Flugzeuge der British Airways am Flughafen Heathrow
Reuters/Toby Melville
CoV-Mutation in GB

Österreich verhängt Landeverbot für Flüge

Am Sonntag haben erste Länder auf die Entdeckung einer neuen aggressiven Variante des Coronavirus in Großbritannien reagiert. Neben den Niederlanden, Deutschland, Belgien, Frankreich und Italien will auch Österreich, Flugpassagiere aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr einreisen lassen. Unterdessen führten die neuen Maßnahmen in London zu Chaos auf den Bahnhöfen.

Das Landeverbot für Flüge aus Großbritannien kündigte am Sonntag nach dem Gesundheitsministerium auch das Außenministerium gegenüber der APA an. „Rasche Maßnahmen sind in dieser gefährlichen Situation das Gebot der Stunde“, sagte ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg, Österreich werde daher ein Landeverbot für alle Flüge aus Großbritannien verhängen.

„Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass diese gefährliche Virusmutation zu uns eingeschleppt wird“, argumentierte Schallenberg in einer Mitteilung an die APA. „Wir haben Großbritannien bereits darüber informiert, dass wir zum Schutz unserer Bevölkerung diese einschneidende Maßnahme treffen müssen.“ Eine entsprechende Verordnung trete am Dienstag um 0.00 Uhr in Kraft und ende mit Ablauf des 1. Jänner 2021, gaben Gesundheits- und Außenministerium am späten Sonntagabend bekannt.

Derzeit gebe es bereits strenge Auflagen, sagte das Gesundheitsministerium in Wien: Großbritannien wird als Staat mit erhöhtem Infektionsrisiko angesehen, weshalb für Einreisende eine Quarantänepflicht gilt. Ein Freitesten aus der zehntägigen Quarantäne ist frühestens nach dem fünften Tag möglich.

Mutation in Österreich „bisher nicht nachgewiesen“

Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien schrieb am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Die UK SARS-CoV-2 Variante VUI-2020/12/01 (B.1.1.7 Linie) mit ihren 17 Mutationen sehen wir in den österreichischen Virussequenzen bisher NICHT. Dies trifft auch auf Mutation S:N501Y zu.“ Mutationen gebe es jedoch „vereinzelt“.

CoV-Mutation in Großbritannien

Am Sonntag haben erste Länder auf die Entdeckung einer neuen aggressiven Variante des Coronavirus in Großbritannien reagiert.

Seitens des Gesundheitsministeriums hieß es gegenüber ORF.at am Sonntag: „Diese Virusmutation wurde in Österreich bisher nicht nachgewiesen.“ Man stehe dazu in engem Austausch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).

Außerhalb Großbritanniens wurden nur einige Fälle der Mutation gemeldet: neun in Dänemark, je einer in den Niederlanden und Australien und am Sonntagabend ein Fall in Italien. Die Person sei zusammen mit einer weiteren Person in den vergangenen Tagen aus Großbritannien zurückgekehrt und mit dem Flugzeug in Rom gelandet.

Verbot in den Niederlanden, Belgien und Italien

Zuvor hatten die Niederlande Flüge aus Großbritannien verboten. Das Verbot des Flugverkehrs mit Passagieren aus dem Vereinigten Königreich werde ab Sonntag zunächst bis zum 1. Jänner gelten, teilte die niederländische Regierung am Sonntag mit. Bereits Anfang Dezember sei bei einer Stichprobe in den Niederlanden ein Virus mit der im Vereinigten Königreich beschriebenen Variante identifiziert worden, hieß es weiter.

Auch Belgien kappt die Flug- und Zugsverbindungen aus Großbritannien ab Mitternacht, kündigte ein Regierungsvertreter in Brüssel am Sonntag an. Regierungschef Alexander De Croo sagte im Fernsehsender VRT, die Aussetzung der Flug- und Zugsverbindungen werde für mindestens 24 Stunden gelten.

Kurz darauf kündigte auch Italien an, Großbritannien-Flüge auszusetzen: Als Regierung müsse man die Italiener schützen, und deshalb sei man dabei, eine Anordnung zu unterzeichnen, um Flüge mit Großbritannien auszusetzen, schrieb der italienische Außenminister, Luigi Di Maio, am Sonntag auf Facebook.

Deutschland und Frankreich zogen nach

Frankreich verhängte ein Einreiseverbot für Reisende aus Großbritannien, das für alle Grenzübergänge auf dem Luft-, See-, Schienen- und Landweg aus dem Vereinigten Königreich gilt. Nur der unbegleitete Frachtverkehr sei genehmigt, teilte am Sonntag der Amtssitz des französischen Premierministers nach einer Sitzung des von Staatschef Emmanuel Macron per Video geleiteten Verteidigungsrates mit. Der Einreisestopp soll ab Mitternacht zunächst 48 Stunden dauern.

Deutschland stelle ab Mitternacht den Flugverkehr mit Großbritannien ein, hieß es aus Berlin. Die Einschränkung soll vorerst bis zum 31. Dezember gelten, an weiteren Regeln werde noch gearbeitet. Auch die Schweiz, Tschechien und Kroatien zogen am Abend mit entsprechenden Regeln nach.

Nach Angaben des deutschen Virologen Christian Drosten ist die neue CoV-Variante in Deutschland aber bisher nicht aufgetaucht. Die Verbreitung könne Zufall sein, schrieb der Coronavirus-Experte der Berliner Charite auf Twitter. Die Mutationen verschafften dem Virus nicht zwingend einen Selektionsvorteil, auch wenn das möglich sei. Ein Selektionsvorteil kann dazu führen, dass sich ein Virus leichter ausbreiten kann.

Britischer Premier Boris Johnson
APA/AFP/Toby Melville
Der britische Premierminister Boris Johnson warnte, die neue Variante VUI2020/12/01 des Coronavirus breite sich rasch aus, und verhängte drastische Maßnahmen

Strengere Maßnahmen in Großbritannien

Johnson verhängte am Samstag strengere Coronavirus-Maßnahmen für Millionen von Menschen in England und schraubte Pläne zur Lockerung der Beschränkungen über Weihnachten drastisch zurück.

Die in Großbritannien entdeckte Mutation des Coronavirus ist laut Johnson nach ersten Erkenntnissen deutlich ansteckender als die bekannte Form. Infolgedessen würden die Beschränkungen für London und den Südosten der Insel ab Sonntag deutlich verschärft. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass Impfstoffe weniger effektiv seien, sagte der Premier bei einer Pressekonferenz. Das sehen auch Experten so – mehr dazu in science.ORF.at.

Gesundheitsminister: Neue Variante „außer Kontrolle“

Das Land stehe vor einer enormen Herausforderung, sagte Gesundheitsminister Matt Hancock am Sonntag. Er schloss nicht aus, dass die schärferen Maßnahmen „in den kommenden Monaten“ in Kraft blieben. Zur neuen Variante des Coronavirus sagte Hanock am Sonntag der BBC: „Sie ist außer Kontrolle, und wir müssen sie wieder unter Kontrolle bekommen.“ Hancock sagte, er mache sich große Sorgen um das Gesundheitssystem. Derzeit seien mehr als 18.000 Infizierte in den Krankenhäusern, das seien fast so viele wie zum Höhepunkt der ersten Infektionswelle im Frühjahr.

Menschen in der Paddington Station in London
AP/PA/Stefan Rousseau
Viele nutzten am Samstag die letzte Chance, London zu verlassen – auf den Bahnhöfen kam es infolgedessen zu dichtem Gedränge

Chaos auf Londons Bahnhöfen

Wegen der Ausbreitung der neuen Variante wurde für London und andere Regionen in Südostengland die höchste Coronavirus-Stufe vier eingeführt. Bewohner dürfen dieses Gebiet seit Sonntag nicht verlassen. Nach Bekanntgabe der schärferen Maßnahmen machten sich zahlreiche Menschen dennoch am Samstagabend spontan auf den Weg, um aus London abzureisen. Fotos und Videos zeigten volle Bahnhöfe. „Was Sie gestern gesehen haben, war eine direkte Folge der chaotischen Art und Weise, wie die Ankündigung gemacht wurde“, sagte Londons Bürgermeister Sadiq Khan.

Er habe Verständnis, dass Menschen in letzter Sekunde, bevor die Reiseverbote greifen, zu ihren Familien reisen wollen. „Aber es ist falsch“, sagte der Bürgermeister. Und mit Blick auf Coronavirus-Impfmittel fügte er hinzu: „Wie werden Sie sich fühlen, wenn Sie das Virus an ältere Verwandte, geliebte Menschen weitergeben, deren Leben wegen des Vakzins lang und fruchtbar sein könnte, der sich aber dadurch mit dem Virus infiziert und – Gott bewahre – stirbt?“

WHO fordert striktere CoV-Maßnahmen in Europa

Die WHO twitterte in der Nacht auf Sonntag, sie stehe mit Großbritannien in engem Kontakt. Die britischen Behörden würden weiter Informationen und Ergebnisse ihrer Analysen und Studien teilen. „Wir werden die Mitgliedsstaaten und die Öffentlichkeit auf dem Laufenden halten, sobald wir mehr über die Merkmale dieser Virusvariante und deren Auswirkungen erfahren.“

Die WHO riet dazu, weiter alle Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern und diese gegebenenfalls auch zu verschärfen. „In Europa, wo die Übertragung hoch und weit verbreitet ist, müssen die Länder ihre Kontroll- und Vorbeugemaßnahmen verstärken“, sagte eine Sprecherin der WHO Europa am Sonntag.

Spitzengespräch zwischen Berlin, Paris und Brüssel

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Macron berieten am Sonntag wegen der neuen Coronavirus-Variante bereits mit den Spitzen der EU. An dem Gespräch nahmen seitens der EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie Ratspräsident Charles Michel teil, wie der Elysee-Palast in Paris mitteilte. Die spanische Regierung fordert wegen der mutmaßlich ansteckenderen Variante des Virus ein koordiniertes Vorgehen der EU.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft berief für Montag ein Notfalltreffen mit Vertretern anderer Mitgliedsstaaten ein. Berlin rufe im Rahmen des Krisenreaktionsmechanismus der Staatengemeinschaft (IPCR) nationale Experten zusammen, wie ein Sprecher mitteilte. Auf der Tagesordnung stehe die Koordination in Bezug auf die neue Virusvariante.