ÖVP will Kinderbetreuung auf Lesbos, aber keine Aufnahme

Die ÖVP will die Lage der Flüchtlingskinder auf Lesbos verbessern und dazu mit SOS Kinderdorf eine Tagesbetreuungsstätte für rund 500 Kinder auf der griechischen Insel schaffen. Das kündigten ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) gestern in einer gemeinsamen Aussendung an. Zuletzt hatte Kardinal Christoph Schönborn an die türkis-grüne Regierung appelliert, Menschen aus den Lagern aufzunehmen. Die ÖVP lehnt das aber weiter ab.

„Kein Kind sollte so aufwachsen müssen, wie die Kinder in den Flüchtlingslagern auf Lesbos“, meinte Schallenberg. „Wir wollen rasch die Lebensumstände der Kinder verbessern und dazu beitragen, dass ihr Alltag kindgerechter gestaltet werden kann.“ Eine Aufnahme von Flüchtlingen sei aber kein Thema, bekräftigte Schallenberg in der ZIB1 und sprach dabei von „einer klaren Linie“.

Unmenschliche Zustände in Flüchtlingslager auf Lesbos

Die unmenschlichen Zustände im Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos in Griechenland sind weiterhin kaum zu beschreiben – und weiterhin verlangen viele Parteien und Hilfsorganisationen, dass Österreich Kinder oder Familien von dort aufnimmt. Die größte Regierungspartei ÖVP allerdings bleibt bei ihrem Nein dazu. Sie will vielmehr mit der Organisation SOS Kinderdorf ein Hilfsprojekt für Kinder in Griechenland umsetzen.

Idee soll rasch geprüft werden

Die Tagesbetreuungsstätte würde psychosoziale Unterstützung und Bildung der Kinder sowie Beratung für die Eltern anbieten, Österreich das Projekt drei Jahre lang finanzieren. Schallenberg hat laut seinem Ressort dazu Gespräche mit seinem griechischen Amtskollegen Nikolas Dendias und dem stv. griechischen Migrationsminister Georgios Koumoutsakos geführt, die die Idee positiv aufgenommen und eine rasche Prüfung zugesagt hätten.

„Die Bilder, die uns aus Griechenland erreichen, sind immer wieder aufwühlend und erschütternd, das sage ich auch als Familienvater", ergänzte Nehammer. " Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, vor Ort zu helfen, um die Situation zu verbessern.“ Nach dem Brand des Flüchtlingslagers Moria habe das Innenministerium neben Hilfsgütern auch zwei Millionen Euro für die Internationale Organisation für Migration (IOM) ausbezahlt. Damit würden medizinische Teams auf Lesbos, Samos, Chios, Kos und Leros etabliert, Rettungsfahrzeuge angeschafft sowie Labore und medizinische Zentren aufgebaut und ausgestattet.

Zadic: „Humanitäre Katastrophe“

Die Lage in den griechischen Flüchtlingscamps wird immer wieder als katastrophal geschildert, zuletzt wurde bekannt, dass Kinder in den Zelten von Ratten gebissen werden. Neben zahlreichen Oppositionsvertretern, Hilfsorganisationen und Wissenschaftlern forderte zuletzt auch Kardinal Schönborn die Regierung auf, Menschen aus den Lagern aufzunehmen. Während sich die Grünen ebenfalls dafür aussprechen, stellt sich die ÖVP aber nach wie vor kategorisch gegen die Forderung und setzt ausschließlich auf „Hilfe vor Ort“.

Justizministerin Alma Zadic nannte die Situation auf Lesbos gestern im Ö1-Mittagsjournal eine „humanitäre Katastrophe“ und zeigte Bereitschaft, Geflüchtete aus den Lagern in Griechenland in Österreich aufzunehmen. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir seitens der Grünen in der Bundesregierung uns tagtäglich dafür einsetzen werden, dass wir hier noch eine Bewegung und eine Änderung herbeiführen“, sagte sie zum Nein der ÖVP und sprach diesbezüglich vom „Bohren harter Bretter“.

In Tirol machten dortige prominente ÖVP-Repräsentanten für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Lagern in Griechenland mobil – entgegen der Bundesparteilinie. Darunter befanden sich neben Landesrätin Beate Palfrader, die sich bereits in den vergangenen Monaten dafür ausgesprochen hatte, unter anderen auch der Gemeindeverbandspräsident und Bürgermeister von Sölden, Ernst Schöpf, sowie der Kitzbüheler Ortschef Klaus Winkler, wie die „Tiroler Tageszeitung“ (Samstag-Ausgabe) berichtete.

NEOS: „Zynische Kaltherzigkeit“

Kritik kam anlässlich der Ankündigung von Schallenberg und Nehammer seitens von NEOS. Die Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper, meinte in einer Aussendung, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) offenbar wieder seine PR-Maschine anwerfe, „um von der grundsätzlich zynischen Kaltherzigkeit der jetzigen Regierungsposition abzulenken“. Das angedachte PR-Projekt würde rein theoretisch erst in Monaten bei jetzt unmenschlichen Lebensbedingungen beginnen, „eine Umsetzung bei den Beschränkungen von NGOs ist aber überhaupt unrealistisch“.

NEOS ermahnte „die per Selbstdefinition christlich-soziale Partei ÖVP weiterhin, Kinder und Familien aus den mittlerweile lebensgefährlichen Zuständen zu retten“ und meinte: „Das zu ermöglichen ersuchen mittlerweile klar sichtbar viele Orte, Gemeinden, Einzelpersonen und kirchliche Würdenträger bis zu Kardinal Schönborn mit Verweis auf ein Mindestmaß gelebten Christentums oder einfach ein wenig Menschlichkeit.“