Sehr wenige Menschen vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Reuters/Reinhard Krause
Deutschland

Harter Lockdown ab Mittwoch

Das öffentliche Leben in Deutschland wird angesichts der Coronavirus-Krise ab Mittwoch heruntergefahren. Der Einzelhandel mit Ausnahme der Geschäfte für den täglichen Bedarf muss bis zum 11. Jänner schließen. Präsenzunterricht in Schulen soll nicht stattfinden. Das teilte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten und -präsidentinnen der Länder am Sonntag mit.

Schülerinnen und Schüler sowie Kindergartenkinder sollen für zunächst dreieinhalb Wochen zu Hause bleiben. Konkret heißt es dazu in einem gemeinsamen Beschlusspapier, dass Kinder zwischen dem 16. Dezember und dem 10. Jänner „wann immer möglich“ zu Hause betreut werden sollten. Ausnahmen und eine Notbetreuung sind möglich, und in einigen Bundesländern gelten solche Regeln bereits ab Montag.

Die Kontakte sollen mit Ausnahme der Zeit von 24. bis 26. Dezember wie bisher auf maximal fünf Personen aus zwei Haushalten reduziert bleiben. Für den 24. bis 26. Dezember können über den eigenen Hausstand hinaus noch vier weitere Personen aus dem engsten Familienkreis eingeladen werden. Für Silvester und Neujahr gebe es keine Sonderregeln, sagte Merkel. Der Verkauf von Feuerwerk wird verboten. Auch Friseure und andere Dienstleistungsbetriebe blieben geschlossen. Darüber hinaus dürfen ab Mittwoch keine alkoholischen Getränke mehr in der Öffentlichkeit konsumiert werden.

Pressekonferenz mit Angela Merkel
Reuters/Bernd Von Jutrczenka
„Wir sind zum Handeln gezwungen und handeln jetzt auch“, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU)

In den besonders vom Coronavirus betroffenen Alters- und Pflegeheimen werden nun Pflichttests eingeführt. „Mehrmals pro Woche“ sollten die Tests stattfinden, sagte Merkel nach dem Coronavirus-Gipfel mit den Ministerpräsidenten. Indes werden auch die Finanzhilfen für Unternehmen erhöht. Für einen Monat werde das wohl gut elf Milliarden Euro kosten, sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Bis zu 90 Prozent der Fixkosten von geschlossenen Geschäften würden übernommen. Bis zu 500.000 könnten das für einen Betrieb ein.

Merkel: Teil-Lockdown hat „nicht gereicht“

Der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown hat nach den Worten der deutschen Kanzlerin „nicht gereicht“. Das exponentielle Wachstum der CoV-Neuinfektionen habe eine Zeit lang gestoppt werden können, sagte Merkel nach Beratungen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am Sonntag in Berlin. Dann habe es aber eine „Seitwärtsbewegung“ gegeben, und seit einigen Tagen gebe es wieder ein exponentielles Wachstum.

Das Vorhaben sei immer gewesen, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, sagte Merkel. Die nun beschlossene Verschärfung der Maßnahmen habe Auswirkungen auf die Feiertage. Aber: „Wir sind zum Handeln gezwungen und handeln jetzt auch.“

Söder: „Es ist fünf vor zwölf“

„Es ist fünf vor zwölf“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Halbherzige Einschränkungen gebe es nicht mehr. „Corona ist eine Katastrophe.“ Es gelte: „Lockdown ab Mittwoch.“ Wie lange, bleibe offen. „Wenn wir nicht aufpassen, wird Deutschland schnell das Sorgenkind in ganz Europa. Deswegen mussten und müssen wir handeln“, sagte Söder. Er kündigte zudem strikte nächtliche Ausgangsbeschränkungen für den ganzen Freistaat an.

„Die Zeit der Appelle ist vorbei“, sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. „Deutschland muss zur Ruhe kommen – nur so haben wir eine Chance, die Kontakte um das notwendige Maß zu reduzieren.“ Was im Frühjahr „in Teilen zu viel war, ist heute dringend geboten und wird jetzt von allen staatlichen Ebenen durchgesetzt“, sagte Kretschmer. Die Gewährleistung der medizinischen Versorgung jederzeit sei nicht verhandelbar.

20.200 Neuinfektionen in Deutschland

Hintergrund sind die weiter sehr hohen Infektionszahlen: Das Robert-Koch Institut meldete heute 20.200 Neuinfektionen. Das sind 2.433 mehr als vor einer Woche. Es starben weitere 321 Menschen an oder mit dem Virus. Die 7-Tage-Inzidenz stieg laut RKI-Angaben weiter auf 169,1 und entfernt sich damit immer mehr vom Zielwert 50, den Bund und Länder anstreben. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in Deutschland innerhalb von sieben Tagen neu anstecken. In Österreich liegt die 7-Tage-Inzidenz bei 206 (Stand: Samstag, 14.00 Uhr).