Bundespräsident Alexander van der Bellen in der ORF-Sendung „Licht ins Dunkel“
ORF/Thomas Jantzen
Flüchtlingsaufnahme

Van der Bellen appelliert an Menschlichkeit

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kardinal Christoph Schönborn haben am Heiligen Abend ihre Appelle zur Aufnahme von Geflüchteten aus den griechischen Lagern eindringlich bekräftigt. In der „Licht ins Dunkel“-Gala riefen das Staatsoberhaupt und der Wiener Erzbischof zu „Erster Hilfe“ und „Menschlichkeit“ auf.

In den griechischen Lagern herrsche „eine derartige Notsituation, die nach Hilfe ruft“, sagte Van der Bellen. Er rief dazu auf, vor allem für Kinder und Familien jetzt ein Zeichen zu setzen, und erinnerte daran, dass diese „im Dreck hausen“ und die Zustände für Europa unwürdig seien. Die Lösung der großen Fragen wie der Migrationspolitik würde Wochen und Monate dauern, deshalb müsse man jetzt etwas tun.

Die Bevölkerung rief der Bundespräsident zu Optimismus auf. Mit Mut und Zuversicht komme man besser durchs Leben. Das sehe man auch bei der Coronavirus-Pandemie ganz gut: Früher als zunächst erwartet, gebe es nun schon einen Impfstoff. „Es sind auch Dinge passiert, die ums mit Zuversicht erfüllen“, so Van der Bellen.

Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dessen Ehefrau Doris Schmidauer

Menschen „Teil eines politischen Spiels“

Schönborn sagte zu den Flüchtlingen in den griechischen Camps, „das Schlimme“ sei, dass diese Menschen „Teil eines politischen Spiels“ geworden seien. Er verstehe, dass sich die Regierung schwertue, aber die Politik dürfe nicht das letzte Wort haben, sondern „die Menschlichkeit“. Der Wiener Erzbischof rief dazu auf, sich in die konkrete Situation der Menschen hineinzudenken, die unter unwürdigen Bedingungen leben und plädierte auch für europäische Lösungen. Europa müsse sagen, dass so etwas auf europäischem Boden nicht stattfinden dürfe.

Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn und Ümit Vural

Als Weihnachtsbotschaft formulierte der Kardinal, dass Gott sich auf diese Welt eingelassen habe und die Welt deshalb nicht verloren sei, auch nicht in Zeiten der Pandemie. In diesem Zusammenhang verwies Schönborn darauf, dass Angst kein guter Berater sei. Die große Lebensweisheit aller Religionen sei „das Heute“. Man könne nicht garantieren, dass man morgen noch lebe. Das habe er im Vorjahr mit seiner Krankheit auch am eigenen Leib erfahren, als er nur knapp am Tod vorbeigeschrammt sei.

Wert des Zusammenhalts

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Ümit Vural, betonte, dass die Religionsgemeinschaften eine „Stimme der Vernunft“ seien und für den Zusammenhalt stünden. Nach dem Terroranschlag in Wien habe die Republik und die Gesellschaft mit mehr Zusammenhalt richtig reagiert. Vural dankte in diesem Zusammenhang Schönborn dafür, dass er nach dem Anschlag die Religionsgemeinschaft versammelt habe.

Diese Zusammenarbeit komme auch bei den Menschen gut an. Den Wert des Zusammenhalts und der Solidarität in der Gemeinschaft in dieser Zeit betonten auch Oberrabbiner Jaron Engelmayer von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) und der griechisch-orthodoxe Erzpriester Nikolaus Rappert. Der Präsident der buddhistischen Religionsgesellschaft, Gerhard Weißgrab, sah in dieser schwierigen Zeit auch etwas Positives, nämlich die Möglichkeit, kennenzulernen, was Leben wirklich bedeute.

Ein Aufruf zur Hilfe für Geflüchtete in den griechischen Lagern kam auch vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Er erinnerte daran, dass die Menschen und auch Kinder dort unter ganz furchtbaren Umständen lebten. Ludwig betonte, dass Weihnachten das Fest des Friedens und der Familie sei und sagte, dass Jesus Christus dazu aufrufen würde zu helfen.

Rufe nach Handeln werden lauter

In den vergangenen Tagen hatten sich angesichts der katastrophalen Situation in den griechischen Lagern die Rufe nach einer Aufnahme der Flüchtlinge gemehrt. Hilfe „vor Ort“ allein reiche nicht aus, Schutzbedürftige müssten „sofort“ evakuiert werden, so die gemeinsame Forderung von Caritas, Diakonie, Volkshilfe, dem Roten Kreuz und Ärzte ohne Grenzen. Diesem Ruf schlossen sich Politiker und Politikerinnen verschiedener Parteien, Religionsgemeinschaften sowie Kulturschaffende an.

Mann und Kind im stark verschmutzten Migrantenlager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos
APA/AFP/Anthi Pazianou
Experten und Hilfsorganisationen prangern unmenschliche Zustände auf Lesbos an

Die ÖVP lehnt eine Aufnahme von Geflüchteten aus den Camps ab, stattdessen wird auf „Hilfe vor Ort“ verwiesen. Erst am Montag hatten die ÖVP-Grünen-Koalition und die FPÖ im Parlament einen SPÖ-Entschließungsantrag zur Aufnahme von Flüchtlingskindern aus Griechenland abgelehnt. Zur Haltung der Grünen sagte Vizekanzler Werner Kogler am Mittwoch in der ZIB2, dass er in der Frage auf „Mehrheiten“ mit der ÖVP hoffe. Es sei „möglich, dass wir die noch erreichen“, zuständig sei aber allein Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Diesem habe man zuletzt einen Plan für die Aufnahme von 100 Familien vorgelegt.