Ursula Wiedermann-Schmidt, Professorin für Vakzinologie an der Meduni Wien
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Wiedermann-Schmidt

Effekte der Impfungen „bald“ zu sehen

Am Sonntag sind in der MedUni Wien die ersten Patientinnen und Patienten vor laufenden Kameras und mit Politprominenz an der Seite gegen das Coronavirus geimpft worden. Im Laufe des Sonntags gingen dann auch in fast allen Bundesländern Impfungen über die Bühne. Die Vorsitzende des Nationalen Impfgremiums, Ursula Wiedermann-Schmidt, die die ersten Impfungen vornahm, hoffte im ZIB2-Interview auf baldige Effekte.

Wenn man es schaffe, die vulnerablen Gruppen mit den Impfungen gut zu erreichen, könne man die Effekte bei der Zahl der Hospitalisierten und vor allem bei der Reduktion von Aufnahmen auf den Intensivstationen und auch bei den Todesfällen bald sehen, so die Ärztin in der Langversion des ZIB2-Interviews.

Um die epidemiologische Situation in den Griff zu bekommen, müssten sich möglichst viele Menschen impfen lassen. Wie hoch die Durchimpfungsrate für eine Herdenimmunität sein muss, hänge aber auch von der Wirksamkeit der Impfungen ab. Wenn die Impfung nur eine – schwere – Erkrankung verhindere, müssten mehr Menschen geimpft werden. Wenn auch die Infektion und die Weitergabe des Virus unterbunden werden, würden vielleicht schon 50, 60 oder 70 Prozent reichen, so Wiedermann-Schmidt.

Langfassung: Interview mit Impfexpertin Wiedermann-Schmidt

Sie hat die ersten Coronavirus-Impfungen verabreicht: Ursula Wiedermann-Schmidt, Professorin für Vakzinologie, an der MedUni Wien. Und auch wenn die ersten Personen bereits geimpft sind – bleiben doch viele Fragen: Wie sicher sind die Impfungen? Sind Geimpfte weiterhin infektiös? Diese und ähnliche Fragen beantwortet Wiedermann-Schmidt im „ZIB2“-Interview.

Aufschlüsse über Wirksamkeit in den nächsten Wochen

Die Medizinerin erwartet in den kommenden Wochen und Monaten weitere Aufschlüsse darüber, welche Wirkung die Impfung entfalte. In den bisherigen Studien zur Zulassung habe man sich darauf konzentriert, wie eine schwere Erkrankung durch die Impfung verhindert wird. Unklar sei noch, ob Geimpfte das Virus weitergeben können. Jetzt würden Studien laufen, die herausfinden sollen, ob und in welchem Ausmaß die Impfung auch die Virenlast reduziere. Die Annahme sei aber, dass das Vakzin auch die Weitergabe minimieren werde. Bei den nächsten Impfstoffkandidaten würden diese Daten teilweise schon in den Zulassungsstudien erhoben.

Alle Impfstoffe mit ähnlicher Wirkung

Auch werde sich in den Zulassungsstudien der nächsten Impfstoffe herausstellen, ob der eine oder andere für besondere Risikogruppen wie Ältere noch wirksamer sei als ein anderer. Wer mit welchem Impfstoff versorgt werde, hänge in der Anfangsphase vor allem von logistischen Gründen ab, sagte die Medizinerin. Man gehe aber davon aus, dass die Wirkung der unterschiedlichen Impfstoffe vergleichbar ist.

Und sie bestätigte auch, dass sich auch solche Menschen „sicherheitshalber“ impfen lassen sollten, die Covid-19 schon gehabt haben. Momentan würden die Daten darauf hindeuten, dass die Immunantwort nach einer Infektion sechs bis acht Monate anhalte. Eine frühere Infektion sei jedenfalls kein Ausschlussgrund von der Impfung. Zuerst würden aber jene geimpft, die noch keinen Schutz haben.

Zustellung im „Schneeballsystem“

Die 84-jährige Theresia Hofer wurde als erste Österreicherin von Wiedermann-Schmidt an der MedUni Wien geimpft. Sie wolle „ohne Bedenken ihre Kinder, Enkel und Urenkel wiedersehen“, erklärte sie ihren Beweggrund, warum sie sich zur Impfung gemeldet hatte. Zwei weitere über 80-Jährige mit Vorerkrankungen und zwei Mitarbeiter aus dem Gesundheitssystem waren ebenfalls unter den ersten fünf Geimpften.

Die ersten 10.000 Impfdosen wurden bereits am Samstag aus dem belgischen Puurs ausgeliefert und nach Wien gebracht. Die Verteilung in die Bundesländer, die bereits am Sonntag mit den ersten Impfungen starteten, übernahm das Bundesheer. Impfdosen wurden in Senioren- und Pflegeheime in Graz, Salzburg, Mieming in Tirol, Dornbirn und Bregenz übergeben. Die Zustellung zum Endverbraucher erfolgte im „Schneeballsystem“ durch Soldaten von Verbänden aus den jeweiligen Bundesländern. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) dankte den involvierten Soldaten und Zivilbediensteten, „für weitere Aufgaben stehen wir bereit“.

Impfung gegen das Coronavirus an der MedUni Wien
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Die 84-jährige Theresia Hofer war die erste Österreicherin, die gegen das Coronavirus geimpft wurde

„Sache nun vorbei“

Zur Mittagszeit wurde am Sonntag auch Christoph Wenisch, der Leiter der Infektionsabteilung in der Wiener Klinik Favoriten, geimpft. Für ihn sei „die Sache (Anm. das Coronavirus) nun nach der zweiten Teilimpfung vorbei“ – mehr dazu in wien.ORF.at. Wien werde „alles daransetzen“, so schnell wie möglich viele Personen dafür zu gewinnen, sich impfen zu lassen, so Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Gesundheitsstadtrat Peter Hacker kündigte für das erste Quartal zudem eine Impfstraße für niedergelassene Ärzte an.

Fast hundert Impfungen in Salzburg

96 Impfdosen wurden in einem Salzburger Seniorenwohnhaus am Sonntag geimpft – Bewohner und Beschäftigte des Hauses. Es hätten sich viele Freiwillige gemeldet, so das Land Salzburg. Mitte Jänner werden größere Mengen des Impfstoffs erwartet – mehr dazu in salzburg.ORF.at. Auch in Oberösterreich finden die ersten Impfungen am Sonntag in einem Alters- und Pflegeheim statt – mehr dazu in ooe.ORF.at. In einem Grazer Seniorenheim hatten sich 40 Freiwillige für die Impfung gemeldet – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Erste Österreicherin erhält Coronavirus-Impfung

Theresia Hofer ist die erste Patientin, die in Österreich den mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus erhalten hat.

„Ein kleines Sticherl, aber ein großer Stichtag“, sagte die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) anlässlich des Impfstarts in Niederösterreich – mehr dazu in noe.ORF.at.

Kärnten will keine Showeffekte

In Tirol bekamen in einem Seniorenheim in Mierming 70 Menschen die erste Teilimpfung. Einen Medienrummel dazu wollte das Land aber vermeiden – mehr dazu in tirol.ORF.at. Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) will keine Showeffekte und mit der ersten Impfung noch zuwarten. Hier wird am 5. Jänner das erste Mal in mehreren Pflegeheimen geimpft – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Am Sonntag wiederholte Kaiser seine Position.

Er wolle in der ersten Jänner-Woche mit einer „seriösen Covid-19-Impfstrategie“ beginnen und an der vom Bund vorgeschlagenen „symbolischen Erstimpfung“ nicht teilnehmen. Trotz anfänglicher Kritik von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) wurde am Sonntag auch im Burgenland ein symbolischer Impfauftakt gesetzt – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Erster Schutzeffekt nach sieben Tagen

Ein gewisser Schutzeffekt soll laut Hersteller schon sieben Tage nach der ersten Teilimpfung gegeben sein. Etwa drei Wochen nach der ersten Impfdose wird die zweite verabreicht, dann gebe es laut Pfizer-Österreich-Chef Robin Rumler einen 95-prozentigen Schutz. Die Impfung habe eine sehr hohe Schutzrate vor einer Erkrankung an Covid-19, sagte Wiedermann-Schmidt.

Nun müsse es weitere Untersuchungen geben, ob geimpfte Personen nicht mehr ansteckend sind. Bis zu den ersten Ergebnissen sei weiterhin Vorsicht geboten, auch im Kontakt mit geimpften Menschen. Allergiker gehören für Wiedermann-Schmidt nicht zu der Zielgruppe, die von der Impfung ausgespart werden sollte. Zurückhaltender sei man bei Schwangeren. Auch Kinder unter 16 Jahren werden nicht geimpft. Es gebe dazu keine Studien, so die Medizinerin, zudem wisse man, dass unter 16-Jährige keine schweren Erkrankungen durchmachen.

„Erster Tag der Wende“

In Statements nach den ersten Impfungen zeigten sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erleichtert über die Aufnahme der Impfaktion. Kurz sprach von einem „historischen Tag“, für Anschober war es der „erste Tag der Wende“. Es warten aber noch herausfordernde Monate, so die beiden Politiker. Die Impfungen geben aber eine Perspektive, so Anschober, und Kurz zeigte sich überzeugt, dass es „möglich sein sollte, bis zum Sommer zur Normalität zurückzukehren“. Der Gesundheitsminister kündigte zudem an, dass Österreich seine Lieferungen von Pfizer/Biontech auf über vier Millionen aufstocken konnte.

Erste CoV-Impfung an der Medizinischen Universität Wien
APA/Hans Punz
Der Start der Impfaktion in Österreich wurde auch von Kanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober begleitet

In der ersten Jänner-Woche sollen flächendeckend Risikogruppen und über 80-Jährige geimpft werden sowie medizinisches Personal im exponierten Bereich, in der zweiten Phase ältere Menschen und Mitarbeiter kritischer Infrastruktur und in der dritten Phase folgen alle Personen, die sich impfen lassen wollen. Anschober will in den kommenden Tagen ein E-Bestellsystem vorstellen. Kurz kündigte eine Impfkampagne an sowie ein Gremium mit Medizinern und Wissenschaftlern, das die Bevölkerung informieren soll.

Opposition zwischen Freude und „Tiefpunkt“

Nach den ersten Impfungen appellierte auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, sich impfen zu lassen. Erfreut über den Impfstart zeigte sich NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Er forderte nun einen nachvollziehbaren Impfplan, damit auch die breite Masse bis zum Sommer Zugang zur Immunisierung bekomme.

Schrom (ORF) zur Impfung

ZIB-Chefredakteur Matthias Schrom berichtet aus Innsbruck über die ersten CoV-Impfungen, die am Sonntag in Österreich verabreicht wurden.

Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl war die Verabreichung der ersten Covid-19-Impfungen hingegen ein „neuer Tiefpunkt“. Denn Kurz habe „eine Propaganda-Show in Ostblockmanier abgezogen“. ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior wiederum warf Kritikern wie Kickl, aber auch Doskozil vor, „zu jener Sorte von Politikern“ zu gehören, „die es vorziehen, die Menschen zu verunsichern und die Bevölkerung zu spalten“. Doskozil hatte sich zuletzt skeptisch gegenüber der schnellen Zulassung des Impfstoffs gezeigt.