Migranten im Lager von Lesbos
APA/AFP/Anthi Pazianou
„Kinder leben im Schlamm“

Kirche fordert Aufnahme von Flüchtlingen

Kirchenvertreter, Hilfsorganisationen sowie Teile der Grünen und der SPÖ haben am Sonntag angesichts der immer dramatischeren Lage in den griechischen Flüchtlingslagern auf Lesbos dazu aufgerufen, dass Österreich von dort Flüchtlinge aufnimmt.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Franz Lackner, sagte in der ZIB2, es bahne sich kurz vor Weihnachten eine „Katastrophe“ an. Volkshilfe-Präsident Ewald Sacher appellierte an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), „Menschlichkeit“ zu zeigen. Salzburgs Erzbischof Lackner sagte, es gelte nun vor allem Familien mit Kindern aufzunehmen. „Es ist jetzt wichtig, dass das auch von Österreich getan wird“, sagte er. Hilfe sei nun „mehr als notwendig“.

Alle internationalen Instanzen seien aufgefordert zu helfen. An Ort und Stelle sei es notwendig, „dass die Flüchtlingslager von den Inseln wegkommen, aufs Festland kommen“. Denn derzeit passierten dort schreckliche Dinge, Kinder würden im Schlamm leben, auch die ansässige Bevölkerung sei überfordert.

Erzbischof Lackner fordert Flüchtlingsaufnahme

Tausende Menschen hausen auf Lesbos weiterhin in Zelten ohne Heizung oder warmes Wasser. Mehrere Hilfsorganisationen, Parteien und auch die katholische Kirche fordern, dass Österreich geflüchtete Kinder oder Familien aufnimmt. Dazu sprach Martin Thür mit dem Salzburger Erzbischof und Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Franz Lackner.

„Vor Weihnachten einen Akt setzen“

Österreich habe zwar schon viel getan, sagte Lackner mit Blick auf die Hilfsgüterlieferungen im September nach dem verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria. „Jetzt scheint mir aber der Moment gekommen zu sein, wo vor allem Familien mit Kindern von dort aufgenommen werden.“

Darauf angesprochen, dass sich die ÖVP als christliche Partei derzeit einer Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland verschließt, sagte Lackner, er wolle „niemandem ins Gewissen reden oder das Gewissen absprechen“. Er wolle aber „bitten, auffordern, jetzt, vor Weihnachten so einen Akt zu setzen, der mehr als notwendig ist, und nicht nur ein Akt der Barmherzigkeit“.

Superintendent appelliert an Kurz

Der evangelische Superintendent (A.B.) von Wien, Matthias Geist schrieb seinerseits einen offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Er ersucht darin um ein Umdenken und die Aufnahme von geflüchteten Menschen nach Österreich. „Es gehört mehr Mut dazu, seine Meinung zu verändern, als hartnäckig zu ihr zu stehen – koste es, was es wolle“, so Geist darin – mehr dazu in religion.ORF.at.

Noch schärfere Worte fand zuvor Volkshilfe-Präsident Sacher, der die Regierung zum Handeln aufforderte. Die Umstände auf den Inseln bezeichnete er als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

SPÖ: „Lassen Sie Hilfe endlich zu“

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nannte die Flüchtlingslager „Europas Schande“. Die Kinder müssten von dort „sofort gerettet“ werden. Er forderte von der ÖVP-Grünen-Koalition erneut, Kinder in Österreich aufzunehmen. Des Kanzlers Ankündigung vom Wochenende von zusätzlicher Hilfe in Griechenland – in den Lagern herrschen jetzt im Winter noch schlimmere Zustände als bereits zuvor – nannte Deutsch „schäbig und skandalös“.

Deutsch verwies auf ein „breites Bündnis der Menschlichkeit“ – Städte, Gemeinden und Hilfsorganisationen –, das seit Monaten bereit sei, Kinder aufzunehmen. „Lassen Sie diese Hilfe endlich zu“, so Deutsch am Montag in einer Aussendung in Richtung Regierung.

Erst 553 minderjährige Geflüchtete in EU umgesiedelt

Zwölf EU-Länder – Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Irland, Finnland, Portugal, Bulgarien, Litauen, Slowenien und Kroatien – haben sich seit Anfang März bereiterklärt, insgesamt 1.537 unbegleitete Minderjährige aus den überfüllten griechischen Lagern aufzunehmen. Bisher wurden laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) jedoch erst 553 minderjährige Asylwerber aus Griechenland umgesiedelt.

Österreich beteiligt sich nicht

Österreich beteiligt sich wie 14 weitere EU-Staaten nicht an der Aktion. Während die Grünen für eine Aufnahme Geflüchteter plädierten, lehnt das der Koalitionspartner ÖVP weiter strikt ab und will auf Hilfe an Ort und Stelle setzen.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagte am Freitag, dass Österreich heuer bereits über 500 Minderjährigen Schutz gewährt habe. Am Samstag kündigten Nehammer und ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg an, gemeinsam mit SOS Kinderdorf eine Tagesbetreuungsstätte für rund 500 Kinder auf der griechischen Insel Lesbos errichten zu wollen.