Schülerin mit Nasen-Mund-Gesichtsmaske im Schulgebäude
APA/Herbert Neubauer
VfGH

Maskenpflicht in Schule war gesetzeswidrig

Der Verfassungsgerichtshof hat eine weitere Verordnung der Regierung in Sachen Pandemiebekämpfung als gesetzeswidrig aufgehoben. Konkret geht es um die im Frühjahr erlassene Verordnung, mit der Klassen geteilt wurden und Maskenpflicht in der Schule (außer im Unterricht) verordnet wurde.

Für den Verfassungsgerichtshof (VfGH) waren die Entscheidungsgrundlagen des Bildungsministeriums zur Maskenpflicht und Teilung von Schulklassen im Zuge der Coronavirus-Maßnahmen im Frühjahr „nicht erkennbar“, wie er am Mittwoch mitteilte. Eine Überprüfung der Beschwerde, die wegen der Maskenpflicht im Präsenzunterricht, eingebracht wurde, habe es hingegen nicht gegeben, konkretisierte der VfGH gegenüber ORF.at. Dass die Verordnung ohne nachvollziehbare Grundlage erstellt wurde, reiche aus, um eine Gesetzwidrigkeit festzustellen.

„Der Bundesminister hat trotz entsprechender Aufforderung dem VfGH keine Akten betreffend das Zustandekommen der Verordnung vorgelegt und konnte so nicht nachvollziehbar darlegen, weshalb er die angefochtenen Maßnahmen für erforderlich gehalten hat. Diese Maßnahmen waren daher rechtswidrig verordnet worden“, so das Höchstgericht.

Ministerium: „Ausführliche Stellungnahme“

Man habe „die Maßnahmen in einer ausführlichen Stellungnahme dargelegt“, hieß es hingegen aus dem Bildungsministerium. Man nehme das Urteil zur Kenntnis und werde sich die Ausführungen genau anschauen. Die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte am Schulstandort sei bei den Maßnahmen stets im Vordergrund gestanden. Und: „Mit der Entwicklung der Corona-Kommission ist es einfacher geworden, eine Grundlage für die Bestimmungen zu liefern.“

Der Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck betonte auf Twitter, das Spektakuläre an dem Erkenntnis sei, „dass die Bundesregierung nicht imstande war, Akten vorzulegen. Wir hatten das Problem schon mehrfach, aber noch nicht in dieser Dimension.“

Nachweis der Erforderlichkeit fehlte

Eltern und deren Kinder hatten im Mai beim Höchstgericht gegen die erlassene Verordnung zum abwechselnden Präsenzunterricht an Schulen und zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes außerhalb des Unterrichts Beschwerde eingelegt hatten. Inhaltlich, also ob die Verordnung gegen Grundrecht verstößt, wurde diese vom VfGH nicht geprüft.

Die Beschwerdeführer machten gegen die auf das restliche Schuljahr 2019/2020 bezogene Verordnung geltend, „dass die angefochtenen Bestimmungen gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf Privatleben und das Recht auf Bildung verstoßen“.

VfGH verweis auf Leitentscheidung im Sommer

Das Höchstgericht verwies dabei auch auf seine Leitentscheidung vom Sommer, mit der rückwirkend Bestimmungen im Rahmen der Covid-19-Maßnahmen aufgehoben wurden. Grund dafür ist das Legalitätsprinzip in der Verfassung: Grob gesagt darf Verwaltungshandeln wie die Erlassung einer Verordnung nur auf Basis von Gesetzen erfolgen.

VfGH kippt auch Schulmaskenpflicht des Frühjahres

Die Klassenteilungen und die Maskenpflicht an Schulen im Frühjahr 2020 waren laut Verfassungsgerichtshof gesetzeswidrig – ebenso wie Ausgangsbeschränkungen, Abstandsverordnungen, bestimmte Geschäftsaufsperrverbote und Gastgewerbezwangsmaßnahmen.

Dabei darf dieses Gesetz durchaus weit gefasst sein und dem Verordnungsgeber einen gewissen Spielraum überlassen – allerdings muss dieser dann auch genau darlegen, auf welcher Grundlage er die von ihm erlassenen Maßnahmen getroffen hat.

Nicht erste aufgehobene CoV-Bestimmung

Aktuell gibt es Debatten über die FFP2-Maskenpflicht in Skigondeln. Auch hier gibt es Stimmen, dass diese vom VfGH aufgehoben werden könnte. Im Juli hatte der VfGH bereits mehrere Regelungen zu den „Betretungsverboten“ aufgehoben. Betroffen war hier etwa das Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 Quadratmetern. Teilweise gesetzwidrig war auch die Verordnung über das Betretungsverbot für öffentliche Orte.

Opposition: „Verordnungschaos“

„Es wäre schon eine Sensation, wenn eine Verordnung der türkis-grünen Regierung mal nicht aufgehoben würde“, kommentierte SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid die VfGH-Entscheidung. Schulen bräuchten Planungssicherheit, forderte sie das Bildungsministerium auf, gesetzeskonforme Regelungen für den Schulstart im Jänner vorzulegen. Es brauche endlich funktionierende Sicherheitskonzepte, damit die Schüler nicht 2021 auch wieder monatelang zu Hause sitzen müssen.

Der FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl sieht in einer Aussendung durch das Kippen einer weiteren schwarz-grünen Verordnung durch den VfGH „das Verordnungschaos dieser Koalition“ bestätigt. Die Freiheitlichen hätten die Maskenpflicht von Beginn an abgelehnt. Diese sei nur eine „große Belastung“ für die Schülerinnen und Schüler, so Brückl.

NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre betonte ihrerseits, das VfGH-Erkenntnis reihe sich „in die lange Liste rechtswidriger Maßnahmen dieser Bundesregierung“ ein. Der Spruch mache „den rechtsstaatlichen Dilettantismus von ÖVP und Grünen einmal mehr deutlich“. Die Regierung schaffe es nicht, der Bevölkerung und dem Höchstgericht die eigenen Verordnungen „ordentlich zu begründen“, so Künsberg Sarre.