Bundeskanzler Sebastian Kurz im ORF.at-Interview
ORF.at/Christian Öser
Kurz im Interview

„Tests und Impfung bringen Freiheit wieder“

„Wir müssen jetzt alles tun, damit uns nicht eine dritte Welle einholt“ – mit einem Appell, aber auch einem selbstkritischen Rückblick zum Jahreswechsel analysiert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Interview mit ORF.at den richtigen Umgang mit der Coronavirus-Pandemie. Im Grunde gelte eine Losung: Tests und Impfung würden den Menschen die Freiheiten wiederbringen. Dass im Lockdown die Lifte offen haben und nicht alle das als konsequentes Vorgehen betrachten, sieht Kurz so: Er habe sich in vielen Fällen härtere Maßnahmen gewünscht, versuche aber auch, auf Interessen und Einwände der Länder zu achten.

Dass die Österreicherinnen und Österreicher die Phasen zwischen Lockdown und Lockerungen als eine Form der Hochschaubahnfahrt erlebten, ist für Kurz nicht überraschend: „Das ist einfach die Logik einer Pandemie, dass Pandemien im Regelfall in Wellen kommen und daher natürlich auch die Phase zwischen den Wellen dafür genutzt werden, wieder mehr an Freiheit zu erleben. Das war wirtschaftspolitisch und sozial nötig, denn wir würden ja alle überschnappen, wenn es nicht zwischen den Lockdowns wieder etwas normalere Phasen gäbe.“

Kurz ist sich sicher, dass man wieder auf das konsequente Handeln aus dem ersten Lockdown zurück müsse. Es gäbe ja so etwas wie das „Pandemieparadoxon“, dass man ab dem Moment, wo man eine Gefahr abgewandt hätte, beginnt, die Gefahr kleinzureden. „Durch all die Kritik bin dann sogar ich schon ins Zweifeln gekommen und habe mir gedacht: Na ja, vielleicht haben wir doch zu hart reagiert, vielleicht wäre es besser gewesen, da softer zu agieren“, so Kurz, er fügt aber an, dass man dann in der zweiten Welle den Preis für das Zuwarten gezahlt habe. Er sei von Anfang an für schärfere Maßnahmen gewesen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz im ORF.at-Interview
ORF.at/Christian Öser
„Würden alle überschnappen, wenn es nicht normalere Phasen gäbe“: Kurz im Interview im von Oswald Haerdtl gestalteten Kreisky-Zimmer (gemeinsam mit Christian Staudinger und Gerald Heidegger)

Für die Gegenwart hält er die konsequente Umsetzung der nun einsetzenden Lockdown-Maßnahmen für wichtig und glaubt perspektivisch, dass sich das Testen durchsetzen werde – und in Folge auch die Impfstrategie. Jetzt müssten gerade beim Thema Impfen Experten erklären, warum die Impfung tatsächlich so sicher sei wie jede andere Impfung, die man bekäme. Und in Folge würden Vorbildwirkung und die Erkenntnis, dass uns die Impfung alte Freiheiten wiederbringe, für einen nachhaltigen Erfolg der Impfung sorgen.

Das Interview mit Kurz Wort für Wort

ORF.at: Wenn wir jetzt ein Jahr zurückblicken, heute vor einem Jahr, was haben Sie da in den Weihnachtstagen gedacht?

Sebastian Kurz: Ja, es wirkt wie eine andere Welt. Ich glaube, wir alle haben so etwas noch nie erlebt. Es war von heute auf morgen alles de facto anders. Die Notwendigkeit, weite Teile unseres Lebens zu schließen, weite Teile unseres Lebens zu verändern, weite Teile unserer Wirtschaft zu schließen, Masken zu tragen, es erscheint fast unwirklich.

ORF.at: Wir haben Pflegekräfte und andere Menschen, die in den systemerhaltenden Bereichen arbeiten, gefragt, was für sie trotz dieses Jahres positiv war. Haben Sie auch eine herausragend positive Erinnerung an dieses Jahr trotz Covid-19?

Kurz: Was ich wirklich extrem schön finde, ist, wie viele Menschen bereit waren, einen Beitrag zu leisten, für andere da zu sein. Und wie viele auch über sich hinausgewachsen sind. Es haben Schülerinnen und Schüler begonnen, für ältere Menschen einzukaufen, damit sie sich nicht der Gefahr einer Ansteckung im Supermarkt aussetzen müssen. Es haben Freiwilligenorganisationen Großes geleistet, und als wir den außerordentlichen Zivildienst einberufen haben und auch beim Bundesheer auf die Miliz gezählt haben, gab es fast mehr Menschen, die sich gemeldet haben, als gesucht worden sind. Es war schön zu erleben, wie groß die Bereitschaft in Österreich ist, für andere einen Beitrag zu leisten.

„Die Impfung ist der Game-Changer“

„Die Impfung ist der Game-Changer, die Impfung ist unsere Chance, die Pandemie zu besiegen und wieder zur Normalität zurückzukehren, und ich glaube, immer mehr Menschen werden die Impfung auch als das sehen.“

ORF.at: Wenn wir jetzt noch einmal zurückschauen: Ganz Europa oder die ganze Welt war mit einer Situation konfrontiert, die es so schon lange nicht mehr gegeben hat. Wenn Sie jetzt zurückschauen, was hat da aus österreichischer Sicht gut geklappt, und wo hätte man mit dem Wissen von heute Dinge besser machen können?

Kurz: Was sehr, sehr gut funktioniert hat, war, dass wir in der ersten Welle sehr schnell einen Lockdown gemacht haben und so eigentlich im ersten Halbjahr vieles abwenden konnten, was an Dramatik in anderen Ländern stattgefunden hat. Es kam dann, wie es kommen musste, viele haben gesagt, na ja, der Lockdown war eigentlich übertrieben, so schlimm war es ja gar nicht, es kennt ja gar nicht jeder jemanden, der an Corona gestorben ist. Und durch all die Kritik bin dann sogar ich schon ins Zweifeln gekommen und habe mir gedacht: Na ja, vielleicht haben wir doch zu hart reagiert, vielleicht wäre es besser gewesen, da softer zu agieren. Und als dann die zweite Welle kam, gab es natürlich viele, die zuwarten wollten, und gesagt haben: So schlimm war es im Frühling auch nicht, jetzt warten wir einmal. Und als dann mein Team und ich rund um die Herbstferien schon sehr beunruhigt waren und darauf gedrängt haben, dass wir die Herbstferien verlängern und einen zweiten Lockdown machen müssen, gab es damals viel Widerstand von unterschiedlichen Seiten. Und im Ergebnis hat uns dann die zweite Welle wesentlich härter getroffen als die erste.

Das ist wohl das Präventionsparadoxon: Hat man einmal eine Gefahr gut abgewehrt, schleicht sich der Glaube ein, dass es gar keine Gefahr gäbe. Und daher hoffe ich, dass es jetzt ab dem 26. Dezember schon eine Bereitschaft der Menschen gibt, noch einmal für drei Wochen das System massiv hinunterzufahren, niemanden zu treffen und jeglichen sozialen Kontakt außerhalb seines Haushaltes zu vermeiden. Das ist unsere Chance, die dritte Welle abzuwehren oder zumindest alles zu tun, dass sie uns nicht so hart trifft, was ohne diese Schritte wohl passieren würde.

ORF.at: Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Regierung aus eigenen Fehlern gelernt haben?

Kurz: Ich glaube, dass wir diese Krankheit immer besser kennenlernen. Und je mehr Erfahrungen wir alle sammeln, zeigt sich umso klarer, dass das Vorgehen in der ersten Welle richtig war. Es war richtig, früh entschlossen zu reagieren, damit die Ansteckungszahlen eben erst gar nicht explodieren. Das ist der beste Weg, mit dieser Pandemie umzugehen. Daher ist unser Ziel auch ganz klar und meine große Bitte an die Menschen entsprechend, die jetzigen Maßnahmen auch mitzutragen. Wenn wir die Zahlen nicht noch weiter hinunterbringen, wird es wieder sehr schnell zu einem exponentiellen Wachstum kommen, und die Ansteckungszahlen werden explodieren.

Wenn wir das bis zum 18. Jänner schaffen und danach intensiv auf Testungen setzen, dann sind wir bestmöglich gerüstet, um durch diese nächsten Monate des Winters zu kommen. Wir haben immer gewusst, der Herbst und der Winter werden schwer. Und der Winter ist am 31. Dezember nicht vorbei. Der zieht sich noch einige Monate. Richtung Sommer wird es dann aufgrund der wärmeren Temperaturen und der mehr und mehr durchgeführten Impfungen immer besser werden.

ORF.at: Es gibt die Müdigkeit gegen die Lockdowns. Was ist denn aus Ihrer Sicht der Schlüssel, auch jene Teile der Bevölkerung zu erreichen, die nicht mehr im Boot sind im Kampf gegen das Coronavirus?

Kurz: Ich glaube, das Wichtigste, was jeder tun kann, ist, mit jemandem zu sprechen, der keinen leichten, sondern einen schweren Verlauf hatte. Das ist ja das Heimtückische an dieser Krankheit, dass es ganz viele Menschen gibt, die keine Symptome haben, die einen leichten Verlauf haben, bei denen die Erkrankung wirklich wie ein Schnupfen ist oder gar keine Auswirkungen zeigt. Und andere trifft diese Erkrankung hart. Das ist das besonders Schwierige an diesem Virus. Man muss sich einfach bewusst sein, dass eine Erkrankung mit schwerem Verlauf jeden treffen kann. Und je älter man ist, desto größer ist die Gefahr, dass es dazu kommt. Daher kann ich nur an alle appellieren, das Virus ernst zu nehmen, und insbesondere jüngere Menschen bitten, dass sie mit den älteren Menschen in unserem Land solidarisch sind, denn je mehr junge Menschen sich anstecken, desto größer wird die Gefahr für Eltern, die Oma oder den Opa. Und für die ist eine Erkrankung oft sehr, sehr problematisch.

Bundeskanzler Sebastian Kurz im ORF.at-Interview
ORF.at/Christian Öser
„Ich glaube, das Augenöffnendste, was jeder tun kann, ist, mit jemandem zu sprechen, der keinen leichten, sondern einen schweren Verlauf hatte“

ORF.at: Uns sprechen Leute auf die von ihnen erlebten Widersprüchlichkeit von Maßnahmen an: Schulen zu, Museen zu, Skilifte offen: Braucht es nicht mehr Stringenz bei den Maßnahmen, um die Leute mitzunehmen?

Kurz: Die Herausforderung ist, dass man in einer Demokratie nicht allein entscheiden kann. Und da gibt es natürlich viele, die sich in so einen Entscheidungsprozess mit einbringen, auch zu Recht. Und was das Thema Sport im Freien betrifft, haben sich viele Bundesländer – von Wien, die fürs Eislaufen gekämpft haben, über Kärnten, Salzburg, Tirol, die fürs Skifahren gekämpft haben – dafür eingesetzt, dass Sport im Freien eben auch während des Lockdowns möglich sein müsse. Es gibt Argumente dafür, dass im Freien generell weniger Ansteckungen stattfinden und dass es alles Einzelsportarten sind. Es gibt Argumente dagegen, weil jede Menschenansammlung in einer Pandemie ein Problem darstellt. Aber am Ende des Tages müssen politische Entscheidungen natürlich von einer breiten Gruppe politisch Verantwortlicher getragen werden. Und daher muss man hier natürlich auch immer wieder nach der Einbindung von Landeshauptleuten, von unterschiedlichen Parteien versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden, die nicht immer zu 100 Prozent dem entspricht, was man selbst für ideal erachtet.

ORF.at: Haben Sie gerade das Gefühl, dass die Politik in Österreich insgesamt etwas aus dieser Situation gelernt? Wir befinden uns ja auf einer dauernden Berg-und-Tal-Fahrt: zuerst harter Lockdown, dann wieder Aufsperren. Gibt es da einen Lernprozess, um auch aus dieser Hochschaubahnfahrt bei den Maßnahmen rauszukommen?

Kurz: In Krisenzeiten lernt man am meisten. Und Systeme haben in Krisenzeiten die Chance, gefordert zu werden und sich dadurch auch zu verbessern. Aber was die Frage „Lockdown, dann wieder mehr Freiheit, dann wieder Lockdown, dann wieder mehr Freiheit“ betrifft: Das wird immer so sein, wenn man versucht, eine Pandemie zu bekämpfen. Es war vor 100 Jahren so, es ist jetzt so, und es wird auch in 100 Jahren noch genauso sein. Das ist einfach die Logik einer Pandemie, dass Pandemien im Regelfall in Wellen kommen und daher natürlich auch die Phase zwischen den Wellen dafür genutzt werden, wieder mehr an Freiheit zu erleben.

Das war wirtschaftspolitisch und sozial nötig, denn wir würden ja alle überschnappen, wenn es nicht zwischen den Lockdowns wieder etwas normalere Phasen gäbe. Ich verstehe schon, dass viele Menschen sagen, na ja, einmal aufsperren, dann wieder zusperren, dann wieder aufsperren – nur da muss ich schon die Gegenfrage stellen und sagen: Na ja, was wäre denn die Alternative? Die Alternative wäre seit März im Dauer-Lockdown zu bleiben. Und das hätten wir weder wirtschaftspolitisch durchgehalten, noch hätten wir das sozial irgendwie ertragen können.

Bundeskanzler Sebastian Kurz im ORF.at-Interview
ORF.at/Christian Öser
„Die Herausforderung ist, dass man in einer Demokratie nicht allein entscheiden kann“

ORF.at: Beim ersten Lockdown waren die Bundesgärten zu, jetzt sagt man, Bewegung im Freien ist wichtig. Hätte man damals nicht gleich die Gärten offen lassen können?

Kurz: Wenn ich bedenke, dass wir mit den wenigen Informationen, die wir damals hatten, so treffsicher waren, dann ist das mit den Bundesgärten vielleicht die einzige Feinheit, die wir diesmal anders gelöst haben. Der große Unterschied ist, heute haben wir mehr Informationen zur Verfügung, wie Ansteckungen ablaufen, wo man sich ansteckt. Das ist heute wesentlich klarer als damals. Dass es überhaupt keine Ansteckungen im Freien gibt, wird ohnedies kein Experte behaupten. Wir müssen trotzdem unseren Hausverstand einschalten und vorsichtig sein. Ein Virus ist unsichtbar, aber nachdem es sich über die Atemluft überträgt, ist klar: Je näher man mit anderen Menschen zusammenkommt oder je länger man mit ihnen Kontakt hat, desto größer ist die Gefahr einer potenziellen Ansteckung.

ORF.at: Sie haben gerade das Wort „Hausverstand“ verwendet. Sie haben das Testen zur Chefsache gemacht: Warum war da die Quote der Menschen, die sich testen lassen wollten, nicht höher? Eigentlich hätte ja der Hausverstand zum Testen geraten.

Kurz: Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Tests durchsetzen werden. Immer wenn etwas neu ist, gibt es eine gewisse Grundskepsis bei vielen Menschen. Das kann für mich der einzige Grund sein, warum manchen Menschen eine Woche Lockdown lieber ist, als einen Test zu machen. Und ich kann nur sagen, ich kann das ja ein Stück weit nachvollziehen. Als mir zum ersten Mal ein Arzt mit einem Röhrl in die Nase gefahren ist, um mich auf Corona zu testen, war ich ein bisschen angespannt. Ich habe es währenddessen als etwas unangenehm empfunden. Und es war irgendwie eine ungewohnte Situation. Mittlerweile ist es für mich eine absolute Selbstverständlichkeit, dass ich zweimal pro Woche getestet werde. Und ganz ehrlich, ich bin froh darüber, weil das Letzte, was ich möchte, ist, dass ich aufgrund meiner Tätigkeit, wo ich mit vielen Menschen Kontakt habe, mich im Beruf anstecke und dann vielleicht am Wochenende meine Eltern infiziere, bei denen eine Ansteckung aufgrund ihres Alters wahrscheinlich deutlich dramatischer wäre als bei mir.

Ich glaube, dass Tests in den kommenden Monaten eine absolute Normalität werden wie das tägliche Zähneputzen, und ich glaube, die Masse der Menschen wird froh darüber sein, wenn uns die Tests helfen, Ansteckungen zu reduzieren. Und zum Zweiten: Die Tests können uns dabei helfen, dass wir wieder mehr Freiheiten haben können und wir den Kulturbereich, Sportveranstaltungen, Gastronomie und den Tourismus wieder hochfahren können.

ORF.at: Wie sieht es dann aus beim Bereich der Impfung? Da scheint die Bevölkerung ja in drei Gruppen zu gespalten: jene, die sich impfen lassen wollen, die Skeptiker, die mal abwarten – und jene, die dezidiert dagegen sind.

Kurz: Drei Gedanken dazu. Der erste ist, dass es einfach gut ist, wenn Expertinnen und Experten die Bevölkerung gut darüber informieren, wie dieser Impfstoff erforscht wurde und warum er genauso sicher ist wie alle anderen Impfstoffe, die wir verwenden. Zweitens, wenn Sie sagen, es gibt viele, die sich jetzt noch nicht impfen lassen wollen, kann ich nur sagen, das ist zu Beginn kein Problem, denn wir haben ohnehin nicht vom ersten Tag an ausreichend Impfstoff für alle Österreicherinnen und Österreicher. Wir werden zu Beginn das Problem haben, dass viele gerne geimpft werden würden, aber es noch nicht ausreichend Impfstoff gibt. Zum Dritten: Jeder muss natürlich für sich selbst entscheiden. Ich kann nur sagen, meine Entscheidung für mich persönlich ist ganz klar: Ich lasse mich ganz bestimmt impfen und bin auch froh, dass meine Eltern sich impfen lassen. Bitte, was ist denn das für ein Leben, wenn ich jedes Wochenende überlegen muss, ob das in Ordnung ist, mit meinen Eltern Mittag zu essen oder nicht, weil ich mich ja unter der Woche im Büro angesteckt haben könnte und ich sie jetzt infizieren könnte?

Also ich glaube, dass es ganz, ganz viele Menschen gibt, die da sehr schnell für sich entscheiden werden können: Ja, ich habe kein Interesse, diese Einschränkungen weiter ertragen zu müssen, und ich habe auch kein Interesse, ständig die Gefahr zu haben, im Falle einer Ansteckung schwer zu erkranken. Es werden uns auch die Statistiken helfen: Gerade ältere Menschen können sich ganz genau anschauen, wie hoch die Gefahr im Falle eine Ansteckung ist, ins Spital und auf eine Intensivstation zu kommen oder sogar daran zu sterben. Und je älter jemand ist, desto höher werden diese Prozentsätze. Und ab einem gewissen Alter sind sie dramatisch hoch. Und ich glaube, dadurch ist die Sache sehr eindeutig. Von den über 75-Jährigen, die sich infizieren, müssen über 30 Prozent ins Spital und über zehn Prozent überleben die Erkrankung nicht. Bei den über 85-jährigen sind es sogar über 20 Prozent, die daran sterben.

„Größtenteils Normalität ab Sommer möglich“

„Wir haben da noch harte Monate vor uns. Ich gehe davon aus, dass die dritte Welle Europa sehr hart treffen wird, dass die dritte Welle sehr fordernd werden wird, ich glaube, das Beste, was wir tun können, ist, dass wir jetzt, ab dem 26. Dezember, noch einmal drei Wochen alles unternehmen, um die Ansteckungen nach unten zu drücken.“

ORF.at: Wo, haben Sie das Gefühl, werden wir im Sommer dieses Jahres stehen?

Kurz: Das erste Quartal 2021 wird sicherlich für Europa noch eine extreme Herausforderung, die dritte Welle wird über uns hereinbrechen, und die Ansteckungszahlen werden in vielen europäischen Ländern wieder massiv zunehmen. Wie gut wir durch diese Monate kommen, wird vor allem auch davon abhängen, wie diszipliniert wir in den drei Wochen des Lockdowns sind und wie viele Menschen bereit sind, sich auch regelmäßig testen zu lassen. Danach gehe ich davon aus, dass es aufgrund der wärmeren Temperaturen, aber auch aufgrund der stetig steigenden Zahlen derer, die geimpft sind, eine stetige Entspannung geben wird. Und ich rechne damit, dass wir im Sommer wieder in weiten Teilen zur Normalität zurückkehren können.

ORF.at: Wir haben jetzt beinahe ein Jahr türkis-grüne Koalition. Sie haben das Ganze einmal als das Beste aus zwei Welten bezeichnet. Zwischendurch hatte man den Eindruck, dass die Welten ein bisschen auseinandergerückt sind. Wo sind Sie denn Ihrer Meinung jetzt in der Regierung stimmungsmäßig?

Kurz: Ich würde sagen, die Situation ist nicht anders als vor einem Jahr. Wir sind zwei sehr unterschiedliche Parteien, aber die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, insbesondere auch in der Bewältigung dieser Pandemie. Und ich glaube, das ist auch entscheidend. Alles andere wäre fatal. Ich möchte mich an der Stelle auch bedanken, dass auch die Zusammenarbeit mit manchen Kräften der Opposition gut funktioniert, dass wir auch mit den Landeshauptleuten, mit den Sozialpartnern in vielen Bereichen große Entscheidungen oder Weichenstellungen gemeinsam treffen konnten.