Baumwolle, im Hintergrund eine Arbeiterin bei der Ernte
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Uiguren in China

Hunderttausende zu Feldarbeit gezwungen

In der chinesischen Provinz Xinjiang werden einem Bericht zufolge Hunderttausende Angehörige ethnischer Minderheiten zur Arbeit auf Baumwollfeldern gezwungen. 2018 sollen in drei mehrheitlich von Uiguren bewohnten Regionen in Xinjiang mindestens 570.000 Menschen im Rahmen eines staatlichen Zwangsarbeitsprogramms zur Baumwollernte gezwungen worden sein, hieß es in dem Bericht der US-Denkfabrik Center for Global Policy (CGP) am Montag unter Berufung auf Regierungsdokumente.

Experten sagen, dass die Zahl der Betroffenen um „mehrere hunderttausend“ höher liegen könnte. In Xinjiang werden dem Bericht zufolge mehr als 20 Prozent der weltweit genutzten Baumwolle produziert. Das könnte „potenziell drastische Folgen“ für globale Lieferketten haben. Bereits im März hatte das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) mehreren internationalen Markenherstellern wie adidas, Gap und Nike vorgeworfen, für ihre Produkte Zwangsarbeit von Uiguren zu nutzen.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen und Forschern sind in Xinjiang mindestens eine Million Uiguren und andere muslimische Minderheiten in Hunderten Haftlagern eingesperrt. Sie werden dort nach Angaben der Aktivisten zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. Exiluiguren werfen Peking auch Morde, Verschleppungen, Folter und Zwangssterilisationen vor.

Arbeiterinnen ernten auf einem Feld Baumwolle in Hami in der chinesischen Region Xinjiang
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Arbeiterinnen in der chinesischen Provinz Xinjiang bei der Baumwollernte

„Quasi-militärisch“ verwaltet

Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von „Bildungszentren“, die dem Kampf gegen islamistische Radikalisierung dienten. Zudem hätten laut Peking mehr als die Hälfte die Lager bereits verlassen. Berichten zufolge wurden jedoch viele ehemalige Insassen in Fabriken verlegt, die oft mit den Lagern in Verbindung stehen. In dem CGP-Bericht heißt es unter Berufung auf Regierungsdokumente, die mutmaßlichen Zwangsarbeiter würden von der Polizei überwacht, „quasi-militärisch“ verwaltet und von Ort zu Ort gebracht.

Einige Betroffene würden möglicherweise finanziell von den Programmen profitieren und teilweise Zustimmung zu dem Prozess zeigen, allerdings sei es „unmöglich zu definieren, wo der Zwang endet und die Zustimmung beginnt“, schrieb Adrian Zenz, der Autor des Berichts. „Es ist klar, dass die Verlegung von Arbeitskräften zum Baumwollpflücken ein sehr hohes Risiko für Zwangsarbeit beinhaltet.“ Wegen Verletzung der Menschenrechte hatten die USA Anfang Dezember den Import von Baumwolle aus der Region gestoppt und von „Sklavenarbeit“ gesprochen. Peking warf Washington daraufhin vor, Falschnachrichten zu verbreiten. Etwa ein Fünftel der in den USA genutzten Baumwolle kommt aus Xinjiang.

Baumwollfelder in Xinjiang
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Baumwollfelder in Xinjiang

HRW: Software wählt Muslime zur Verhaftung aus

China setzt nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) ein Computerprogramm zur willkürlichen Verhaftung von Muslimen, darunter auch die Uiguren in Xinjiang, ein. „Chinas brutale Repression der turksprachigen Muslime in der Region Xinjiang wird durch Technologie beschleunigt“, erklärte die in den USA ansässige Menschenrechtsorganisation vorige Woche. Eine geleakte Polizeiliste mit mehr als 2.000 Einträgen zu Häftlingen beweise, wie angeblich verdächtiges Verhalten durch die Computertechnologie markiert wird und später zu Verhaftungen führen kann.

Bewohner der Region wurden laut HRW mit Hilfe eines Programms markiert, das Daten von Überwachungssystemen in der Region zusammenführt. Beamte entschieden dann, ob die Menschen in Haftlager geschickt werden, hieß es in der HRW-Mitteilung weiter. Die Polizeiliste zeige auch, dass viele Menschen nur deswegen eingesperrt wurden, weil sie von dem Computerprogramm als „verdächtig“ eingestuft wurden.

Mehr als 2.000 Verhaftungen dokumentiert

Die „überwiegende Mehrheit“ dieser Menschen sei markiert worden, obwohl sie sich legal verhalten hätten. So schlage das Programm etwa Alarm, wenn Verwandte im Ausland angerufen würden, wenn keine feste Adresse registriert sei oder das Handy wiederholt ausgeschaltet werde. Die Liste dokumentiert mehr als 2.000 Inhaftierungen zwischen Mitte 2016 und Ende 2018. HRW wurden die Daten nach eigenen Angaben von einer anonymen Quelle zugespielt, die zuvor Aufnahmen aus dem Inneren eines Lagers in der Präfektur Aksu geliefert hatte. Die Menschenrechtsorganisation veröffentlichte nur Teile der Daten, um nach eigenen Angaben die Quelle nicht zu gefährden. Die Nachrichtenagentur AFP hatte teilweise Einsicht in die Liste.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, warf HRW in Reaktion auf den Bericht vor, „Unruhe zu stiften“. Der Bericht sei „nicht wert, widerlegt zu werden“. Die Führung des Regierungsbezirks Aksu sowie die Behörden in Xinjiang kommentierten den Bericht auf Anfrage von AFP nicht. Ausgaben für Überwachungstechnologie in Xinjiang haben in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. In der gesamten Region werden unter anderem Iris-Scanner und künstliche Intelligenz eingesetzt – offiziell zur Terrorismusbekämpfung, wie China angibt.