Alexei Navalny
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Alexej Nawalny

Acht Spione sollen hinter Anschlag stecken

Die Spur nach dem Giftattentat auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny im Sommer führt laut mehreren Medien zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Mindestens acht seiner Agenten sollen den Anschlag verübt haben. Den Recherchen zufolge stand Nawalny seit Jahren im Visier der Männer. Russland wies Vorwürfe einer Beteiligung stets zurück.

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlichte am Montag die acht Namen der mutmaßlichen FSB-Mitarbeiter. Bei den Identifizierten handle es sich um sechs ausführende Agenten und zwei mutmaßliche Führungskräfte. Das Magazin stützte sich nach eigenen Angaben auf gemeinsame Recherchen mit der Investigativplattform Bellingcat, „The Insider“ und dem US-Nachrichtensender CNN. Nawalny verbreitete ebenfalls die Berichte: „Ich weiß, wer mich töten wollte“, sagte er und veröffentlichte zudem Fotos von acht Männern.

Die mutmaßlichen Beteiligten seien nach Auswertung von Mobilfunk-, GPS- und Standortdaten von mehr als einem Dutzend FSB-Agenten sowie Analysen zahlreicher Passagierlisten russischer Linienflüge identifiziert worden, schrieb der „Spiegel“ weiter. Dadurch lasse sich auch nachvollziehen, dass der Oppositionelle bereits seit 2017 im Visier dieser Männer gestanden haben soll. So seien die FSB-Agenten mehr als 30-mal zu Nawalnys Reisezielen vorausgeflogen und kurz nach ihm nach Moskau zurückgekehrt. Es sei wenig wahrscheinlich, dass es sich bei dem FSB-Team um Agenten handelte, die Nawalny nur beobachteten.

Reger Telefonverkehr

Die beiden mutmaßlichen FSB-Führungskräfte gehören dem „Spiegel“ und seinen Partnern zufolge zwei Einheiten an, die in der Vergangenheit bereits mit Giftmorden in Verbindung gebracht wurden: das „Institut für Kriminalistik“ und das ihm übergeordnete „Zentrum für Spezialtechniken“. Eine der beiden Führungskräfte kommunizierte den Recherchen zufolge regelmäßig mit Chemielaboren, die mit dem Nowitschok-Programm Russlands in Verbindung stehen.

Nawalny soll im August mit einem in der Sowjetunion entwickelten chemischen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet worden sein. Er war auf einem Inlandsflug zusammengebrochen. Laut „Spiegel“ konnte im Vorfeld von Nawalnys Reise nach Tomsk reger Telefonverkehr zwischen den FSB-Agenten festgestellt werden. Außerdem wurde einer der FSB-Männer, Alexej Alexandrow, in Nowosibirsk vor dem Hotel einer Vertrauten Nawalnys geortet.

Womöglich nicht der erste Versuch

Nawalny berichtete dem „Spiegel“ von einer auffälligen Begebenheit am Vorabend seines Zusammenbruchs: Hinter dem Tresen der Hotelbar hätten sich viel mehr Menschen aufgehalten als sonst. Der Barkeeper habe ihm eine Bloody Mary verwehrt, seinem Wunsch nach einem Negroni aber entsprochen. Nachdem Nawalny die Bar verlassen hatte, kommunizierten die FSB-Leute intensiv miteinander, bis Alexandrows Telefon letztmalig kurz nach Mitternacht des 20. Augusts nahe dem Hotel geortet wurde. Am nächsten Morgen verließ Nawalny früh das Hotel in Tomsk. Zeitgleich setzten die Telefonate zwischen einem mutmaßlich dort anwesenden FSB-Mitarbeiter mit den in Moskau sitzenden Führungskräften ein. Nawalnys Mitstreiter hatten im September angegeben, er sei im Hotel mit Mineralwasser vergiftet worden. Sie hatten die Flaschen nach seinem Zusammenbruch im Hotelzimmer sichergestellt.

Zwei Mineralwasserflaschen in dem Hotelzimnmer von Alexei Nawalny
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Nawalnys Team ging von vergiftetem Mineralwasser aus. Ein entsprechendes Video wurde auf Instagram gepostet.

Möglicherweise handelte es sich bei dem Tötungsversuch im August nicht um den ersten Anschlag auf Nawalny. Dem „Spiegel“ berichtete Nawalny von zwei Zwischenfällen, darunter einem im Juli 2020. Während einer Privatreise mit seiner Ehefrau nach Kaliningrad habe diese Symptome ganz ähnlich der seinigen im August gezeigt. Sie habe sich aber kurz darauf wieder besser gefühlt. Mitglieder des identifizierten FSB-Teams hielten sich zeitgleich zum Ehepaar Nawalny in Kaliningrad auf.

Keine Ermittlungen in Russland

Russland reagierte zunächst nicht auf die Berichte. Bisher wurde jede Verwicklung in den Fall zurückgewiesen. Alle staatlichen Nowitschok-Bestände seien vernichtet worden, das Rezept sei zudem längst auch im Westen bekannt. Der russische Staatschef Wladimir Putin hatte erst vergangene Woche gesagt, er sehe keine Voraussetzungen für Ermittlungen in Russland.

Moskau wolle erst ermitteln, wenn es Beweise für ein Verbrechen gebe. Bisher seien sie aber nicht aus dem Ausland vorgelegt worden, so Putin. „Auch wenn eine Person fast gestorben ist, heißt das nicht, dass man in jeden Fall ein Strafverfahren eröffnen muss.“

Nawalny hält sich nach wie vor in Deutschland auf, wo er in der Berliner Charite behandelt wurde. Er will nach seiner Genesung wieder nach Russland zurückkehren.