Der designierte US-Präsident Joe Biden
Reuters/Mike Segar
Offiziell gewählt

Biden fordert Trump zu Aufgabe auf

Der Sieg des gewählten US-Präsidenten Joe Biden über Amtsinhaber Donald Trump ist nun auch formell bestätigt. Die Wahlleute in den Bundesstaaten („Electoral College“) haben ihm 306 der 538 Stimmen zukommen lassen, wie Biden nach dem diesmal vielbeachteten Formalakt in Wilmington im Bundesstaat Delaware sagte. Weiter ausständig ist die Anerkennung der Wahlniederlage durch Trump – wobei Biden Trump nun unmissverständlich aufforderte, das jetzt zu tun.

Mit den von den Wahlleuten erhaltenen Stimmen verfüge er über eine Mehrheit, die Trump vor vier Jahren noch als „Erdrutschsieg“ bezeichnet habe, sagte Biden in seiner Rede nach dem Wahlleutevotum. Diese Zahl stelle einen klaren Wahlsieg dar, und das sollte Trump auch eingestehen: „Ich schlage respektvoll vor, dass Sie das jetzt auch tun.“

Nach Bidens Worten sei die „Flamme der Demokratie“ in den USA bereits vor langer Zeit entzündet worden: „Und wir wissen jetzt, dass nichts – nicht einmal eine Pandemie oder ein Machtmissbrauch – diese Flamme löschen kann.“ In „diesem Kampf um die Seele Amerikas“ habe sich die Demokratie durchgesetzt.

Biden: „Demokratie hat sich durchgesetzt“

Nach der formellen Bestätigung des Sieges des gewählten US-Präsidenten Joe Biden durch die Mehrheit der Wahlleute wandte sich Biden in einer Rede an die Nation.

Wahl mit 306 Wahlleuten klar gewonnen

Bei der Abstimmung der einzelnen Bundesstaaten erreichte der Demokrat mit über 270 Stimmen die Mehrheit der 538 Wahlleute. Die üblicherweise wenig beachtete Formalie bei der US-Präsidentenwahl erhielt in diesem Jahr wegen Trumps unbewiesener Vorwürfe eines schweren Betrugs eine besondere Bedeutung. Es galt allerdings als ausgeschlossen, dass genug Wahlleute mit ihren Vorgaben aus der Wahl brechen würden, um Biden den Sieg zu nehmen. Er hatte die Abstimmung am 3. November mit 306 Wahlleuten gewonnen.

Trump sagte Ende vergangenen Monats, er würde das Weiße Haus verlassen, wenn das Wahlkollegium für Biden stimmen würde, hat aber den Sieg Bidens noch nicht eingestanden. Vielmehr wiederholte er am Montag eine Reihe nicht belegter Behauptungen. „Swing-Staaten, die schweren Wahlbetrug gefunden haben, können diese Stimmen rechtlich nicht als vollständig und korrekt zertifizieren, ohne ein schwer strafbares Verbrechen zu begehen“, schrieb er auf Twitter.

Angelobung am 20. Jänner ohne Trump?

Nun bliebe Trump theoretisch noch ein letzter Schachzug, um das Ergebnis der Wahl zu kippen: Der Kongress tritt am 6. Jänner zusammen, um das Ergebnis zu zertifizieren. Um das zu blockieren, wäre jedoch eine Mehrheit in jeder der beiden Kammern notwendig. Im Repräsentantenhaus halten die Demokraten die Mehrheit, Trumps Republikaner im Senat. Allerdings haben viele von ihnen Bidens Sieg anerkannt. In den USA gibt es keinen Fraktionszwang. Biden soll am 20. Jänner vereidigt werden. Ob Trump der Zeremonie beiwohnen wird, wie es die Tradition eigentlich verlangt, ist völlig offen – viele halten es für wenig wahrscheinlich.

Putin wünscht Biden „viel Erfolg“

Mit dem nun auch vom Wahlleutekollegium bestätigten Wahlsieg gibt es für Biden auch Glückwünsche aus Moskau. Russlands Präsident Wladimir Putin sei „bereit zur Zusammenarbeit“ und wünsche dem gewählten US-Präsidenten „viel Erfolg“, wie der Kreml am Dienstag mitteilte. Putin hielt sich zuvor mit seinem Glückwunsch an den gewählten 46. US-Präsidenten zurück. Man wolle das offizielle Ergebnis abwarten, wie es vom Kreml dazu hieß.

Ein Glückwunschtelegramm gibt es für Biden nun auch von Polens Staatsoberhaupt Andrzej Duda. Knapp sechs Wochen nach der Wahl wünschte Duda Biden am Dienstag eine „ertragreiche Amtszeit“.

Rücktritt von Justizminister Barr

Amtshinhaber Trump sorgte indes noch während der laufenden Abstimmung der Wahlleute für einen weiteren Paukenschlag und gab via Twitter den Rücktritt von Justizminister William Barr bekannt. In dem von Trump veröffentlichten Rücktrittsschreiben heißt es, Barr werde am 23. Dezember aus dem Amt scheiden. Dessen Stellvertreter Jeff Rosen werde dann das Amt geschäftsführend übernehmen, wie Trump via Twitter weiter mitteilte.

Der 74-Jährige hatte Kritik an Barr geäußert, nachdem dieser gesagt hatte, dass er keine Beweise für schweren Wahlbetrug kenne. Damit hatte er Trumps Behauptungen offen widersprochen. Barr galt bis dahin als enger Verbündeter des Präsidenten.

Am Samstag hatte Trump erneut Kritik an Barr geäußert. Das „Wall Street Journal“ hatte berichtet, dass der Justizminister bereits seit dem Frühjahr von Ermittlungen gegen den Sohn des gewählten US-Präsidenten Biden, Hunter Biden, gewusst habe. Barr habe die Ermittlungen aus dem Wahlkampf heraushalten wollen, hieß es in der Zeitung. „Eine große Enttäuschung!“, schrieb Trump.

Biden weiter auf Wahlkampftour

Für den nun auch von den Wahlleuten zum neuen US-Präsidenten gewählten Biden ist indes der Wahlkampf noch nicht beenndet. Vielmehr reist der 78-Jährige am Dienstag in den Bundesstaat Georgia und unterstützt dort die demokratischen Senatskandidaten Jon Ossoff und Raphael Warnock, die die republikanischen Amtsinhaber David Perdue und Kelly Loeffler herausfordern.

Auch für Biden selbst steht viel auf dem Spiel: Die Stichwahlen am 5. Jänner entscheiden über die künftige Mehrheit in der mächtigen Kongresskammer – und damit über seinen Spielraum für Reformen. Nach jetzigem Stand haben die Republikaner des abgewählten Präsidenten in der Kongresskammer mit 100 Senatoren 50 Sitze sicher, Bidens Demokraten 48. Die Republikaner müssen also nur eine der Stichwahlen in Georgia gewinnen, um auch künftig die Mehrheit im Senat zu stellen.

Biden hatte Georgia bei der Präsidentschaftswahl vom 3. November als erster demokratischer Präsidentschaftskandidat seit knapp drei Jahrzehnten gewonnen. Es war einer seiner Schlüssel zum Erfolg. Der abgewählte Trump versuchte vergeblich, das Wahlergebnis in dem Bundesstaat zu kippen, und legte sich dabei auch mit dem republikanischen Gouverneur Brian Kemp und republikanischen Wahlverantwortlichen an.