Läuferin
ORF.at/Christian Öser
CoV-Pandemie

Warum man derzeit anders trainieren sollte

Regelmäßige körperliche Aktivität ist bekanntermaßen essenziell für die Gesundheit. Während der Coronavirus-Pandemie gilt das zwar mehr denn je, allerdings gibt es einige Dinge, die derzeit zu beachten sind. Warum man momentan anders als sonst trainieren sollte, wie viel Bewegung gesund ist und warum Sport Spaß machen muss, erklärt die Sportwissenschaftlerin Miriam Biritz-Wagenbichler im Gespräch mit ORF.at.

Österreich mag vielleicht eine Skination sein, von einer Sportnation ist man jedoch noch weit entfernt. Gerade einmal die Hälfte der österreichischen Bevölkerung erreicht die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), 150 Minuten pro Woche Bewegung zu machen. Zu den zusätzlichen zwei- bis dreimal Kraft- und Ausdauertraining pro Woche kommt nur ein Viertel aller Österreicher und Österreicherinnen, wie aus einer Studie der Statistik Austria hervorgeht.

„Österreich ist eine bequeme Nation“, konstatiert auch Biritz-Wagenbichler, Vertretung des Verbandes von Sportwissenschaftlern und Sportwissenschaftlerinnen in Wien. Hierzulande werde Bewegung und Sport oftmals „im Spannungsfeld zwischen Krankheit und Vereinssport“ verortet. „Bewegung im Sinne einer Gesundheitsvorsorge kommt kein Stellenwert zu“, kritisiert die Sportwissenschaftlerin und Trainerin.

Läuferin im böhmischen Prater
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In der Coronavirus-Zeit rät die Sportwissenschaftlerin zu gemäßigtem Training – so könne das Immunsystem gut gestärkt werden

„Nicht zu stark auspowern“

Dabei sind die positiven Effekte auf die körperliche und mentale Gesundheit längst hinreichend wissenschaftlich belegt. Auch in Hinblick auf das Coronavirus dürfte körperliche Aktivität eine wichtige Rolle in der Prävention spielen.

Trainingstherapie

Sport und Bewegung hilft nicht nur bei der Prävention von Krankheiten, sondern auch nach einer Krankheit. Durch Trainingstherapie kann etwa die Belastung des erkrankten Organs wieder verbessert werden.

So heißt es etwa in einer Studie des Fachmagazins „Sports Medicine and Health Science“ (Sportmedizin und Gesundheitswissenschaften, Anm.) dass tägliche Bewegung zur Bekämpfung der Krankheit beitragen könne, „indem sie unser Immunsystem stärkt und einigen Komorbiditäten (Begleiterkrankungen, Anm.) wie Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck und schweren Herzerkrankungen entgegenwirkt, die uns anfälliger für schwere Covid-19-Erkrankungen machen“.

Dennoch verringere nicht starkes, sondern lediglich mäßiges Training die Anfälligkeit für eine Infektion, so die Forscher und Forscherinnen. Das bestätigt auch Biritz-Wagenbichler: „Wenn wir uns zu stark auspowern, schwächen wir – zumindest kurzfristig – unser Immunsystem.“ Das sei zwar, was den Leistungsaufbau betreffe, „sinnvoll“, in „dieser Coronavirus-Zeit“ rät die Sportwissenschaftlerin jedoch dazu, vorsichtig zu sein und sich und den Körper nicht zu überfordern. „Ich sehe ganz viele Leute, die mit hochrotem Kopf und hechelnd laufen, die machen genau das Gegenteil“, so Biritz-Wagenbichler.

Ein älteres Paar beim Spazierengehen in Kaprun
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Es muss nicht immer ein Marathon sein: Auch Spazierengehen an der frischen Luft kann eine Form von Bewegung sein

Wie viel ist zu viel?

Doch woran lässt sich die Intensität erkennen? Wie weiß man, auf welcher Belastungsstufe man sich befindet? Biritz-Wagenbichler rät hierbei allen, (auch Hobbysportlern) zu einem professionellen, von Sportwissenschaftlern durchgeführten Leistungstest, um die individuellen Belastbarkeitsgrenzen besser einschätzen zu können.

Leichte Atemübung

Als eine leichte Übung empfiehlt die Sportwissenschaftlerin „Atemzählen“: Bis vier zählen und einatmen, bis vier zählen und ausatmen. Um das Atmen zu verlängern, erhöht man nach und nach die Zahl – bis man von schnellem und flachem in ein langsames und tiefes Atmen kommt.

Prinzipiell gibt es zwei Arten von Belastungen: aerobe und anaerobe. Im aeroben Bereich gelangt ausreichend Sauerstoff in die Muskulatur, indem noch normal durch die Nase beziehungsweise leicht durch den Mund geatmet wird.

„Wenn ich anfange zu hecheln oder intensiv zu atmen, dann bin ich im anaeroben Bereich“ erklärt die Sportwissenschaftlerin. Es gelte also, höhere intensivere Belastung im anaeroben Bereich zu reduzieren – zumindest wenn Bewegung als Gesundheitsprävention gesehen werde. Das bedeute beispielsweise beim Laufen oder Spaziergehen ein Tempo zu wählen, das der Nasenatmung angepasst werde. Auch eine etwas höhere Belastung, bei der trotzdem noch „relativ gleichmäßig“ geatmet werde, sei zu empfehlen.

Für die einen ein Spaziergang, für die anderen ein Marathon

Die individuellen Belastungsgrenzen bestimmen auch die Definition von Bewegung. Während leichtes Joggen für die einen wie ein Spaziergang sein kann, ist es für andere schon ein gefühlter Marathon. Ausschlaggebend ist dabei der „trainingswirksame Reiz“. „Es ist wichtig, Bewegung so zu machen, dass sie uns fördert – aber nicht überfordert. Dafür brauchen wir einen trainingswirksamen Reiz“, erklärt Biritz-Wagenbichler, die vom Körper als „faulem Hund“ spricht, der sich nur an das anpasst, was er an Reizen erhält. Wenn der Reiz immer der gleiche, also gewohnt und einfach ist, gebe es keine Gesundheitsförderung.

Das Schlimmste sei jedoch gänzliche Inaktivität. Diese gelte es zu überwinden – etwa durch Bewegungseinheiten, die zwar kurz sind, dafür aber täglich durchgeführt werden, so Biritz-Wagenbichler. Zielführend sei alles, was das Herz-Kreislauf-System anrege, wie Treppensteigen, Kniebeugen oder auch schnellere Laufsequenzen. Um Bewegung „positiv ins Leben zu integrieren“, empfiehlt die Sportwissenschaftlerin, Übungen als „Fixpunkte“ in den Alltag einzubauen.

Ein älterer Herr macht mit einem Expander Muskeltraining in der Wohnung
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„Es gibt kein zu alt für Krafttraining“, sagt die Sportwissenschaftlerin, die generell zu mehr Muskelaufbautraining rät

Kombination verschiedener Bewegungsarten

Sinnvoll sei es auch immer, verschiedene Arten körperlicher Aktivität miteinander zu kombinieren. Gerade beim Laufen brauche es etwa begleitendes Krafttraining, da diese Art der Bewegung eine starke Belastung für Sprunggelenke, Knie, Hüfte und Wirbelsäule darstelle. Wird darauf verzichtet, komme es leichter zu Verletzungen oder auf Dauer zu Überlastübungsproblematiken.

Generell rät Biritz-Wagenbichler zu Krafttraining. Denn das komme oftmals zu kurz, gerade bei Personen im höheren Alter. Dabei gebe es gerade hier „ganz viele positive Effekte“, wie die Stärkung der Knochendichte, die im Alter so dringend benötigt werde.

„Der Muskelschwund, der Abbau der Zellen, nimmt im Alter im Verhältnis zum Zellenaufbau überhand. Dementsprechend müsste man eigentlich sogar mehr Reize für das Krafttraining setzen, damit man dem entgegenhalten kann.“ Das bedeute auch: „Es gibt kein zu alt für Krafttraining.“ Extra Gewichte brauche es dafür nicht immer, meist sei auch das eigene Körpergewicht ausreichend.

A wie Aufwärmen, M wie Muskelkater

Genauso wie Kraftübungen Teil des Gesamttrainings sein sollten, gehöre auch Aufwärmen immer dazu. Hierbei gehe es darum, den Körper vorzubereiten und aus dem Ruhezustand in einen Aktivitätszustand zu bringen. Durch die Steigerung der Durchblutung produziere der Körper zudem mehr Gelenksschmiere, die dafür sorge, dass die Gelenke beim Training geschont werden. Gut wären Biritz-Wagenbichler zufolge circa fünf bis zehn Minuten, um den Körper durch Aufwärmen „auf Betriebstemperatur zu bringen“.

Zwar könne mit gutem Aufwärmen auch ein Muskelkater vermieden werden, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad – ist doch auch hier wieder der „trainingswirksame Reiz“ ausschlaggebend. „Wenn der Muskelkater zu intensiv ausgeprägt ist, heißt das, ich habe meinen Körper überlastet“ etwa mit „zu viel Gewicht“, erklärt die Sportwissenschaftlerin.

Grundsätzlich sei ein Muskelkater aber „nichts Schlechtes“, bedeute es doch nur, dass sich die im Körper entstandenen Mikroverletzungen in der Muskelfaser regenerieren und der Muskel dadurch stärker wird. Dennoch: Zu intensiv sei „auf die Dauer“ nicht ratsam.

Ein älteres Paar beim Spazierengehen
ORF.at/Christian Öser
Egal ob Skitour, Laufen, Radfahren, Yoga oder Krafttraining – „Sport muss Spaß machen“, denn sonst gehe die Wirkung verloren

Regelmäßigkeit „ganz wichtig“

Auch auf die Regeneration sollte geachtet werden. „Man weiß, dass bestimmte Muskeln zwei bis drei Tage Regeneration brauchen, andere, wie die Bauchmuskulatur, nur einen Tag“, sagt Biritz-Wagenbichler. Generell sei das Ausmaß der Regeneration aber wieder davon abhängig, wie der Körper die Belastung beurteile. Als leicht wahrgenommene Aktivitäten könnten jeden Tag ausgeführt werden, während intensivere einer längeren Regenerationszeit bedürften.

Auf die Frage, wie wichtig Regelmäßigkeit sei, antwortet die Sportwissenschaftlerin: „Der Körper passt sich den Bedingungen an. Wenn ich meinen Körper regelmäßig belaste, speichert er diese Leistungsfähigkeit als gegeben ab. Wenn ich wieder lange Zeit pausiere, baut er wieder ab. Von da her ist Regelmäßigkeit natürlich ganz wichtig.“

Abschließend müsse Sport aber vor allem eines machen, nämlich „Spaß“, sagt Biritz-Wagenbichler. Schließlich habe, wer keinen Spaß empfinde, ein Problem, Bewegung in sein Leben zu integrien. „Denn was man nicht gern tut, vermeidet man eher.“ Die gute Nachricht: Bei körperlicher Aktivität wird das Glückshormon Dopamin freigesetzt – das sorgt wiederum dafür, dass man die Bewegung wiederholen will.