Verteilung von Impfstoff in Portage, Michigan (USA)
AP/Morry Gash
Auslieferung läuft

USA beginnen mit CoV-Impfungen

Nach der Notfallzulassung eines ersten Coronavirus-Impfstoffs stehen die USA vor der größten Impfkampagne in der Geschichte des Landes. Die Auslieferung der Impfdosen ist angelaufen, am Montag wird in den USA mit den Impfungen begonnen. Zuvor hatte das Weiße Haus der Zulassungsbehörde Druck gemacht.

Die USA werden nach Großbritannien das zweite westliche Land werden, das systematisch gegen Coronavirus impft. Zugelassen wurde der Impfstoff des deutschen Pharmaunternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer durch die Arzneimittelbehörde FDA am Freitag. Am Sonntag verließen die ersten Sattelschlepper mit dem Impfstoff das Pfizer-Werk in Kalamazoo im US-Bundesstaat Michigan.

Mit Gesichtsmasken geschützte Arbeiter verpackten die Ampullen in Kartons in der Größe von Pizzaschachteln aus einem Gefrierschrank – sie müssen bei minus 70 Grad Celsius gelagert werden – und verluden sie in die Lkws, die sie zum nahe gelegenen Flughafen brachten. Die Impfdosen wurden zu den Drehkreuzen der Logistikkonzerne UPS und Fedex in Louisville, Kentucky, und Memphis, Tennessee, geflogen.

Verteilung von Impfstoff in Portage, Michigan (USA)
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Erste Sattelschlepper verlassen das Pfizer-Werk in Michigan

Von diesen Standorten ging die Verteilung an 145 Empfänger weiter, die am Montag als Erste die Impfungen erhalten sollen. Am Anfang sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen geimpft werden. Bis Ende des Monats sollen 2,9 Millionen Impfeinheiten verabreicht werden.

FDA: „Bedeutender Meilenstein“

FDA-Chef Stephen Hahn hatte die Notfallzulassung einen „bedeutenden Meilenstein im Kampf gegen diese verheerende Pandemie“ genannt. Biontech-Mitgründer Ugur Sahin sagte, die Zulassung und der anstehende Einsatz des Impfstoffes würden „helfen, Leben überall in den USA zu retten, und die Rückkehr zur Normalität beschleunigen“.

Medienberichten zufolge soll das Weiße Haus die FDA mit Drohungen der Entlassung zur umgehenden Notfallzulassung gedrängt haben. FDA-Chef Hahn wies das zurück. „Wissenschaft und Daten haben die Entscheidung der FDA gelenkt“, sagte er. US-Präsident Donald Trump hatte die Behörde auf Twitter als „große, alte, langsame Schildkröte“ bezeichnet.

Trump hatte Freitagabend erste Impfungen noch am Wochenende versprochen. Der für die Impflogistik zuständige Experte des Weißen Hauses, Gustave Perna, sagte jedoch, dass erst ab Montag geimpft werde. Auch Hahn sagte dem Sender CNN am Sonntag, es sei seine „größte Hoffnung“, dass ab Montag geimpft werde.

Trump dementiert bevorzugte Behandlung

Unterdessen widersprach Trump Medienberichten über eine bevorzugte Behandlung für ihn persönlich bei der Schutzimpfung. Er stehe nicht auf dem Plan für eine Impfung, sehe dem aber zu einer „passenden Zeit“ entgegen, twitterte Trump am späten Sonntagabend (Ortszeit). Zuvor hatte die Wirtschaftsagentur Bloomberg berichtet, Trump und andere Angehörige des Weißen Hauses sollten die Schutzimpfung schon am Montag erhalten.

„Die Angestellten im Weißen Haus sollten die Impfung etwas später in dem Programm erhalten, außer es ist unbedingt nötig“, so Trump weiter. Er habe diese Änderung angeordnet. Trump selbst war bereits Anfang Oktober an Covid-19 erkrankt.

Erste Zulassung in Großbritannien

Pfizer und Biontech hatten auch bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) die Zulassung des Coronavirus-Impfstoffs beantragt – eine Entscheidung darüber steht noch aus. Bereits Anfang des Monats hatten die britischen Behörden diesem Präparat eine Notfallzulassung erteilt. Damit wurde Großbritannien der erste Staat weltweit, der das Vakzin freigab. Kanada, Bahrain, Saudi-Arabien und Mexiko folgten. Auch der Golfstaat Kuwait erteilte dem Impfstoff eine Notfallzulassung, wie ein Vertreter des Gesundheitsministeriums am Sonntag mitteilte. Russische und chinesische Impfstoffe sind bereits in mehreren Ländern im Einsatz.

Verteilung von Impfstoff in Portage, Michigan (USA)
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Impfdosen werden in Trockeneis verpackt

Der mRNA-Impfstoff von Pfizer und Biontech hat nach umfangreichen Testreihen eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent, wie die Hersteller mitgeteilt hatten. Das bedeutet, dass unter den Probanden der geimpften Gruppe 95 Prozent weniger Erkrankungen auftraten als unter den Probanden der Kontrollgruppe. Inzwischen wurde die Studie auch im renommierten Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ („NEJM“) veröffentlicht.

Das Vakzin funktioniert laut Hersteller über alle Altersgruppen und andere demografische Unterschiede hinweg ähnlich gut und zeige praktisch keine ernsten Nebenwirkungen. Die Tests hatten den Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung untersucht. Eine bedingte Zulassung wie jetzt im Fall des Biontech-Impfstoffs soll dringliche medizinische Bedürfnisse befriedigen. Den Antragstellern kann im Interesse der öffentlichen Gesundheit eine bedingte Genehmigung erteilt werden, wenn der Nutzen das Risiko, das von weniger als normalerweise erforderlichen Daten ausgeht, überwiegt. Fehlende Daten beispielsweise zur Langzeitwirksamkeit und zu bestimmten Subgruppen müssen so schnell wie möglich nachgereicht werden.

USA sichern sich 100 Millionen Dosen

Trump hatte die Wahl in den USA am 3. November gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Das führen Experten auch auf Trumps vielfach kritisiertes Pandemiemanagement zurück. Biden will nach seiner Vereidigung am 20. Jänner einen 100-Tage-Plan zum Kampf gegen das Coronavirus umsetzen. Dazu gehört die Verabreichung von mindestens 100 Millionen Dosen eines Impfstoffs in dieser Frist.

Die US-Regierung sicherte sich vertraglich die Lieferung von 100 Millionen Impfdosen von Pfizer und Biontech. Der US-Pharmakonzern Moderna teilte mit, die US-Regierung kaufe weitere 100 Millionen Dosen seines Impfstoffkandidaten. Diese Dosen würden im zweiten Quartal 2021 geliefert. Der Moderna-Impfstoff muss von der FDA noch zugelassen werden, eine Entscheidung darüber wird Ende der Woche erwartet.

Kooperation mit Russland

Unterdessen will der britische Pharmakonzern AstraZeneca bei der Entwicklung von Impfstoffen mit Russland zusammenarbeiten. Eine Kombination verschiedener Vakzine kann dem Unternehmen zufolge womöglich zu einem besseren Schutz gegen das Virus führen. Deshalb solle gemeinsam mit dem Gamaleja-Forschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau untersucht werden, ob der von AstraZeneca entwickelte Wirkstoff mit dem russischen Vakzin „Sputnik V“ auf Basis verschiedener Adenoviren kombiniert werden könne.

Russlands staatlicher Direktinvestmentfonds hatte AstraZeneca nach eigenen Angaben eine Zusammenarbeit angeboten. Bis Jahresende will AstraZeneca eine Studie dazu beginnen. Der russische Impfstoff, der als weltweit erster freigegeben wurde, durchläuft derzeit die Testphase III. Parallel dazu haben Impfungen begonnen. „Sputnik V“ ist ein Vektorimpfstoff. Dabei transportieren harmlose Viren Teile des Erbguts von Erregern in den Körper. Dieser bildet im Idealfall dann Antikörper.