Screenshot zeigt „Badger Badger Badger“
Screenshot weebls-stuff.com
Bewegung im Browser

Webdinosaurier Flash geht in Pension

Zeichentrickfilme, Spiele und Videos: Ohne die Browsererweiterung Flash wäre das Internet um die Jahrtausendwende wohl oft viel langweiliger gewesen. Neben Kult und Memes ebnete Flash auch den Weg für die Videoplattform YouTube. Zuletzt fiel die Software von Adobe jedoch vor allem durch Sicherheitsmängel auf. Zum Jahreswechsel wird die Unterstützung für Flash nun endgültig eingestellt – mit unklaren Folgen.

Über zwei Jahrzehnte gehörte Flash zur Grundausrüstung jedes Computers mit Internetanbindung, schon Ende der 90er Jahre setzten viele Seiten auf die Software. Nicht zuletzt, weil damit alles erlaubt war, was in Browsern wie Internet Explorer und Netscape alleine als unmöglich galt: Mit Flash konnte man etwa Grafiken animieren und sie mit Ton unterlegen. So wurden die langsamen Modemverbindungen voll ausgereizt – vom Abspielen ganzer Videos in brauchbarer Qualität war man zu dieser Zeit noch einige Jahre entfernt.

Damit kam in jeder Hinsicht Bewegung ins Internet: Denn nicht nur gab es plötzlich ein breites Angebot an Bewegtbild im Browser, einige der oft kruden Animationen entwickelten sich zu großen Rennern im Netz. Egal ob „Peanut Butter Jelly Time“ oder „Badger Badger Badger“: Heute gelten die Flash-Hits von damals als Kult – und sorgen immer noch für Ohrwürmer.

Animationen für alle

Der Erfolg von Flash lag auch darin begründet, dass die Animationen „unglaublich einfach“ zu erstellen waren, schreibt der Internethistoriker Jason Scott. Auch „komplette Neulinge und Anfänger konnten überraschend komplizierte und flexible Grafik- und Soundshows erstellen“, so Scott. Und das ganz ohne „tiefgehendes Wissen über Betriebssysteme und Programmiersprachen“. Das entsprach letztlich auch der Do-it-yourself-Mentalität des frühen Web, die nach und nach durch Internetriesen an den Rand gedrängt wurde.

Freilich wurde Flash auch von Großkonzernen eingesetzt: Schon in der Zeit, als die Software noch „FutureSplash“ hieß, stieg etwa Disney in das Geschäft mit den Webanimationen ein, auch Fox bereitete „Die Simpsons“ für den Browser auf. Selbst Größen wie Tim Burton produzierten plötzlich eigene Formate für das Internet, Künstlerinnen und Künstler experimentierten mit animierten Musikvideos. Viele stampften ihre Projekte enttäuscht wieder ein – denn passende Bezahlmodelle gab es damals keine.

Webhits drängten ins Fernsehen

Doch das Web bot zahlreichen Projekten ein neues Zuhause, darunter auch vielen Spielen, die im Browser liefen. Auch ganze Webserien, wie etwa „Salad Fingers“, wurden in Flash animiert und verbreiteten sich rasant. Vor allem Cartoons für Erwachsene, also solche, die aufgrund ihrer Thematik oder ihres allzu schwarzen Humors kaum Platz im Fernsehen fanden, erfreuten sich großer Beliebtheit.

Der Erfolg blieb freilich von vielen Sendern nicht unbemerkt – und so fanden auch einige Webserien ihren Weg ins herkömmliche Fernsehen. So wurden etwa die nur scheinbar herzigen und tatsächlich unglaublich brutalen „Happy Tree Friends“ für das Fernsehen adaptiert. Auch Serien wie „Gary the Rat“ und „Queer Duck“ wurden im US-TV gezeigt.

Kein YouTube ohne Flash

Spätestens nach der Jahrtausendwende war Flash fast omnipräsent auf Websites, längst wurde nicht mehr nur animiert, sondern auch die gesamte Benutzerführung in Flash gestaltet. Und mit den zunehmend schnelleren Verbindungen wurden auch Videos ein bestimmendes Thema im Netz. Adobe, das 2005 Flash aufkaufte, kam dabei eine zentrale Rolle zu. So verwendete etwa YouTube, das im selben Jahr startete, ausschließlich Flash zur Anzeige der Videos.

Mit der enormen Popularität wuchs auch die Kritik, denn praktisch war nur noch ein einziges Unternehmen maßgeblich für die Gestaltung und Multimediafunktionalität des Web zuständig. Zuvor regelte das jedoch das World Wide Web Consortium (W3C) in ihrem HTML-Standard, für dessen Umsetzung wiederum die Browserhersteller verantwortlich waren.

Smartphones werfen Adobe aus dem Rennen

Spät aber doch einigte sich auch das W3C auf Multimediaelemente, die nicht auf die Browsererweiterung von Adobe angewiesen waren. Kurzum: Das Konsortium wollte Flash obsolet machen, Audio und Video sollten ohne Zusatzsoftware im Browser laufen. Maßgeblich wurde diese Entwicklung auch durch den Trend zum Smartphone befeuert. Denn Flash war bereits für herkömmliche PCs oft eine Herausforderung, die damals noch schwächeren Mobiltelefone konnten da noch nicht mithalten.

Steve Jobs 2010 auf der Bühne
APA/AFP/Getty Images/Justin Sullivan
Der 2011 verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs, hier im Jahr 2010, galt als großer Gegner von Adobes Flash

Apple-Gründer Steve Jobs sagte 2010, dass es auf iPhones keinen Platz für Flash gebe – und wurde dafür scharf kritisiert, denn auf praktisch allen Videoseiten wurde die Adobe-Software immer noch eingesetzt. Der Google-Konkurrent Android preschte daraufhin vor, warb dafür, dass das „volle Web“ auf den tragbaren Geräten laufe – inklusive Videoinhalten. In der Praxis waren Flash-Inhalte aber einfach nicht für Handys gemacht, Videos ruckelten, die Akkulaufzeit litt unter den Bedingungen. Nur zwei Jahre später war Adobes Flash auf Mobiltelefonen bereits Geschichte.

Vom Revolutionär zum Risiko

Nach und nach setzte sich der offene Standard durch, Flash führte in den vergangenen Jahren nur noch ein Nischendasein. Zuletzt fiel Flash vor allem als Sicherheitsrisiko auf: Unzählige Schwachstellen wurden gefunden und mussten von Adobe beseitigt werden. Die dauernden Update-Hinweise entwickelten sich schnell zum Ärgernis für Anwenderinnen und Anwender, bis letztlich die Browserhersteller die Notbremse zogen und Flash standardmäßig deaktivierten. Auch Adobe selbst riet bereits 2016 zaghaft dazu, Flash nicht mehr zu verwenden. Am 31. Dezember 2020 wird die Unterstützung komplett eingestellt.

Nicht alle können umstellen

Während Websitebetreiber praktisch ein Jahrzehnt Zeit hatten, um ihre Inhalte auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, gibt es unzählige Orte im Netz, die ganz einfach nicht mehr gewartet werden. Von simplen Animationen bis hin zu kompletten Websites werden mit dem Aus von Flash zahlreiche Inhalte nicht mehr mit einem herkömmlichen Browser zugänglich sein. Das ist, trotz gesunkener Bedeutung, ein ungewöhnlicher Einschnitt in der Geschichte des Web.

Die Non-Profit-Organisation Internet Archive sichert seit geraumer Zeit derartige Flash-Inhalte und bittet Userinnen und User um Mithilfe beim Sammeln von Animationen. Durch Projekte wie Ruffle können solche Animationen auch ohne Flash-Player direkt im Browser wiedergegeben werden. Auch Portale wie das einst enorm populäre Newgrounds bieten mittlerweile Alternativen an, damit die Flash-Animationen weiterleben können.

Mit dem Jahreswechsel hat sich der offene Standard endgültig durchgesetzt, spätestens dann werden Browser ohne die Erweiterung von Adobe auskommen müssen. Durch die Bemühungen von Freiwilligen werden zumindest die oft absurd witzigen Flash-Kreationen so schnell nicht aus dem Gedächtnis des Internets verschwinden – und damit ein Stück Netzgeschichte erhalten bleiben.