Eine Person hält mehrere Fünfzig- und Hunderteuroscheine in den Händen.
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AK-Studie zu Vermögen

Reiche noch reicher als bekannt

In Österreich ist die Vermögensschere bekanntlich weit offen. Ein kleiner Teil aller Haushalte besitzt einen großen Teil aller Ersparnisse, Geldanlagen und immobilen Vermögenswerte. Laut einer neuen Berechnung der Arbeiterkammern (AK) Wien und Niederösterreich ist diese Kluft noch größer als bisher angenommen: Der Studie zufolge gehören dem reichsten Prozent der Bevölkerung statt 23 Prozent fast 40 Prozent des Gesamtvermögens.

Bisher ging man auf Basis der Vermögenserhebungen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) davon aus, dass rund 23 Prozent auf das reichste Prozent entfallen. Allerdings wurden laut AK dabei die superreichen Haushalte nicht ausreichend berücksichtigt, weil diese in der Stichprobe nicht enthalten waren, keine Angaben gemacht hatten oder ihre Vermögenswerte zu niedrig veranschlagt hatten.

Um diese Lücke zu füllen, wurde der Sozioökonom Jakob Kapeller damit beauftragt, die reichsten Österreicherinnen und Österreicher – darunter auch Personen mit einem Milliardenvermögen – in diese Gesamterhebung hineinzurechnen und die Werte mittels statistischer Schätzung anzupassen. Dazu wurde auf die jährlich veröffentlichte „Trend“-Liste der Superreichen zurückgegriffen. Sämtliche Firmenvermögen sowie Kapital- und Immobilieneigentum wurden einberechnet, Schulden hingegen ausgenommen.

Mehr Vermögen, größere Konzentration

Die neuen Zahlen ergeben, dass sich dadurch das gesamte geschätzte Privatvermögen in Österreich um circa 25 Prozent auf 1.249 Milliarden Euro vergrößert. Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt davon 39 Prozent, die reichsten fünf Prozent besitzen 55 Prozent, und die reichsten zehn Prozent verfügen über fast 66 Prozent des Gesamtvermögens. Demgegenüber besitze die gesamte untere Hälfte der Bevölkerung nur 2,8 Prozent des Vermögens.

„Die Haushalte am unteren Rand der Verteilung können auf gar keine Reserven zurückgreifen“, so Kapeller. Viele hätten negatives Vermögen, seien also verschuldet. Am anderen Ende der Skala gibt es laut der AK 155.000 Millionäre und 38 Milliardäre. Das durchschnittliche Haushaltsvermögen inklusive aller Werte liege bei 83.000 Euro.

Neuer Ruf nach Vermögenssteuern

Die AK verknüpfte diese neue Berechnung mit einem neuen Appell für Vermögenssteuern – gerade angesichts der Kosten der Coronavirus-Krise, des Anstiegs der Arbeitslosigkeit und der wachsenden Armutsgefährdung. Die Potenziale für eine Vermögenssteuer wären abhängig von deren Gestaltung: Bei einem Freibetrag von einer Million Euro ergäbe schon eine Besteuerung mit einem Prozent Steuersatz einen Ertrag von rund fünf Milliarden Euro. Auch bei einer angenommenen Steuerflucht bzw. Ausweicheffekten blieben noch 3,8 Milliarden Euro übrig, rund ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Bei einer progressiven Besteuerung mit Steuersätzen bis zu zehn Prozent ab einer Milliarde Euro Vermögen könnten je nach Modell zwischen elf und 19 Milliarden Euro aus einer Vermögenssteuer kommen. Ein anderes Modell habe der französische Ökonom Thomas Piketty entworfen, der von einem „Maximalvermögen“ ausgeht. Dabei werde vom Durchschnittsvermögen ausgegangen und der Steuersatz steige je nach Vermögenshöhe. Demnach würden in Österreich Vermögen ab drei Milliarden Euro mit 90 Prozent besteuert – was laut Kapeller 20 Haushalte der reichsten Österreicher beträfe. Der Ertrag daraus wären bis zu 134 Milliarden Euro.

AK-Chefökonom Markus Materbauer unterstrich im Ö1-Mittagsjournal, dass Vermögen im Gegensatz zu Arbeitseinkommen in Österreich nach wie vor nicht ausreichend besteuert würden. „Die Einkommenswelt ist eine ganz andere als die Vermögenswelt.“ Hier habe man eine „enorme Konzentration“. Selbst wenn man die große Mehrzahl der Haushalte von Vermögenssteuern mit einem Freibetrag von einer Million Euro ausnehme, würde die Besteuerung der Superreichen noch Millionen ins Budget spülen.