Sichergestellte Waffen und Munition
ORF/Franz Dürnsteiner
Rechter Terror

Waffenlager in Österreich für deutsche Miliz

Die Dimensionen haben selbst die Ermittler überrascht: Die Wiener Polizei deckte ein Netzwerk zwischen organisierter Kriminalität, rechtsextremer Szene und Waffenhandel auf. Mit Geld aus Drogenhandel wurden Waffen beschafft, die für den Aufbau einer „rechtsradikalen Miliz“ in Deutschland bestimmt waren. Der Hauptverdächtige soll während Freigängen aus der Haft die Waffendeals organisiert haben.

Über 70 automatische und halbautomatische Schusswaffen sowie Munition im sechsstelligen Bereich wurden in den vergangenen drei Tagen in Österreich bei dem Schlag gegen das rechtsextreme Netzwerk sichergestellt. Am Samstag informierte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Wiener Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl und Oberst Michael Mimra über die Ermittlungen. Hauptverdächtig ist ein 53-jähriger Österreicher, amtsbekannt und vorbestraft, der mit Mittätern den Handel aufgezogen haben soll.

Vorangegangen waren dem Schlag gegen die rechte Szene Ermittlungen im Bereich der Suchtmittelkriminalität durch das Wiener Landeskriminalamt (LKA). Gefunden wurde dann „ein Netzwerk, das Verbindungen zwischen dem rechtsextremen Bereich und der organisierten Kriminalität zeigt“, sagte Nehammer, wobei das rechtsextreme Netzwerk vor allem in Deutschland aktiv war. Die Landeskriminalämter in Bayern und Nordrhein-Westfalen waren daher ebenfalls involviert, so Nehammer.

Verbrechen auf Freigang

Die APA berichtete unter Berufung auf „informierte Kreise“, dass ein Zusammenspiel von österreichischen Rechtsextremen und deutschen Biker-Gruppierungen ein Hintergrund sei. Pikanterweise soll der österreichische Hauptverdächtige bereits eine Haftstrafe absitzen – und die Waffengeschäfte während seiner Freigänge organisiert haben.

Oberst Michael Mimra, Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl
APA/Georg Hochmuth
Mimra (links), Nehammer und Pürstl informierten gemeinsam über die Ermittlungen

Mimra, stellvertretender LKA-Leiter, nannte den Oktober 2020 als Beginn der Amtshandlungen: Gewerbsmäßiger Suchtmittelhandel im Rahmen der organisierten Kriminalität führten zum 53-jährigen Hauptverdächtigen, der den Waffenhandel „im großen Stil“ angegangen sein soll. Am vergangenen Mittwoch kam es zu ersten von insgesamt fünf Hausdurchsuchungen in Österreich: 25 halb- und vollautomatische Waffen wurden sichergestellt.

Schlag gegen rechtsextremes Terrornetzwerk

Die Polizei hat bei Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich mehrere Waffenlager entdeckt, die offenbar für den Aufbau einer rechtsextremen Miliz in Deutschland gedacht waren. Sieben Personen wurden festgenommen.

Mit den Erlösen aus den Drogen wurden Maschinenpistolen der Marke „Uzi, AK47, Skorpion-MP und Sturmgewehre und dazu Munition“ gekauft, erläuterte Mimra. Die geahnte große Dimension bestätigte sich dann am Donnerstag, als ein Container mit weiteren Waffen, Munition und Sprengstoff und weitere Objekte sichergestellt wurden – gestern, Freitag, wurden dann in einer Lagerhalle in Niederösterreich über 100.000 Schuss Munition und zahlreiche Langwaffen gefunden – mehr dazu in wien.ORF.at.

Auch Sprengstoff sichergestellt

In Deutschland kam es „parallel dazu zu zwei Festnahmen und der Sicherstellung einer großen Menge an Suchtmitteln im Kilogrammbereich“, führte Mimra aus. Es handelte sich um insgesamt 76 automatische bzw. halbautomatische Waffen, 14 Faustfeuerwaffen und die Munition – zum Teil bereits verpackt für den Transport. Sichergestellt wurden unter anderem Sprengstoffe wie TNT und Hexogen-Sprengstoff, Bargeld und eine umfangreiche Sammlung an Wehrmachtsgegenständen, Waffenstützen und Gewehrscheinwerfern. Jeder Gegenstand müsse jetzt kriminaltechnisch untersucht werden, etwa ob Waffen bereits bei anderen Delikten verwendet worden sind. „Die Ermittlungen haben erst begonnen“, sagte Mimra.

Sichergestellte Waffen
APA/Georg Hochmuth
Über 70 Waffen wurden sichergestellt

Konkrete Namen oder Fundorte wurden keine genannt, jedoch sind laut Nehammer „Namen aus der Neonazi-Szene, die leider auch in Österreich schon länger bekannt sind“, unter den Verdächtigen – einer machte demnach auch jene Aussagen, die in Richtung des geplanten Aufbaus einer rechten Miliz gingen. Was die Drogen betrifft, so nannte Mimra Amphetamine, Kokain, aber auch Marihuana und geringe Mengen Heroin. Nehammer sagte, dass aus der islamistischen Terrorszene bekannt sei, dass sich diese über Drogenhandel finanziert: „Diesem Modell des Schreckens folgt offensichtlich auch der rechtsextreme Terror.“

Vernetzungen der Szene

Nehammer sagte, dass nach wie vor zu viele Waffen im Umlauf seien – es müssten hier zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Zudem gebe es eine enge Vernetzung der Neonazi-Szene mit neueren Gruppierungen wie den „Reichsbürgern“ – vonseiten der Behörden sei eine Verzahnung zwischen polizeilichen Ermittlungen und Nachrichtendienst nötig, die man auch bei der Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT) berücksichtigen werde.

Die Sprecherin der Grünen gegen Rechtsextremismus, Olga Voglauer, stellte in Zusammenhang mit dieser Causa fest, dass man den „Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ dringend brauche, „um systematisch gegen rechtsextreme und neonationalsozialistische Netzwerke vorgehen zu können“. Der ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer sprach indes von einem Ermittlungserfolg, der „die unglaubliche Dimension dieser noch am Beginn stehenden Ermittlungen deutlich“ zeige.

Anklage gegen weiteres Netzwerk geplant

Bewegung gab es am Samstag auch in einer anderen Causa: Die Staatsanwaltschaft Wien will fünf mutmaßliche Mitglieder eines – mittlerweile nicht mehr aktiven – länderübergreifenden rechtsextremen Netzwerks vor Gericht bringen. Sie wirft ihnen Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz und „Vorbereitung eines Hochverrats“ vor. Eine von alten Holocaust-Leugnern gebildete „Europäische Aktion“ habe das „Dritte Reich“ wiedererrichten wollen, berichten „Standard“ und „profil“ in ihren aktuellen Ausgaben.

Die Anklage ist noch nicht rechtswirksam. Kommt es dazu, müssen sich die fünf Männer vor einem Geschworenengericht verantworten – mit einer Strafdrohung von 20 Jahren Haft. Die Männer sollen nach 2010 – mit einigen Mitstreitern, zwei davon sind mittlerweile verstorben – versucht haben, eine kampfbereite neonazistische Gruppe in Österreich aufzubauen, als Teil des internationalen Neonazi-Netzwerks „Europäische Aktion“, kurz „EA“. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, es gilt die Unschuldsvermutung.

Mit der in der Pressekonferenz von Nehammer, Mimra und Pürstl bekanntgegebenen Sicherstellung hat der Fall nichts zu tun, hieß es auf Nachfrage der APA im Innenministerium.