Szene aus dem „Ibiza-Video“
Süddeutsche Zeitung/Spiegel
Staatsanwaltschaft bestätigt

Drahtzieher des „Ibiza-Videos“ verhaftet

Der mutmaßliche Drahtzieher des „Ibiza-Videos“ ist in Deutschland verhaftet worden. Wie die Staatsanwaltschaft Wien am Freitag bestätigte, sei eine Übergabe an die österreichischen Behörden bereits beantragt. Die „Kronen Zeitung“ und die „Presse“ (Onlineausgabe) hatten zuvor berichtet. Dem Privatdetektiv Julian H. werden die illegale Herstellung von Ton- und Filmaufnahmen und der Handel von knapp drei Kilo Kokain zur Last gelegt.

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte ein Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßlichen Urheber des Lockvogel-Videos mit Heinz-Christian Strache eingeleitet, das das Ende der türkis-blauen Regierung und Neuwahlen auslöste. Nun warte man auf die Entscheidung der deutschen Behörden. Wie lange das Übergabeverfahren dauern wird, konnte die Staatsanwaltschaft nicht abschätzen.

H., nach dem über ein Jahr gefahndet worden war, soll die Falle auf Ibiza im Jahr 2017 eingefädelt haben. H.s Anwalt Johannes Eisenberg hat seine Kanzlei in Berlin, wie die „Presse“ berichtet. Aufgrund des „Ibiza-Videos“ war Strache zurückgetreten. Unklar ist weiterhin, ob es einen Auftraggeber für das Video gab. Die Befragung von H. könnte nun Aufklärung bringen, wie die „Presse“ schreibt.

Strache erfreut

Strache kommentierte am Freitag die Festnahme knapp: „Ich freue mich über die Festnahme nach so langer Zeit und hoffe auf rasche und restlose Aufklärung und auch auf die Aufdeckung der weiteren Mittäter, Auftraggeber und Hintermänner“, so der Ex-Vizekanzler in einer schriftlichen Stellungnahme. Auch Ex-FPÖ-Klubchef Johan Gudenus, der mit auf der Finca war, reagierte erfreut.

Reaktionen der Parteien

Für den freiheitlichen Fraktionsführer im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker, könnte die Einvernahme von H. „endlich Licht in diese verworrene Kriminalgeschichte bringen“, wie er in einer Aussendung schrieb. Während man bisher eher den Eindruck gehabt habe, dass vor allem die ÖVP an der umfassenden Aufklärung wenig Interesse habe, „könnte die nunmehrige Festnahme von H. die Vorzeichen um 180 Grad wenden“. Hafenecker will wissen, welchen „parteipolitischen Protagonisten“ das Video im Vorfeld der Veröffentlichung noch angeboten wurde und ob hinter der Veröffentlichung „eine parteipolitische Interessenlage“ gestanden sei.

Der SPÖ-Fraktionsführer KaI Jan Krainer gratulierte den Behörden. Er betonte zugleich seine Erwartung, „dass sich die Soko Tape mit der gleichen Ausdauer dem Hauptstrang des Ibiza-Komplexes, nämlich der mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung, widmet“.

ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl attackierte seinerseits nach der Gratulation an die Behörden sowohl SPÖ als auch FPÖ. Man nähere sich nun „den Video-Machenschaften von FPÖ und SPÖ“. „Wenn jemand beim Schnitzelholen vergisst, dass er biertrinkend in einem Lokal steht, dann vergisst man anscheinend auch sehr schnell, was im U-Ausschuss eingebracht, beschlossen und besprochen wird“, so Gerstls Replik auf Hafenecker.

Folgenreicher Abend auf Finca in Ibiza

Das Video war 2017 auf einer Finca in Ibiza hergestellt worden. Eine Frau, die sich als Oligarchennichte ausgegeben hatte, wurde als „Lockvogel“ verwendet. Die ersten Kontakte drehten sich um ein vermeintliches Immobiliengeschäft mit einem Grundstück der Familie von Gudenus in Österreich. Schließlich kam es zu einem Treffen in Ibiza. H. wollte anschließend das brisante Videomaterial verkaufen und bot es offenbar verschiedenen Vertretern von Parteien ohne Erfolg an. Schließlich wurde es Medien zugespielt und veröffentlicht.

Heinz-Christian Strache
APA/Hans Punz
Für FPÖ-Chef und Vizekanzler Strache war das Video das De-facto-Ende der politischen Karriere

Keine öffentliche Fahndung mehr nach „Lockvogel“

Nach dem „Lockvogel“ des Videos wird indes nicht mehr öffentlich gefahndet, wie die Staatsanwaltschaft Wien Mitte November bestätigte. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien habe in einem Beschluss festgehalten, dass die Fahndungsmaßnahme mit Blick auf den zu der Frau vorliegenden Tatverdacht als „unverhältnismäßig“ einzustufen sei, hieß es im „Standard“.

Gegen die Frau wird laut OLG wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und der Fälschung besonders geschützter Urkunden ermittelt. Am 27. Mai veröffentlichte das Bundeskriminalamt über Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien in der Causa mehrere Fotos zu ihrer Ausforschung. Von der Veröffentlichung erhoffte man sich „nähere Erkenntnisse zu den Hintergründen betreffend die Herstellung und Vorbereitung des ‚Ibiza-Videos‘“. Die Fotos wurden hundertfach in Medien abgebildet.

Filmmaterial und Equipment Ende April sichergestellt

Die „SoKo Tape“, die sich mit der Herstellung des „Ibiza-Videos“ und etwaiger damit verbundener strafrechtlicher Handlungen befasst, hatte bereits Ende April das komplette Filmmaterial sichergestellt. „Es wurde in Österreich bei einem Bekannten des mutmaßlichen Drahtziehers Julian H. sichergestellt“, sagte der Leiter der SoKo, Dieter Csefan, Ende Mai.

Die rund zwölf Stunden umfassenden Video- und acht Stunden umfassenden Audioaufnahmen hätten sich auf einer Mikrospeicherkarte verborgen, die äußerst gut versteckt gewesen sei. Auf den Mann sei man im Zuge der Ermittlungen und unzähliger Einvernahmen aufmerksam geworden. Der gesamte Abend sei „nahtlos aufgenommen“ worden, vom Eintreffen Straches und des damaligen FPÖ-Klubobmanns Gudenus weg. Auch seien Teile der Vorbereitungen auf dem Band zu sehen. „Wir haben eine Dokumentation des gesamten Abends auf der Finca“, so Csefan damals.

Zudem habe man bei der Aktion verwendetes Equipment sicherstellen können. „Laut dem derzeitigen Ermittlungsstand kann eine Fremdfinanzierung oder ein nachrichtendienstlicher Hintergrund ausgeschlossen werden“, so Csefan Ende Mai. Diese Gruppe habe sich zu einer „kriminellen Vereinigung“ zusammengeschlossen und den Plan über einen längeren Zeitraum entwickelt. Ziel sei es gewesen, das Video nach seiner Erstellung weiterzuverkaufen, so der Leiter der SoKo im Frühjahr.

Ibiza-U-Ausschuss am 02.12.2020
ORF.at/Peter Pfeiffer
Ein Blick in den „Ibiza“-U-Ausschuss

„Ibiza“-U-Ausschuss bekommt in Kürze Video

Unterdessen geht auch die politische Aufarbeitung des Skandals weiter. Der Untersuchungsausschuss soll das „Ibiza-Video“ in Kürze vorgelegt bekommen. Man habe die Staatsanwaltschaft bereits angewiesen, eine Vorlage vor Weihnachten sei realistisch, sagte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Montag gegenüber der APA. Sie zeigte sich erfreut, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Rechtsfrage geklärt hat.

Der VfGH hatte am Freitag vergangener Woche entschieden, dass der U-Ausschuss das „Ibiza-Video“ inklusive jener – zunächst geschwärzter – Passagen haben kann, die formal von der Staatsanwaltschaft nicht zum Ermittlungsakt genommen wurden. Diese Teile sollen nun „so rasch als möglich“ geliefert werden, es werde bereits daran gearbeitet, sagte Zadic.

Die Justiz hat laut dem VfGH-Erkenntnis aber weiterhin die Möglichkeit, jene Unterlagen zurückzuhalten, deren Weitergabe die Ermittlungen gefährden würden. Sollten derartige Inhalte vom U-Ausschuss angefordert werden, werde das die Justiz prüfen und eventuell ein Konsultationsverfahren einleiten, wie es die Verfahrensordnung vorsehe, so die Ministerin.