Romy Schneider als Kaiserin Elisabeth
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„Sissi“-Trilogie

Langer Streit hinter „herziger“ Fassade

Alle Jahre wieder überrumpelt Franz Joseph seine junge Sissi mit der Ankündigung, sie heiraten zu wollen: Vor 65 Jahren feierte der Filmklassiker „Sissi“ unmittelbar vor Weihnachten seine Premiere und ist seither beliebte Feiertagsunterhaltung. Grund genug, die Hintergründe des Films genauer zu betrachten.

„Denken denn Majestät am Ende schon ans Heiraten?“ – „Ich muss leider daran denken!“ Es ist dieser entscheidende Moment, in dem der junge Franz Joseph (Karlheinz Böhm) sich im Wald in die kleine Sissi (Romy Schneider) verliebt, der seit 1955 das Publikum zum Seufzen bringt. Noch ahnt Franz Joseph nämlich nicht, dass Sissi die jüngere Schwester der ihm zugedachten Prinzessin Helene von Bayern ist. Wie schwierig die spätere Ehe für Sissi sein wird, wird schon in dieser Szene angedeutet.

Dass die „Sissi“-Filme vor allem für die damals erst 16-jährige Hauptdarstellerin Schneider keine ungetrübte Freude waren und sie unter der ewigen Zuschreibung vor allem im deutschen Sprachraum Zeit ihrer Karriere litt, gab sie in ungezählten Interviews zu Protokoll. Und auch wie wenig Autonomie sie unter ihrer Mutter Magda Schneider hatte, die auch im Film ihre Mutter spielte, wie viel ihrer Teenager-Zeit den Filmen zum Opfer fiel und wie wenig Geld sie aufgrund älterer laufender Verträge dafür bekam, ist bekannt.

Wem gehört die Kaiserin?

Im Fahrwasser des eskapistischen Heimatfilmbooms der Nachkriegszeit schlingerte das ganze Filmprojekt von Anfang an. Ursprünglich hatte Ernst Marischka vorgehabt, ein existierendes Singspiel zu verfilmen: Mit seinem Bruder Hubert Marischka, damals Direktor des Theaters an der Wien, hatte er Anfang der 1930er Jahre ein Stück der beiden Wiener jüdischen Schriftsteller Robert Weil und Ernst Decsey erworben und mit Musik von Fritz Kreisler als Operette unter dem Titel „Sissy“ auf die Bühne gebracht.

Filmszene mit Karl-Heinz Böhm als Kaiser Franz-Josef und Romy Schneider als Kaiserin Elisabeth in „Sisi, Schicksalsjahre einer Kaiserin“
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Liebe mit Widerhaken: Für Schneider und ihren Filmpartner Böhm waren die „Sissi“-Filme kein pures Vergnügen

Das Stück lief mit großem Erfolg. Die erste „Sissy“-Darstellerin war Paula Wessely, ihre zweite Besetzung war Hedy Lamarr, die damals noch Hedy Kiesler hieß und gerade erst skandalumwittert in dem Film „Ekstase“ nackt zu sehen gewesen war. Später kaufte die amerikanische Produktionsfirma Columbia die Rechte an Stück und Musik, Joseph von Sternberg verfilmte den Stoff 1936 unter dem Titel „The King Steps Out“ mit Grace Moore als junger Kaiserin.

1953 schrieb Marischka an die Columbia, er wolle die Rechte an „Sissy“ gegen eine Gewinnbeteiligung zurückhaben, um Schneider mit der Verfilmung in den USA zum Star zu machen. Das gelang jedoch nicht – und so beschloss er, seinen Film anders, nämlich „Sissi“ zu nennen, auf die Musik zu verzichten, und vom Operettenlibretto abzuweichen. Erst kurz vor der Filmpremiere versicherte er in einem Brief Maria Decsey, der Erbin des 1941 verstorbenen Koautors, „dass der Film ‚Sissi‘, den ich eben gedreht habe, nichts mit der Operette ‚Sissy‘ zu tun hat und hauptsächlich auf historischen Gegebenheiten beruht“.

Wahrheiten und Gemeinheiten aus dem Archiv

Das allerdings war nicht richtig, wie erst in einem Prozess 2015 abschließend geklärt wurde. Der Theaterkritiker Ludwig Ullmann verglich dafür Operettenlibretto und Filmhandlung minutiös miteinander und schrieb in seiner Expertise, es bestehe kein Zweifel, dass das „Sissi“-Drehbuch geistiges Eigentum von Weil und Decsey sei. Der Verlauf der ersten Liebesszene etwa stimme in Libretto und Drehbuch „fast wortwörtlich überein“. Den Erben der betrogenen Autoren wurde recht gegeben.

TV-Hinweis

  • „Sissi“ ist am 25. Dezember um 13.05 Uhr in ORF2 zu sehen.
  • „Sissi, die junge Kaiserin“ ist am 25. Dezember um 14.45 Uhr in ORF2 zu sehen.
  • „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ ist am 26. Dezember um 13.10 Uhr in ORF2 zu sehen.

Marischkas Nachlass, etwa siebzig Büroorder voller Dokumente, in denen sich viele dieser Konflikte nachvollziehen lassen, wurde vor zehn Jahren dem Filmarchiv Austria überlassen und ist noch „quasi unberührt“, sagte der Filmhistoriker Armin Loacker gegenüber ORF.at. „Das sind fast ausschließlich Dokumente aus den 1950er Jahren, die im Zusammenhang mit Ernst Marischka und seiner Erma Film stehen“ – darunter Urheberrechtsverträge, Produktions- und Verleihunterlagen, aber auch etwa neunzig Drehbücher und Treatments. „Wir wissen selbst nur grob, was alles in diesem Nachlass liegt“, so Loacker, „mit mehr Personal ginge es schneller.“

Message-Control mit Zuckerguss

Wer hier nachblättert, findet unter anderem Korrespondenz zwischen Marischka und Schneiders Stiefvater und Agent Herbert Blatzheim, in der sich die beiden Männer einigen, Schneider dürfe in Interviews keinesfalls den Wunsch äußern, inhaltsreichere Rollen zu spielen, sondern habe auch bei der Aussicht auf den dritten Teil noch ihre Vorfreude auf die weitere Zusammenarbeit mit Marischka zu betonen. Konflikte in der Öffentlichkeit würden dem „Sissi“-Traum schaden.

Nach außen bezauberte die junge Kaiserin ganz Europa: Mitte 1956, ein halbes Jahr nach der Wien-Premiere, kamen aus Schweden, Spanien, Norwegen und den Niederlanden die Erfolgsmeldungen ausverkaufter Vorstellungen. Elf Jahre nach Kriegsende konnte sich das europäische Publikum auf eine zwar geschichtsverfälschende, aber umso tröstlichere Version einer Vergangenheit einigen, in der politische Figuren aus Österreich nicht bedrohlich, sondern herzig sind.

Besonders in Spanien wurde die junge Filmkaiserin geliebt, wohl weil dem Publikum dort die Habsburgermonarchie ein Begriff war, und bestimmt auch, weil die eigene einst blühende Filmindustrie während des Franco-Regimes nur noch dahinsiechte. Vielleicht steckt hinter dem internationalen Erfolg der „Sissi“-Filme aber auch etwas anderes: der Wunsch nach der Wiedergeburt eines idealisierten Österreichs, um vergessen zu können, dass Menschen dieses kleinen Landes mitschuldig am Beginn zweier Weltkriege gestanden war.

Österreichisch-ungarische Freundschaft

Foto einer Zeichnung
Magdalena Miedl (Repro)
Federzeichnung aus dem Marischka-Nachlass

Auch an harmlosen Unterhaltungsfilmen lässt sich Zeitgeschichte ablesen, bei „Sissi“ teils ganz unerwartet. Ein historischer Zufall ist es, dass gerade im Produktionsjahr 1956 von „Sissi – Die junge Kaiserin“, in dem die Zuneigung der Kaiserin zu Ungarn eine große Rolle spielt, Zehntausende Ungarn über Österreich in den Westen flüchteten. Eine Federzeichnung, die sich im Nachlass findet, zeigt Marischka tanzend mit einer Statistin in ungarischer Tracht, mit der Notiz „Als Erinnerung an die dankbare ungarische Sissy(!)-Komparserie!“

Flüchtlingen aus dem kommunistischen Ungarn zu helfen war ein auch politisch opportuner Anlass, dem sich viele anschlossen – zumal viele der Flüchtlinge ohnehin nicht bleiben wollten. Auch die österreichische Filmwirtschaft half, die Filmgewerkschaft etwa sammelte Kleiderspenden für geflüchtete ungarische Filmschaffende und versuchte, die Weiterreise in andere europäische Länder zu ermöglichen.

Marischkas Plan, mit „Sissi“ in Amerika berühmt zu werden, ging übrigens nicht auf: Erst 1962 kam ein zweieinhalbstündiger Film mit dem Titel „Forever My Love“ in die amerikanischen Kinos, eine für Walt Disney aus allen drei Filmen zusammengeschnittene Fassung. In der Rezension der „New York Times“ hieß es, vor allem „die strahlende Miss Schneider ist ein unvergleichlicher Anblick“, die Handlung hingegen sei etwas simpel. Immerhin hatte sich Disney von Burt Bacharach einen schwärmerischen Titelsong schreiben lassen. Schneider war da längst vor dem Sissi-Image nach Frankreich geflüchtet und dort zum Star geworden.