dem EU-Gipfel aber frühestens am Wochenende oder Anfang nächster Woche geschehen. Laut Kretschmer gibt es indes viele Gespräche.

Niedersachsen: Leichte Lockerung zu Weihnachten

In Schleswig-Holstein, wo die Infektionszahlen steigen, aber im deutschlandweiten Vergleich noch niedrig sind, soll der CoV-Kurs ebenfalls verschärft werden. Es sei notwendig, „dass wir spätestens ab Weihnachten in einen harten Lockdown gehen – um die Zeit über den Jahreswechsel zu nutzen, diese gefährliche Entwicklung in Deutschland zu stoppen“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) Mittwochabend in Kiel.

Niedersachsen nimmt derweil die ins Auge gefassten CoV-Lockerungen nach Weihnachten zurück. Das kündigte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstag im Landtag in Hannover an. Die geltenden Kontaktbeschränkungen sollen lediglich vom 24. bis zum 26. Dezember auf zehn Verwandte zuzüglich Kindern unter 14 Jahren gelockert werden. Danach dürfen sich auch über Silvester wieder höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten treffen. Eltern können ihre Kinder bereits in der kommenden Woche vom Präsenzunterricht befreien lassen, damit weniger Kinder in den Klassen sitzen.

Intensivmedizinereinnen in einem Berliner Krankenhaus
Reuters/Fabrizio Bensch
Eine Intensivstation in einem deutschen Spital

Spitalsexperte für harten Lockdown

Auch der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, forderte den von der Wissenschaftsakademie Leopoldina empfohlenen harten Lockdown. Gaß argumentierte ähnlich wie Söder. „Die große Chance eines harten Lockdowns über drei Wochen ist es, dass die Infizierten nicht mehr mit Gesunden in Kontakt treten. Dann hat das Virus keine Chance, sich zu verbreiten“, sagte Gaß der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag-Ausgabe). Als „besorgniserregend hoch“ bezeichnete er die Zahl der CoV-Toten. „Es sterben mehr Menschen als normal, und wir erleben eine Übersterblichkeit. Das sind verlorene Lebensjahre von vielen Menschen und vor allem von Älteren.“

Auch das RKI warnt. Nachdem die Fallzahlen seit Wochen auf einem hohen Plateau gelegen seien, sehe man aktuell wieder einen Anstieg, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Das sei besorgniserregend. Das Plateau, auf dem man sich befinde, sei „äußerst fragil“, sagte Wieler auch mit Blick auf Weihnachten.

RKI warnt vor Kippen der Situation

„Das Infektionsgeschehen kann schnell wieder kippen“, warnte Wieler, es könne schnell wieder zu einem exponentiellen Wachstum kommen. Wieler erklärte die Situation damit, dass das Coronavirus in der Bevölkerung weit verbreitet sei. Umso wichtiger sei es deshalb, die Schutzmaßnahmen einzuhalten. Nach Angaben des RKI ist besonders die Lage in den Alters- und Pflegeheimen schwierig. Es gebe dort aktuell fast doppelt so viele Ausbrüche wie im Frühjahr. Pro Ausbruch seien im Durchschnitt fast 20 Menschen betroffen.

Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Neuinfektionen hatte bis Donnerstagfrüh einen Höchststand erreicht: Die Gesundheitsämter übermittelten dem RKI 23.679 Neuinfektionen, wie aus den Zahlen hervorging. Der bisherige Rekordwert war am 20. November mit 23.648 gemeldeten Fällen erreicht worden. Bereits im Lagebericht vom Mittwoch schrieb das RKI, seit dem 4. Dezember sei ein deutlicher Anstieg der Fallzahlen zu beobachten.