Schneebedeckte Berge in Osttirol
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Lawinensituation

Warum genauer Blick in Lagebericht lohnt

Ein schneller Blick auf die aktuelle Lawinenwarnstufe legt derzeit nahe: Nach den ergiebigen Schneefällen und der in Teilen von Tirol und Kärnten ausgerufenen höchsten Lawinenwarnstufe hat sich die Situation mittlerweile wieder deutlich entspannt. Auf Skitourengeherinnen und -geher warten damit durchaus gute, aber auch kritische Verhältnisse, heißt es dazu beim Kuratorium für alpine Sicherheit – und das sei kein Geheimnis, sondern gehe aus den Details des aktuellen Lageberichts hervor.

Bei diesem spielen die insgesamt fünf Lawinenwarnstufen ohne Frage eine zentrale Rolle – für eine auf Sicherheit bedachte Tourenplanung müsse man sich aber die Zeit nehmen, den ganzen Bericht auch im Detail zu lesen. Als Beispiel dient gegenüber ORF.at der aktuelle Lawinenlagebericht für Tirol mit Warnstufe zwei (mäßig) und drei (erheblich). Das sei für eine erste Abschätzung der Lage „wichtig“ – dann aber auch nur die oberste Spitze einer „nach unten“ immer detaillierter werdenden Informationspyramide.

Bei genauer Betrachtung definiert somit Stufe 3 dann auch nicht nur eine einzige, sondern mehrere teils sich deutlich unterscheidende Situationen. Das Kuratorium für alpine Sicherheit verweist hier unter anderem auf die fünf „typischen“, von der Vereinigung der Europäischen Lawinenwarndienste (EAWR) definierten Lawinenprobleme, die Wintersportler bei der Beurteilung der Lawinengefahr und damit auch bei der Tourenplanung unterstützen sollen.

„Wo kann ich fahren, wo nicht?“

Hier wird in Tirol derzeit neben einer Triebschnee- auch vor einer Altschneeproblematik gewarnt. Das erfordert laut Lagebericht „Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr und eine vorsichtige Routenwahl“. Diese beiden Lawinenprobleme haben aber auch ganz besondere Eigenheiten: Triebschnee ist laut EAWR „mit Übung und bei guten Sichtverhältnissen relativ leicht zu erkennen, außer der Triebschnee wurde von Neuschnee überlagert“. Das immer wieder auch „großflächig“ und „teilweise während des gesamten Winters“ auftretende Altschneeproblem sei hingegen grundsätzlich „äußerst schwierig zu erkennen“.

Somit müsse man sich bei Gefahrenstufe 3 im Altschnee auch anders verhalten als bei Gefahrenstufe 3 im Triebschnee. „Wo kann ich fahren, wo nicht“, so laute die wohl zentrale und mit steigender Erfahrung immer besser zu beantwortende Frage, um die es sich bei der Einschätzung der Gefahrenquellen dreht.

„Einiges los“

Mit Blick auf die aktuelle Situation habe man es in der anlaufenden Saison zumindest in Teilen Österreichs durchaus mit „klassischen“ Skitourenverhältnissen zu tun – und aus diesem Grund ist nun etwa auf den Bergen in Tirol und Vorarlberg auch schon „einiges los“. Es sei bisher allerdings „noch nicht problematisch“. Das könne sich aber schnell ändern, wie es – auch mit Verweis auf die anstehenden Feiertage, aber auch die derzeit noch fehlenden Skitourentouristen – dazu noch heißt.

„Wenn wir die Erfahrungen des Bergsommers 2020 auf den Winter übertragen, ist es berechtigt zu sagen: Wir werden mehr Menschen auf Ski- und Pistentouren finden als jemals zuvor“, prognostiziert dazu per Aussendung der Leiter der Abteilung Bergsport beim Österreichischen Alpenverein, Michael Larcher.

„Sicherer Tourenberg schnell gefährlich“

Skitouren lägen „voll im Trend, und das seit mehr als 20 Jahren“. Im „Corona-Winter 2020/21“ dürften es nach Larchers Einschätzung dennoch schlagartig mehr werden. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir mit bis zu 20 Prozent mehr Tourengeher rechnen können.“

Um im somit prognostizierten Rekordskitourenwinter eine „verträgliche Situation für Mensch, Tier und Umwelt zu schaffen“, setze man beim Alpenverein auf „rechtzeitige Prävention und sinnvolle Aufklärung“. Was die Sicherheit der Bergsportler betrifft, habe deren steigende Zahl aber durchaus auch „einen positiven Effekt“. „Wir wissen aus der Praxis, dass Hänge, die vom ersten Schnee weg ständig befahren werden, stabiler sind als Hänge, die nur selten befahren werden.“

Dazu kämen aber auch Risiken: So werde etwa „die Chance erhöht, dass eine Gruppe ein Schneebrett auslöst, welches wiederum andere Menschen gefährdet“. Noch problematischer sei, „dass mehr und mehr Tourengeher bei der Abfahrt eine unverspurte Linie bevorzugen und deshalb ganz bewusst in steileres Gelände ausweichen“: Damit werde ein vermeintlich sicherer Tourenberg auch „schnell gefährlich“.

Auch für Tourengeher verbindliche FIS-Regeln

Bedenken äußert der Bergsportexperte dann auch beim „Thema Pistentouren“. Konkret befürchtet Larcher hier „ein vermehrtes Konfliktpotenzial zwischen Tourengehern und Liftbetreibern“. Es sei somit in diesem Winter „besonders wichtig, sozialen Konflikten vorzubeugen und diese wo möglich zu vermeiden“. Als Beispiel nennt Larcher die „Parkplatzsituation am Ausgangspunkt“ – „sinnvolle Fahrgemeinschaften oder Shuttleservices wären hier ein Lösungsansatz“.

Auch beim Kuratorium für alpine Sicherheit verweist man auf die bereits für „große Diskussionen“ sorgenden Pistentouren. Nach wie vor seien hier einige Fragen nicht ganz geklärt. Neben den auch für Aufsteiger verbindlichen FIS-Regeln und den vom Kuratorium für alpine Sicherheit zusammengestellten Empfehlungen für Pistenskitouren sei mit den etwa in Sachen Pistensperren schlagenden „lokalen Empfehlungen“ die Richtschnur aber auch vorgegeben.