Justizministerin Alma Zadic, Innenminister Karl Nehammer und Bundesministerin für Frauen und Integration Susanne Raab
APA/Helmut Fohringer
Register, Symbole

Paket gegen Extremismus vorgestellt

Die Bundesregierung hat am Mittwoch den ersten Teil ihres Anti-Terror-Pakets vorgestellt. ÖVP und Grüne verständigten sich auf eine religionsneutrale Formulierung im Gesetz. Statt eines Verbots des „politischen Islam“ kommt nun eine allgemeine Strafbestimmung gegen religiös motivierte extremistische Verbindungen. Eine Präventivhaft im Maßnahmenvollzug ist vorerst nicht Teil des Gesetzes, dafür aber die Möglichkeit, Symbole – etwa der Identitären – zu verbieten.

Nach dem Ministerrat stellten Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) ihre gemeinsamen Pläne vor. Das Paket ziele auf jede Form von Extremismus ab, egal ob religiös oder politisch motiviert, hieß es von den Regierungsmitgliedern. Enthalten sind mehr Möglichkeiten zur elektronischen Überwachung, ein Register über Personen, die wegen einer terroristischen Straftat in Haft waren sowie eine religionsneutrale Strafbestimmung gegen religiös motivierte extremistische Vereinigungen (Paragraf 247b StGB).

Darunter fällt, wer „fortgesetzt auf gesetzwidrige Art und Weise die wesentlichen Elemente der demokratischen rechtsstaatlichen Grundordnung der Republik durch eine ausschließlich religiös begründete Gesellschafts- und Staatsordnung zu ersetzen versucht“ und entweder die staatliche Rechtsordnung untergräbt oder eine religiös begründete Rechtsordnung durchzusetzen versucht. Hier drohen bis zu zwei Jahre Haft. Das von der ÖVP gewünschte Verbot eines „politischen Islam“ kommt nicht.

Namensregister nächstes Jahr

Künftig könne man zudem in Zusammenspiel von Justiz und Exekutive auch Symbole verbieten, etwa jene der rechtsextremen Identitären Bewegung, so Nehammer. Auch Symbole ihrer Abspaltung „Die Österreicher“ würden verboten. Insgesamt will die Regierung dem Symbolegesetz, das schon jetzt etwa für die Terrormiliz Islamischer Staat, al-Kaida, Muslimbruderschaft, Graue Wölfe und PKK gilt, fünf weitere Organisationen hinzufügen. Ihre Symbole dürfen damit weder zur Schau gestellt noch verbreitet werden.

Mittels eines „Terrorregisters“ sollen künftig wegen Terrorismus Verurteilte etwa bei Bewerbungen für Tätigkeiten in kritischer Infrastruktur erkannt werden können. Auch legaler Waffenerwerb soll so ausgeschlossen werden können und Doppelstaatsbürgerschaften schneller aberkannt. Ein Gesetzesentwurf für das Register soll 2021 vorliegen.

Mehr Überwachung

Ein Punkt, den die Regierung im Vorfeld diskutiert hatte, war die Möglichkeit, dass Terroristen nach ihrer Haft im Maßnahmenvollzug untergebracht werden könnten. Diese Frage wurde im nun vorgestellten ersten Teil des Pakets nicht untergebracht. Dafür sollen bedingt entlassene Terrorstraftäter in Zukunft elektronisch überwacht werden.

Anti-Terror-Paket beschlossen

Die Regierung hat einen Teil des Anti-Terror-Pakets präsentiert. Ein explizites Verbot des „politischen Islams“, wie es die ÖVP gefordert hat, ist doch nicht Teil des Gesetzes – stattdessen gibt es ein Verbot von religiös motivierten extremistischen Verbindungen.

Zadic betonte, man bekämpfe den Terror, ohne Grundrechte außer Acht zu lassen. Der Verfassungsgerichtshof habe den Rahmen vorgegeben, um eine grundrechtskonforme Regelung schaffen zu können. Zadic sagte, es sollten mehr Mittel in die Prävention fließen. Vor einer bedingten Entlassung soll insbesondere bei „terroristischen Straftätern“ eine „Entlassungskonferenz“ stehen, an der auch Bewährungshilfe, Deradikalisierungseinrichtungen und Verfassungsschutz teilnehmen.

Sie soll die nötigen Informationen für das Gericht liefern. Dieses kann dann entsprechende Auflagen erteilen – etwa die Weisung, bestimmte Orte oder Kontaktpersonen zu meiden. Die Probezeit kann (bei mehr als fünf Jahren Haft) verlängert werden.

Beurteilt werden soll das Verhalten der bedingt Entlassenen bei zumindest zwei „Fallkonferenzen“. Außerdem kann das Gericht die Einhaltung der Auflagen auch durch eine elektronische Überwachung kontrollieren lassen. Dieser Maßnahme müssen die Betroffenen allerdings zustimmen. Eine Überwachung in der eigenen Wohnung wäre zwar nicht erlaubt, wohl aber könnte sichergestellt werden, dass z. B. bestimmte radikale Moscheen nicht besucht werden. Acht Mio. Euro sind für Präventionsprogramme vorgesehen.

„Politischer Islam“

Raab sprach anders als Nehammer und Zadic mehrmals vom „politischen Islam“. Man gehe mit den neuen Gesetzen gegen die Verbreitung der islamistischen Ideologie und der Scharia vor. Das sei kein Kampf gegen die Religionsgemeinschaft, sondern ein gemeinsamer Kampf gegen Terror, mit dem man die Religionsausübung schützen wolle, so Raab. „Selbstverständlich“ habe man einen Straftatbestand geschaffen, der „den politischen Islam“ verbiete.

Raab kündigte bei Terrorismuspropaganda ein verstärktes Vorgehen gegen extremistische Moscheen an und auch gegen deren Finanzierung. Künftig sei es möglich, dass sowohl verdächtige Moscheen als auch die dahinterstehenden Vereine Finanzunterlagen vorzeigen müssten. Auch ein Imameverzeichnis soll bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) künftig geführt werden.

Neues Anti-Terror-Paket

Robert Zikmund (ORF) analysiert die Details des neues Pakets.

Sechs Wochen in Begutachtung

Das Paket geht am Freitag in eine sechswöchige Begutachtung. Ein zweiter Teil soll im neuen Jahr folgen. Darin soll die weitere Debatte über den Maßahmenvollzug einfließen, ebenso die Ergebnisse der Untersuchungskommission nach dem Wiener Terroranschlag am 2. November. Die Kommission soll die Ermittlungspannen des Verfassungsschutzes im Vorfeld des Anschlags durchleuchten, denn der vorbestrafte Attentäter war bereits vor der Tat mehrfach auffällig geworden. Einen Zwischenbericht soll die Kommission vor Weihnachten vorlegen.

Im neuen Jahr will die Regierung auch die Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) fixieren – u. a. die Trennung in polizeilichen Staatsschutz und Geheimdienst. Außerdem soll es eine Reform des Maßnahmenvollzugs geben.

FPÖ fordert „Verbotsgesetz“

Die SPÖ will sich noch kein abschließendes Urteil über das Paket bilden. Es lägen weder ein Gesetzestext vor noch die Ergebnisse der Untersuchungskommission, so Reinhold Einwallner, Sicherheitssprecher der SPÖ. Eine inhaltliche Prüfung sei daher noch nicht möglich.

Die FPÖ nannte das Paket schon vor seiner Vorstellung „reine Herumeierei“. Die „einzige scharfe Waffe gegen den politischen Islam ist ein Verbotsgesetz“, so Klubobmann Herbert Kickl (FPÖ) per Aussendung. Er bot der ÖVP an, gemeinsam mit der FPÖ ein entsprechendes Gesetz zu beschließen. „Mit den Grünen geht das nicht, das ist jedem klar“, so Kickl. Parteichef Norbert Hofer nannte das Paket nach der Präsentation einen „Offenbarungseid der Hilflosigkeit“.

NEOS kritisierte wie die SPÖ, dass das Paket ohne Erkenntnisse der Kommission beschlossen wurde. „Damit fährt die Bundesregierung über die Untersuchungskommission drüber“, so Verteidigungssprecher Douglas Hoyos. Das Vorgelegte wirke wie „ein überhasteter Schnellschuss“.

IGGÖ kritisiert mangelnde Einbindung

Die IGGÖ kritisierte am Mittwoch, in die Verhandlungen bezüglich des verschärften Islamgesetzes nicht eingebunden gewesen zu sein „und das trotz gegenteiliger Zusicherungen des zuständigen Ministeriums“, so IGGÖ-Präsident Ümit Vural. Man lasse die IGGÖ „im Dunklen tappen“. Die Schließung von Moscheen oder die Einführung eines Registers von Imamen beträfen die Autonomie einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft, eine Einbindung der Glaubensgemeinschaft sei unabdingbar. Und „die Einführung eines Straftatbestands gegen religiös motivierten Extremismus, den Ministerin Raab explizit auf den sogenannten ‚politischen Islam‘ verstanden wissen möchte, stellt aus Sicht der IGGÖ einen Verstoß gegen die Verfassung dar“, hieß es.