SPÖ-Chefin Rendi Wagner in der ORF-Pressestunde
ORF
Coronavirus

Rendi-Wagner schlägt „Weihnachtsruhe“ vor

Wenn die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen bis Ende nächster Woche nicht auf 1.000 pro Tag sinkt, soll es zu einer „Weihnachtsruhe“ kommen. Das forderte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Derzeit werden täglich bis zu 3.000 Neuinfektionen gemeldet. „Wir müssen einen dritten Lockdown verhindern.“

„Wir dürfen uns nicht an die hohen Todeszahlen gewöhnen“, sagte die SPÖ-Parteichefin. „Gestern sind 126 Menschen gestorben. Diese Zahl kann man nicht einfach hinnehmen.“ Sie kann sich vorstellen, dass das Land in eine Art „Winterschlaf“ fällt, wenn die Zahlen der Coronavirus-Neuinfektionen bis Ende nächster Woche nicht auf 1.000 pro Tag sinken. „Ab 24. Dezember eine Weihnachtsruhe, der Handel sperrt zu, zumindest für zwei Wochen“, so Rendi-Wagner.

Die täglichen Fallzahlen seien zu hoch, aus medizinischer Sicht sei es „ernst“. Dass die SPÖ die jüngste Öffnung mitgetragen hat, verteidigte sie, da es nicht nur eine virologische Sicht auf die Krise gebe, sondern auch die soziale und wirtschaftliche. „Es braucht einen Mittelweg“, betonte die SPÖ-Chefin. Die Sozialdemokraten hätten sich für „schrittweise und kontrollierte“ Lockerungen ausgesprochen. Aber man müsse immer die Entwicklung der Neuinfektionen im Auge behalten.

SPÖ-Chefin Rendi Wagner in der ORF-Pressestunde
ORF
SPÖ-Chefin Rendi-Wagner mit Hans Bürger (ORF) und Karin Leitner („Tiroler Tageszeitung“) im Gespräch

Es sei jedenfalls nicht die Zeit für „Silvesterpartys“ und „Hüttengaudi“, so Rendi-Wagner weiter. „Deshalb bin ich froh, dass der Wintertourismus ausbleibt und die Hütten geschlossen sind, weil die ein Superspreaderevent par excellence sind, wie wir in Ischgl gesehen haben.“

„Frage der Rolle und Verantwortung“

Auf die Frage, ob sie Kritik von der Opposition stören würde, wenn sie Regierungschefin wäre, sagte die Politikerin, dass Kritik keine Frage der Parteitaktik sei. „Es ist eine Frage der Rolle und Verantwortung. Die Bundesregierung ist für das Krisenmanagement verantwortlich“, sie als Oppositionspartei mache konstruktive Vorschläge, weise aber auch auf Missstände und Versäumnisse hin. „Jeder muss seiner Verantwortung nachkommen.“

Vorschlag einer „Weihnachtsruhe“ für das Land

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner spricht sich für eine „Weihnachtsruhe“ aus, wenn die Coronavirus-Zahlen nicht weiter sinken.

Einmal mehr sprach sich Rendi-Wagner für offene Kindergärten und Schulen aus. Denn das große Infektionsrisiko gebe es nicht in den Bildungseinrichtungen, sondern in ganz anderen Bereichen des Lebens. Allerdings brauche es Regeln und regelmäßige Tests von Lehrern und Lehrerinnen, so Rendi-Wagner. „Ich frage mich, warum daran nicht schon im September gedacht wurde. Damit hätte man auch etwaige Cluster im Herbst verhindern können.“

Auf Nachfrage, ob man mit offenen Schulen nicht trotzdem Infektionen riskiere, sagte sie, dass man Entscheidungen immer von mehreren Seiten betrachten müsse. In der Politik seien Entscheidungen nicht eindimensional. „Kinderpsychologen schlagen jetzt schon Alarm“, betonte die Bundesparteiobfrau mit Blick auf Schulschließungen und ein mangelndes Sozialleben. Gegen eine Verlängerung der Weihnachtsferien bis zum 10. Jänner würde aber nichts sprechen.

Vertrauen in Regierung zurückgegangen

Angesprochen auf die derzeit noch laufenden Massentests, die bereits in die Zielgerade eingebogen sind, übte die Oppositionspolitikerin Kritik an der ÖVP-Grünen-Regierung. Viele Fehler seien passiert, weil man die Massentests „zuerst angekündigt hat, dann erst vorbereitet“, sagte sie. Damit habe man den „Grundsatz des Krisenmanagements“, dass man zuerst vorbereitet und dann ankündigt, gebrochen. „Die Kohlen aus dem Feuer haben die Bundesländer, die Gemeinden mit den Bürgermeistern rausgeholt.“

Über das Vertrauen an die Bundesregierung

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht in Sachen Coronavirus einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung.

Dass die Beteiligung von derzeit etwa 30 Prozent unter den Erwartungen bleibt, wundert Rendi-Wagner nicht. „Ich gebe zu bedenken, dass sich die Regierung eine Quote von 60 Prozent gesetzt hat. Das ist für mich schon ein Gradmesser, wie sehr die Bevölkerung Maßnahmen, die die Regierung vorschlägt, mitträgt.“ Aus ihrer Sicht ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Maßnahmen der Regierung in den vergangenen Wochen und Monaten zurückgegangen.

Die Sinnhaftigkeit des Massentests ist ihrer Meinung nach „schlecht“ kommuniziert worden. „Wenn die Leute den Sinn nicht verstehen, dann ist die Bereitschaft, daran teilzunehmen, auch eine wesentlich geringere“, so die Parteichefin. Auch in Sachen Feiertagsregelungen sieht sie Nachholbedarf. Viele Menschen kennen sich nicht mehr aus, was sie etwa am 24. Dezember oder am 25. Dezember überhaupt noch dürfen oder nicht dürfen.

Gegen Impfpflicht

Auf sehr viel bessere Kommunikation und Vorbereitung drängte sie bei der Coronavirus-Impfung. „Es braucht Information und Aufklärung, Vertrauen ist der Schlüssel zu hohen Impfraten“, forderte sie für eine klare Kommunikationsstrategie. Schon jetzt müssten alle relevanten Gruppen eingebunden werden, vor allem auch die Hausärzte und Apotheker, bei denen sich viele Verunsicherte Information suchen würden.

Eine Impfpflicht lehnt sie ab, es brauche genügend Kommunikation und Information, dass „am Ende eine freiwillige aufgeklärte Impfentscheidung“ steht. Rendi-Wagner selbst wird sich „natürlich“ impfen lassen – und mit einem EU-weit zugelassenen Impfstoff (den es ab Jänner geben soll) „ist Impfung jedem anzuraten“.

Zur Finanzierung der Coronavirus-Krise unterstrich die SPÖ-Chefin die Forderung nach Millionärsabgabe und Erbschaftssteuern (ab einer Million Euro) sowie einem Solidarbeitrag großer internationaler Onlinekonzerne. Dringend nötig seien Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit – verursache diese doch auch hohe Kosten – und „groß dimensionierte Investitions- und Konjunkturpakete“. „Jetzt ist nicht die Zeit für Ausgabenkürzungen“, zeigte sich Rendi-Wagner „völlig d’accord“ mit dem diesbezüglichen Weg der Regierung.

„Froh“, dass aktive Sterbehilfe nicht „angefasst“ wurde

Zu Beginn der „Pressestunde“ wurden auch die zwei jüngsten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs zur Sterbehilfe und zum Kopftuchverbot in Volksschulen angesprochen. „Solche Urteile sind zur Kenntnis zu nehmen“, sagte sie. Rendi-Wagner ist als Ärztin aber froh, dass die Höchstrichter und Höchstrichterinnen nicht die Strafbarkeit der aktiven Sterbehilfe angefasst und gekippt haben, „weil ich gegen die aktive Sterbehilfe bin“.

Reaktion auf VfGH-Erkenntnisse

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat in der ORF-„Pressestunde“ gesagt, dass sie die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs zur Kenntnis nimmt.

Der VfGH hat am Freitag die Strafbarkeit von Beihilfe zum Suizid aufgehoben und damit eine schwerwiegende Entscheidung getroffen. Der Straftatbestand der „Hilfeleistung zum Selbstmord“ verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Der Gesetzgeber hat nun bis 31. Dezember 2021 Zeit, die verfassungswidrige Bestimmung zu reparieren.

Auch die Aufhebung des Kopftuchverbots in Volksschulen nimmt die SPÖ-Chefin zur Kenntnis, verwies allerdings darauf, dass „ein weiteres türkises (ÖVP, Anm.) Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben wurde“. Sie selbst habe sich immer dagegen ausgesprochen, dass Mädchen gezwungen werden, Kopftuch zu tragen. „Ich denke, Integration darf kein populistischer Spielball sein.“

Rendi-Wagner: Keine Hofburg-Kandidatur

Angesprochen auf aktuelle Gerüchte über eine Verschlechterung des ÖVP-Grünen-Koalitionsklimas und heimliche Gespräche der Parteien über andere Regierungsvarianten erteilte Rendi-Wagner Spekulationen über eine mögliche Koalition mit der FPÖ eine klare Absage: Rot-Blau „habe ich immer ausgeschlossen und das werde ich auch weiter so tun“.

Statement zu Gerüchten über parteipolitische Gespräche

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat in der ORF-„Pressestunde“ eine SPÖ-FPÖ-Koalition und ihre Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl ausgeschlossen.

Ebenso klar schloss die SPÖ-Parteichefin aus, dass sie Präsidentschaftskandidatin werden könnte: „Das sieht meine Lebensplanung nicht vor.“ Die Frage, ob bzw. wen die SPÖ als Kandidaten oder Kandidatin ins Rennen schickt, sei noch nicht spruchreif.

Die Wahl stehe erst 2022 an – und man wisse nicht, was Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorhat. Dass die SPÖ ihn unterstützen könnte, sei „natürlich“ eine Einzelmeinung der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). Rendi-Wagner warf aber auch ein, dass in der Zweiten Republik SPÖ oder ÖVP nie einen Kandidaten aufgestellt haben, wenn sich ein amtierender Präsident um die Wiederwahl beworben hat.