Anselm Kiefers Papierarbeit über Ludwig van Beethoven
Anselm Kiefer
Beethoven-ABC

Z wie Zukunft

„Ein Schmetterling flatterte vor den Schwingen des Adlers.“ So soll Robert Schumann den Besuch Gioachino Rossinis bei Beethoven einmal zusammengefasst haben. Beethoven wollte nie der Titan sein, als der er oft verklärt wurde, aber er, der ewige Fremdling in Wien, sehnte sich ungemein nach Anerkennung. Doch spätestens mit dem Erfolg seiner 9. Symphonie konnte auch er erkennen, dass sein Wille zur großen Form mit der Begeisterung des Publikums belohnt wurde.

Am Ende des Beethoven-ABCs steht die Zukunft: Nach Beethoven würde die Musik nicht mehr so sein können wie vor ihm. Und den Weg, den Beethoven in die Moderne wies, der heißt wohl: Mut zur Expression – und das Verwenden von Lösungen, wie sie davor noch nie da waren.

Als Beethoven im Jahr 1827 starb, da durfte nicht nur die Medizin nach Beethovens eigenem Willen den Körper eines Grenzgängers erforschen: Beethoven hatte sich ja von der wissenschaftlichen Sektion seines Leibes die Klärung der Gründe für seine Ertaubung erhofft. Gefunden hat man schließlich eine geschrumpfte Leber und eine steinharte Bauchspeicheldrüse, was wenig wundert ob der ungezähmten Lust, mit der Beethoven Essen, Alkohol und Kaffee zugesprochen hatte. Was seine künstlerische Hinterlassenschaft anlangt und seinen Ruhm, den er schon zu Lebzeiten hatte, davon sprechen die 20.000 Menschen, die sich dem Begräbniszug zum Währinger Friedhof anschlossen. Beethoven galt nicht zuletzt in seinem Fach als Größe, an die man sich schon physisch kaum heranwagte.

Skizze zum Beethoven-ABC
ORF.at
Skizze zum ORF.at-Beethoven-ABC

Beethovens Aura

Alle namhaften Komponisten der Zeit wollten Beethoven treffen – alle fürchteten davor, den aufbrausenden und unberechenbaren Menschen, schwärmten aber danach, wie etwa Carl Maria von Weber, von der Herzlichkeit, mit der sie Beethoven empfangen habe. Beethoven war der Unbequeme, der, der sich nicht verstellen wollte, und der, der sich seiner eigenen Größe gewiss war. Als er gemeinsam mit Johann Wolfgang von Goethe in Weimar der damaligen Kaiserin begegnet war, verharrte Goethe in gebückter Haltung, während sich Beethoven breitbeinig aufstellte.

Um Konventionen war es ihm nicht so zu tun – und so wurde aus ihm aber auch nicht der geschmeidige Vertreter an der Spitze der Gesellschaft – er blieb ein Sonderling, der auch immer den ökonomischen Absturz fürchtete und der sich nie ein prächtiges Refugium, das zu seinem Ansehen gepasst hätte, zu schaffen vermochte.

Beethoven-ABC: Z wie Zukunft

Z wie Zukunft

Die Gespaltenheit der Welt

Beethoven ist die Zukunft der Musik, ist sich Michael Korstick auch am Ende und erneut mit Blick auf die letzte, die 32. Klaviersonate, gewiss. Gerade mal zwei Sätze habe Beethoven dafür verwendet. Und die zwei Sätze stünden, so ist sich Korstick sicher, für die Gespaltenheit der Welt, die Beethoven ja stets auch in sich empfunden habe. Im ersten Satz gestalte er den Konflikt, in Anbetracht der Erkenntnis, dass die Dinge nun mal nicht so seien, wie sie sein könnten.

Michael Korstick am Klavier in seinem Arbeitszimmer
ORF.at
26 Buchstaben zu einem Komponisten: Michael Korstick beim Dreh des Beethoven-ABC Ende November in Schrems

„Und dann im zweiten Satz, wieder einmal aufbauend auf den Erkenntnissen der Variation“, analysiert der Pianist, „geschieht eine Reduktion auf eine völlig fast schon absurde Einfachheit und Schlichtheit, die man in der Form von Beethoven nun wirklich nicht kannte.“

Beethoven von A bis Z

Das gesamte bisherige Beethoven-ABC

„Das sind rudimentäre, einfache Akkorde und Harmonien, die machen aber eine ungeheure Wirkung, weil sie eben nichts wirklich sagen wollen. Die sind etwas“, schwärmt Korstick weiter. Bei Beethoven flössen die Töne nahezu aus sich heraus, so Korstick, der sich an viele Konzerte erinnert, an denen das Publikum gerade auf den letzten Satz dieser C-Moll-Sonate mit Schweigen und Ergriffenheit reagiert habe.

Anselm Kiefers Papierarbeit über Ludwig van Beethoven
Anselm Kiefer
„Über uns der gestirnte Himmel, in uns das moralische Gesetz.“ Papierarbeit von Anselm Kiefer in Auseinandersetzung mit Beethoven, weiterhin zu sehen im Kunsthistorischen Museum Wien.

„Ja. Das ist die Zukunft der Musik eigentlich: nichts machen wollen, Dinge geschehen lassen, aber mit einem ungeheuren Können verbunden. Ich glaube, so kann man Beethoven definieren. Wäre er älter geworden, hätte er uns sicherlich noch mit ganz anderen Wendungen überrascht, also dessen bin ich mir ganz sicher“, so die Erkenntnis am Ende des Beethoven-ABC.

Buchtipp

Cover des Buches von Jan Caeyers zu Beethoven
C.H. Beck
Jan Caeyers, Beethoven. Der einsame Revolutionär, C.H. Beck, 833 Seiten, 25,00 Euro.

Begegnungen mit Beethoven

Mit Beethoven seien Grundsteine gelegt – nicht zuletzt für den Willen, der Form über dem Motivischen, dem Letztexakten zu ihrem Recht zu verhelfen. Wie sehr Beethoven letztlich gerade auch den Grundstein für andere Kunstdisziplinen hinsichtlich der Expression, aber des dafür notwendigen Zusammenspiels der eingesetzten Elemente und Gestaltungsmittel wies, das ist in der Ausstellung „Beethoven bewegt“ im Kunsthistorischen Museum zu erleben, die über das Beethoven-Jahr und die Zeit des Lockdowns hinaus verlängert wurde.

Von allen Büchern, die zu Beethoven in einer teils unglaublichen Ausdeutungstiefe, wie etwa Jan Swaffords bisher nur auf Englisch vorliegende Beethoven-Biografie, geschrieben wurden, ragt am Ende, gerade was die Vernetzung vom Wirken Beethovens mit der Gesellschafts-, aber auch Kunstpolitik seiner Zeit anlagt, sicherlich das Buch des Niederländers Jan Caeyers über Beethoven heraus. Cayers erinnert auch an einen der vielen typischen Konflikte, die Beethoven nicht zuletzt mit seinen Gönnern führte. In diesen wird auch deutlich, wo die Selbsteinschätzung Beethovens zu sich selbst beheimatet war. In einem Brief an seinen langjährigen Förderer Karl von Lichnovsky hält Beethoven im Jahr 1806 fest: „Fürst, was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich. Fürsten hat es immer und wird es noch Tausende geben. Beethoven gibt’s nur einen.“

Hinweis: Die Gesamteinspielung der Beethoven’schen Klaviersonaten von Michael Korstick soll ab Ende Jänner wieder bei Naxos zur Verfügung stehen. Mit dem RSO-Wien spielt Korstick die fünf Klavierkonzerte Beethovens unter Constantin Trinks ein.