Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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Anschober

„Gewissenhaft“ auf zweite Welle vorbereitet

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat seiner Ansicht nach die zweite Welle der Coronavirus-Pandemie nicht unterschätzt, wie er in mehreren Zeitungsinterviews am Sonntag sagte. Ein Versagen der Regierung kann er auch nicht erkennen: „Hätten wir versagt, würden wir völlig anders dastehen.“ Das „Teamwork“ in der Krisenbewältigung würde gut funktionieren.

Man habe sich seit Juni sehr gewissenhaft auf die zweite Welle vorbereitet – „weil wir wussten, dass der Herbst extrem kritisch und schwierig wird“, sagte Anschober zur „Presse“. „Und dann hat diese zweite Welle ganz Europa mit einer unglaublichen Wucht getroffen“, so der Minister.

Auch habe Österreich in der Pandemiebekämpfung nicht versagt: „Hätten wir versagt, würden wir völlig anders dastehen. Die zweite Welle hat in ganz Europa eine viel stärkere Dynamik und Wucht als die erste“, sagte Anschober zur „Kleinen Zeitung“. Mit dem „neuen Plan“ (dem dritten harten Lockdown, Anm.) habe man jetzt „die Chance, die Infektionen bis Mitte Jänner drastisch zu verringern“.

Das Jahr 2020 mit der Coronavirus-Pandemie sei für alle „ein extrem forderndes Jahr voller Sorgen“ gewesen, sagte Anschober im „Kurier“. „Für mich war es die bisher größte Herausforderung meines Lebens.“ Dennoch habe er die Übernahme des Gesundheitsressorts „nie bedauert“: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn man einen Beitrag leisten kann.“

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober
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„Zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten“, die sich „sehr gut“ ergänzen: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Anschober

„Sebastian ist sicher der Schnellere“

Zur Feststellung der „Presse am Sonntag“, dass seine Partei vom ersten Lockdown im Frühjahr von der ÖVP erst überzeugt werden habe müssen, sagte Anschober, Bundeskanzler Kurz und er seien „zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten“. Kurz sei ein „schneller Entscheider“, er selbst „vom Typ eher der, der sich das lieber noch zwei Tage überlegt, mit Experten darüber redet und abwägt“. Man ergänze sich durch diese Unterschiede aber „sehr gut“. „Das Teamwork in der Krisenbewältigung funktioniert.“

Die Frage, ob nicht schon die Öffnung über den Sommer ein Fehler gewesen sei, verneinte der Minister. „Du kannst ein ganzes Land nicht so lange in einem Lockdown halten.“ Die schrittweise Öffnung sei richtig gewesen, sagte er zur „Kleinen Zeitung“. Im Sommer seien dann „viele Faktoren“ gleichzeitig zusammengekommen: „die Öffnung, der Tourismus, die Grenzöffnungen“. Bewegungen und Kontakte hätten sich vervielfacht, die Risikolage habe sich „dynamisiert“. „Bis 22. Oktober war die Lage laut allen Experten kritisch, aber stabil. Und dann sind die Zahlen explodiert. Wie in allen EU-Staaten und bei allen Nachbarn.“

„Umfassende Digitalisierung“ soll helfen

Es sei einfacher, „das Buch von hinten zu lesen, als es zu schreiben“, meinte er zu Kritik. Aus den Erfahrungen habe man gelernt, „dass wir noch vorsichtiger sein müssen, was Öffnungsschritte betrifft“. Als zentral sieht der Gesundheitsminister „Contact Tracing, Kontaktpersonen-Management und viele Testungen“. Das müsse durch eine „umfassende Digitalisierung“ für alle Seiten einfacher und schneller werden – sowohl für die Betroffenen als auch für die Behörden. „Das ist mein dringender Appell an die Länder.“

Zur Kritik an den Verordnungen aus seinem Haus verwies Anschober auf die hohe Zahl derselben. „Von diesen 140 Verordnungen hat es bei drei oder vier Probleme gegeben“, sagte er zur „Presse“. „Ein Jurist hat zu mir einmal gesagt: Das ist Turbo-Legistik – aufgrund des Zeitdrucks. Meist zwei Tage Zeit – oft noch weniger.“ Das Öffnen der Skipisten verteidigte er gleichfalls gegen Kritik: „Aktiver Sport ohne Kontakte ist erlaubt. Das tut uns allen gut und stärkt uns.“

„Maske wird uns noch länger begleiten“

Gefragt, wie viele Lockdowns nach dem nun bevorstehenden dritten noch folgen werden, erklärte Anschober in einem weiteren Interview mit der „Kronen Zeitung“: „Es darf nicht so weitergehen, weil Österreich diese Situation langfristig nicht aushält.“ Das Ziel sei vorerst, mit den Infektionszahlen „ganz massiv herunterzukommen“ und – darauf aufbauend – vermehrte Tests.

Das Entscheidende sei auch der Zeitgewinn bis zur Impfung. Gefragt, wann die Österreicher ihr Leben wieder zurückhaben werden, meinte Anschober, im Lauf des Jahres 2021, allerdings „eher in der zweiten Hälfte“. „Manche Schutzbereiche, wie etwa die Maske, werden uns aber noch länger begleiten.“