Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP)
APA/Helmut Fohringer
Kritik, Skepsis und Abwarten

Gemischte Reaktionen zu Anti-Terror-Paket

Das angekündigte Anti-Terror-Paket der Regierung hat am Mittwoch zu unterschiedlichen Antworten geführt. Die Opposition zeigte sich skeptisch, man sei mit dem Paket vorgeprescht. Der FPÖ ging es zudem nicht weit genug. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) kritisierte, nicht eingebunden gewesen zu sein, und ortet einen Verstoß gegen die Verfassung.

Der erste Teil des Pakets wurde am Mittwoch von Innenminister Karl Nehammer, Integrationsministerin Susanne Raab (beide ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne) vorgestellt. Er enthält viel von dem, was die Regierung nach dem Terroranschlag von Wien am 2. November bereits hat anklingen lassen – und manches nicht. So ist die Forderung der ÖVP nach einer „Präventivhaft“ für terroristische Straftäter vorerst nicht enthalten.

Statt eines Verbots des „politischen Islams“ kommt nun eine religionsneutrale Strafbestimmung gegen religiös motivierte extremistische Vereinigungen. Mit den geplanten Gesetzen kommt auch die Möglichkeit, wegen terroristischer Straftaten Verurteilte nach der Entlassung aus der Haft elektronisch zu überwachen. Damit werde eine wirksame Terrorbekämpfung garantiert, ohne die Grundrechte außer Acht zu lassen, sagte Zadic.

Raab lobt neue Handhabe

Raab sprach im Zusammenhang mit dem neuen Straftatbestand explizit vom Kampf gegen „politischen Islam“. Wer versuche, ein „Schariagericht“ in Österreich zu implementieren, werde sich künftig vor dem Strafrichter verantworten müssen. Sie betonte allerdings, dass es nicht um einen Kampf gegen eine Religion gehe, sondern um den Schutz der freien Religionsausübung.

Diese Position unterstrich Raab auch in der ZIB2: Man wolle keinen Generalverdacht gegen Imame und Moscheen, sondern Transparenz schaffen und auch Gläubige schützen. Sie sei froh, dass man den „politischen Islam“ definiert und eine rechtliche Basis für die strafrechtliche Verfolgung geschaffen habe. Den Vorwurf der Symbolpolitik wies sie zurück, man habe „viel getan“. Dass das Paket wie zuletzt das Kopftuchverbot an Volkschulen gekippt werden könnte, glaubt Raab nicht. Man habe genau auf die Verfassungskonformität geachtet.

Integrationsministerin Raab zum Anti-Terror-Paket

Die Regierung hat am Mittwoch den ersten Teil ihres Anti-Terror-Pakets präsentiert, darunter auch einen neuen Straftatbestand zu „religiös motivierten extremistischen Verbindungen“. Dazu war Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) zu Gast in der ZIB2.

Symbole der Identitären werden verboten

Nehammer sah bereits am Vormittag in dem Paket „ein starkes und klares Zeichen dieser Bundesregierung gegen jede Form von Terror, unabhängig davon, von welcher Seite er ausgeübt wird“. Das soll auch eine Novelle des Symbolegesetzes zeigen. Künftig werden nun auch die Symbole der rechtsextremen Identitären Bewegung verboten. Zudem soll es bei Doppelstaatsbürgerschaften leichter zur Aberkennung kommen können. Extremistische Vereine und Moscheen sollen bei Terrorismuspropaganda schneller schließen. Dafür soll es auch ein Imameverzeichnis geben.

Neues Anti-Terror-Paket

Robert Zikmund (ORF) analysiert die Details des neues Pakets.

Ergebnisse der Kommission fehlen

Dieser erste Teil des Pakets geht ab Freitag für sechs Wochen in Begutachtung. Für kommendes Jahr hat die Regierung weitere Maßnahmen angekündigt. Dort will man auch den Bericht der Untersuchungskommission zum Attentat berücksichtigen. Die Kommission soll Ermittlungspannen des Verfassungsschutzes im Vorfeld des Anschlags durchleuchten, denn der vorbestrafte Attentäter war bereits vor der Tat mehrfach auffällig geworden.

Die Opposition reagierte abwartend. Die Überschriften seien näher an der rechtlichen Realität und Expertenmeinung orientiert als die ersten Ankündigungen, meinte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner. Da aber noch kein Gesetzestext mit Details vorliege und auch der Bericht der Untersuchungskommission ausständig sei, „behalten wir uns eine inhaltliche Beurteilung der Maßnahmen noch vor“, hieß es.

„Ablenkungsmanöver“ und „Offenbarungseid“

Von einem übereilten Schnellschuss sprach NEOS. „Damit fährt die Bundesregierung über die Untersuchungskommission drüber“, so NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos. Justizsprecher Johannes Margreiter sah zudem „ein Ablenkungsmanöver von Behördenversagen vor dem Terroranschlag“. Das geltende Recht lasse ohnehin genug Spielraum, um auch religiös motivierten Extremismus zu erfassen. Der nun angekündigte Straftatbestand sei unscharf, ein rechtlicher Mehrwert nicht erkennbar.

Anti-Terror-Paket beschlossen

Die Regierung hat einen Teil des Anti-Terror-Pakets präsentiert. Ein explizites Verbot des „politischen Islams“, wie es die ÖVP gefordert hat, ist doch nicht Teil des Gesetzes – stattdessen gibt es ein Verbot von religiös motivierten extremistischen Verbindungen.

Vernichtend fiel das Urteil der FPÖ aus. Parteiobmann Norbert Hofer sprach von einer „Skandalentscheidung“, weil der „politische Islam“ nicht verboten werde und auch keine Präventivhaft komme. „Ein Anschlag wie am 2. November 2020 in Wien kann durch die neuen Bestimmungen der Regierung nach wie vor in Ruhe vorbereitet und durchgeführt werden“, so Hofer. Das Paket sei ein „Offenbarungseid der Hilflosigkeit“.

IGGÖ „nicht eingebunden“

Scharfe Kritik kam auch von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ). Sie bemängelte, in die Verhandlungen bezüglich des verschärften Islamgesetzes nicht eingebunden gewesen zu sein „und das trotz gegenteiliger Zusicherungen des zuständigen Ministeriums“, so IGGÖ-Präsident Ümit Vural. Man lasse die IGGÖ „im Dunklen tappen“. Die Schließung von Moscheen sowie die Einführung eines Registers von Imamen beträfen die Autonomie einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft, eine Einbindung der Glaubensgemeinschaft sei unabdingbar.

Und „die Einführung eines Straftatbestands gegen religiös motivierten Extremismus, den Ministerin Raab explizit auf den sogenannten ‚politischen Islam‘ verstanden wissen möchte, stellt aus Sicht der IGGÖ einen Verstoß gegen die Verfassung dar“, hieß es. Raab wies den Vorwurf zurück, dass die IGGÖ nicht eingebunden gewesen sei. Es habe zwei Gesprächsrunden gegeben, „am Verhandlungstisch mit dem Koalitionspartner“ sei die IGGÖ allerdings nicht gesessen.

Amnesty International (AI) erblickte in den angekündigten Maßnahmen ernste Eingriffe in die Menschenrechte. Man plädierte für eine Evaluierung der bestehenden Instrumente.

Heiße Eisen im neuen Jahr

Heiße Eisen warten auf die Bundesregierung noch nächstes Jahr, wenn der Rest des Pakets verhandelt wird, etwa auch ein mögliches Gesetz zur Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug. „Wenn ein geistig abnormer Rechtsbrecher lebenslang weggesperrt werden kann, wenn er eine Gefahr darstellt, kann auch ein Terrorist lebenslang weggesperrt werden“, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im November. Zadic sagte am Mittwoch, dass eine Reform des Maßnahmenvollzugs nach wie vor geplant sei.

Auch Neuerungen im Strafvollzug sollen demnächst präsentiert werden, Zadic hatte ja etwa bedarfsorientierte Sicherheitsabteilungen für gefährliche Täter angekündigt, wo sie intensiver betreut, aber auch stärker überwacht werden. Im neuen Jahr will die Regierung auch die Reform des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) fixieren – u. a. die Trennung in polizeilichen Staatsschutz und Geheimdienst.