Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vor einen Corona-Impfstoff-Gefrierschrank
APA/Robert Jaeger
Impfstrategie

Österreich setzt auf „dezentrale Strukturen“

Nachdem am Sonntag in einer großen symbolischen Aktion die ersten Menschen in Österreich gegen das Coronavirus geimpft worden sind, läuft die Planung zur Verteilung der nächsten Impfstofflieferungen auf Hochtouren. Wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Montag in einem Pressegespräch erläuterte, setzt man dabei auf „dezentrale Strukturen“, um den Zugang zur Impfung möglichst niederschwellig zu ermöglichen.

Jede Entscheidung sei freiwillig, so Anschober. Wer Interesse an einer Impfung habe, für den soll sie kostenfrei und möglichst ohne lange Anfahrt zur Verfügung stehen. In der ersten Phase ab 12. Jänner bis Februar sollen Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Alters- und Pflegeheimen sowie Beschäftigte in Gesundheitsberufen geimpft werden.

In einer zweiten Phase, laut Anschober avisiert für Anfang Februar, sollen ältere Menschen, die nicht in Heimen leben, sowie Risikopatientinnen und -patienten geimpft werden. Sie sollen durch ihre niedergelassenen Ärzte proaktiv angesprochen, informiert und geimpft werden. Voraussetzung dafür ist die Verfügbarkeit des Astra-Zeneca-Impfstoffs, dessen Zulassung im Jänner erwartet wird. Anders als der bereits zugelassene Biontech-Pfizer-Impfstoff muss dieser nicht bei minus 70 Grad gelagert und transportiert werden und lässt sich damit auch wesentlich niederschwelliger – vergleichbar etwa mit dem Grippeimpfstoff – verteilen. Das Ziel der Impfstrategie sei es, „den Impfstoff zu den Menschen zu bringen, nicht umgekehrt“.

Impfung in Betrieben und Gemeinden

Auch in Phase drei, in der die Impfung der breiten Bevölkerung zur Verfügung stehen soll, setze man nicht auf große Impfzentren, wie etwa in Deutschland. Neben der Impfmöglichkeit bei niedergelassenen Ärzten werde es aber durchaus Impfstraßen in Gemeinden geben – man setze dabei auf die Erfahrungen aus den Massentests, so Sektionschef Clemens Auer aus dem Gesundheitsministerium. Darüber hinaus sei man derzeit dabei, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer zu eruieren, in welchen größeren Unternehmen man betriebsärztliche Strukturen nützen könnte, um damit die Impfung am Arbeitsplatz anbieten zu können.

Aufwendige Logistik zur Verteilung

Der derzeit verfügbare Biontech-Pfizer-Impfstoff wird über die Bundesbeschaffungsagentur (BBG) und den Verband der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler (PHAGO), abgewickelt. Man verwende mit dem E-Shop der BBG ein etabliertes System zur Bestellung und Verteilung des Impfstoffs, das öffentlichen Institutionen bereits bekannt sei, so BBG-Geschäftsführer Gerhard Zotter im Pressegespräch. Die Handhabung des Onlineshops sei einfach und würde den bestellenden Institutionen – in der ersten Phase also primär Heimen – zudem rückmelden, wann sie mit der Impfstofflieferung rechnen können.

Bundesheer-Soldaten liefern Impfstoffe an Senioren- und Pflegeheime
APA/Bundesheer/Peter Lechner
Mit Hilfe des Bundesheers wurde die erste Impfstofflieferung in ganz Österreich verteilt

Die Distribution erfolgt dann via PHAGO über 17 Standorte in Österreich. Laut PHAGO-Präsident Andreas Windischbauer würden die Impfstoffe in diesen Lagern bei den erforderlichen minus 70 Grad gelagert und dann in Verteilung gebracht. Einmal aus der extremen Tiefkühlung genommen, gehe dann ein 120-Stunden-Fenster auf, in dem der Impfstoff genau in der bestellten Menge in einer Box bei zwei bis acht Grad an die Impfstelle geliefert werde.

Information via Hotline und Kampagne

Ein weiterer paralleler Schwerpunkt für die Regierung werde die Informationsarbeit sein, sagte Anschober. Dazu zähle als erster Schritt die bereits erfolgte Einrichtung der Infohotline. In Summe habe es bis jetzt an die 20.000 Anrufe gegeben, wobei die Grundstimmung laut dem Minister aufgeschlossen und interessiert war. Auch ein Wissenschaftlergremium werde für diese Fragen eingerichtet, das „in diesen Tagen erarbeitet und in Kürze präsentiert“ werde.

Ein Teil der Bevölkerung habe sich bereits definitiv entschieden, sich impfen zu lassen, andere lehnen die Impfung kategorisch ab. Ein großer Teil habe sich aber noch keine Meinung gebildet, so Anschober.

Die Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium und gleichzeitiges Mitglied des Nationalen Impfgremiums, Maria Paulke-Korinek, sagte in Richtung der Bedenken gegenüber den beiden mRNA-Impfstoffen von Biontech-Pfizer und Moderna, dass das Prinzip dahinter absolut nicht neu, sondern über 20 Jahre Forschung dahinterstehe – neu sei die Nanopartikeltechnologie zur Stabilisierung der Vakzine. Weiterhin zu früh ist es zu sagen, ob eine Impfung vor Übertragung und Weitergabe der Krankheit schützen kann wie bei Influenza.

„Die Schwächsten zuerst“

Unter dem Motto „die Schwächsten zuerst“ will man in einer ersten Phase der Informationskampagne auf sachliche Aufklärung setzen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Dann soll eine Aktivierungskampagne folgen, zumal „erst nach und nach eine größer werdende Anzahl an verfügbaren Dosen“ verfügbar sein werde.

Im ersten, breit gestreuten Spot erklärt der Rektor der Medizinischen Universität Wien, Markus Müller, die drei Phasen der CoV-Impfaktion. Damit sei gewährleistet, dass „die Schwächsten zuallererst versorgt werden“, so der Mediziner. Die Impfung werde für alle verfügbar, gratis, „sehr sicher und wirksam sein und einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Pandemie leisten“.

Nach breiterer Verfügbarkeit des Impfstoffs sollen möglichst viele Menschen zur Teilnahme animiert werden. „Die Kampagne setzt von Beginn an auf die Einbeziehung führender Fachleute aus der Medizin“, hieß es aus der Bundesregierung.

Pressekonferenz über die Bestellung und Verteilung des Impfstoffs

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Chefkoordinator Clemens Martin Auer, die medizinische Koordinatorin Maria Paulke-Korinek, BBG-Geschäftsführer Gerhard Zotter und PHAGO-Präsident Andreas Windischbauer erklären die Impfstrategie Österreichs.

FPÖ und NEOS kritisieren Impfstrategie

Kritik an der CoV-Impfstrategie der Regierung kommt von der Opposition. NEOS freut sich zwar über den Impfstart in Österreich und fordert eine „nationale Allianz“, um das Vertrauen in die Immunisierung zu erhöhen. Nötig sei dafür ein detaillierter und nachvollziehbarer Impfplan sowie ein „ehrliches und transparent erstelltes“ Informationsangebot. Die FPÖ forderte unterdessen ein „unabhängiges“ Nationales Impfgremium ein.

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker will mit parlamentarischen Anfragen die Details der Covid-19-Impfstrategie klären. „Nur wenn die Menschen wissen, was genau auf sie zukommt, also wann, wo und wie sie geimpft werden, kann die Impfung eine hohe Akzeptanz bekommen“, meint Loacker.

Die FPÖ kritisierte unterdessen die Zusammensetzung des Nationalen Impfgremiums: „Immerhin fünf der 14 Mitglieder des Nationalen Impfgremiums sind weisungsgebundene Beamte und Vertragsbedienstete des grünen Gesundheitsministers“, sagte die stellvertretende FPÖ-Klubobfrau und Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung. Die FPÖ fordert ein Nationales Impfgremium, „das nach einem öffentlichen Hearing und unter Einbindung des Parlaments als demokratischer Kontrollinstanz von wirklich unabhängigen Experten besetzt wird“. In der nächsten Nationalratssitzung werde man entsprechende Anträge einbringen.