Bild zeigt ein Fischerboot auf dem Ärmelkanal.
AP/PA/Gareth Fuller
Vorläufig

EU-Staaten stimmen Brexit-Handelspakt zu

Nach der Einigung mit Großbritannien hat die Europäische Union am Montag die vorläufige Anwendung des Brexit-Handelspakts ab 1. Jänner auf den Weg gebracht. Die Botschafter der 27 Mitgliedsstaaten sagten vorläufig Ja zu dem Vorschlag. Unterdessen zeigten sich die britischen Fischer von Premier Boris Johnson „enttäuscht“ und „betrogen“.

Ein Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft teilte am Montag auf Twitter mit, dass das notwendige schriftliche Verfahren zur Entscheidung gestartet wurde. Abgeschlossen soll es am Dienstag um 15.00 Uhr sein. Für einen regulären Ratifizierungsprozess auch unter Einbeziehung des EU-Parlaments reicht die Zeit bis zum Jahresende nicht mehr aus. Daher sollen die vereinbarten Regeln zunächst provisorisch in Kraft treten.

Am 31. Dezember läuft die Übergangsfrist ab, Großbritannien scheidet dann aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Der Vertrag soll einen harten wirtschaftlichen Bruch vermeiden. Am Mittwoch sollen auch die britischen Abgeordneten über den Deal abstimmen. Am Montag gab es auch Zustimmung von der deutschen Regierung, Deutschland werde im EU-Rat der Vereinbarung zustimmen, so eine Sprecherin. Abgeordnete des EU-Parlaments wünschten sich unterdessen mehr Zeit für die Prüfung des Vertragstexts.

„Neustart“ der Beziehungen

Die Unterhändler beider Seiten hatten sich erst am 24. Dezember auf das knapp 1.250 Seiten starke Abkommen geeinigt. Wichtigster Punkt ist, einen unbegrenzten Warenhandel ohne Zölle sicherzustellen. Darüber hinaus regelt der Vertrag unter anderem die Zusammenarbeit bei Fischerei, Flug- und Straßenverkehr, Energieversorgung, Verbrechensbekämpfung und Sozialversicherungen.

Der britische Premier hoffte am Montag auf einen Neuanfang in den Beziehungen. Er habe gerade mit Ratspräsident Charles Michel gesprochen, so Johnson auf Twitter. „Ich sehe die Bedeutung des Abkommens zwischen dem Königreich und der EU als Neustart für unsere Beziehungen unter souveränen Gleichberechtigten“, so Johnson.

Harsche Kritik der britischen Fischer

Die britischen Fischer üben allerdings harsche Kritik am Abkommen. Entgegen der Ankündigung habe man nur einen Bruchteil an Rechten erhalten. „Boris Johnson hat uns die Rechte an allen Fischen versprochen, die in unserer exklusiven Wirtschaftszone schwimmen, aber wir haben nur einen Bruchteil davon erhalten“, sagte der Chef des Nationalen Verbunds der Fischereiorganisationen (NFFO), Andrew Locker, am Montag dem Sender BBC Radio 4. „Ich bin wütend, enttäuscht und fühle mich betrogen.“

Johnson habe versprochen, dass es keinem Fischer schlechter gehen werde. Aber nun gebe es „eine beträchtliche Anzahl“, denen es deutlich schlechter gehe als vor dem Deal. Als Großbritannien noch EU-Mitglied war, hätten die Fischer mit der Gemeinschaft handeln können, so Locker weiter. „Wir haben Dinge, die wir nicht gebraucht haben, gegen Fisch getauscht, den sie nicht gebraucht haben. Und das hat uns ermöglicht, einen Jahresplan aufzustellen." Nun müssten die britischen Fischer schwer kämpfen, um ihre Existenz zu erhalten.

Bild zeigt ein Fischerboot auf dem Ärmelkanal.
APA/AFP/Nicolas Gubert
Die Briten erhalten sukzessive eine höhere Fangquote – nicht hoch genug für die britischen Fischer

Staatsminister Michael Gove widersprach ihm. Großbritannien werde vielmehr in einer viel stärkeren Position als in der EU sein. Unter der gemeinsamen Fischereipolitik der EU hätten britische Fischer Zugang zu 50 Prozent der Fische in britischen Gewässern gehabt. Diese Zahl steige nun bis 2026 auf zwei Drittel. Das Land werde in Flotte und Infastruktur investieren und könne seinen Anteil weiter steigern.

Fischerei symbolisch aufgeladen

Die Fischerei spielt wirtschaftlich gesehen in den Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien nur eine geringe Rolle, war aber von Großbritannien selbst sowie von Frankreich auf der EU-Seite symbolisch stark aufgeladen worden und einer der schwierigsten Punkte bei den Verhandlungen über den Brexit-Handelspakt. Letztlich hat London große Zugeständnisse gemacht.

Europäische Fischer müssen zunächst nur auf ein Viertel ihrer Fangquoten verzichten – gestaffelt auf fünfeinhalb Jahre. Für jede Fischsorte sind im ausgehandelten Papier eigene Fangquoten angeführt, die sich im Laufe der Jahre zugunsten der Briten verschieben. Nach der bis 2026 dauernden Übergangsperiode soll es jährlich Gespräche über die Fangquoten für beide Seiten gebe. Sollte London den EU-Fischern den Zugang weiter beschneiden, könnte Brüssel das mit Zöllen beantworten.

Auf EU-Seite ist die Europäische Fischerei-Allianz auch enttäuscht. „EU-Fischer werden einen hohen Preis für eine Brexit-Vereinbarung zahlen“, klagte der Verband vorige Woche. Ihre Zukunft sei ungewiss.

Enge wirtschaftliche Beziehungen

Trotz des Abkommens werden die wirtschaftlichen Beziehungen beider Seiten künftig weit weniger eng sein als bisher. So werden an den Grenzen Warenkontrollen nötig, unter anderem weil Nachweise für die Einhaltung der EU-Regeln zur Lebensmittelsicherheit und zur Einhaltung von Produktstandards erbracht werden müssen.

Das heimische Finanzministerium erwartet wegen des Austritts Großbritanniens einen Mehraufwand beim Zoll, sieht sich aber gut vorbereitet. Ab Jänner rechnet die Zollverwaltung mit einer Erhöhung der Abwicklungen im Güterverkehr von bis zu zehn Prozent, zudem seien Verbote und Beschränkungen vermehrt zu kontrollieren, es sei mit mehr Betrugsversuchen zu rechnen. Bei den Zollabfertigungen für Postsendungen und Schnelldienste wird eine Zunahme von bis zu 30 Prozent erwartet.

Man habe die Hausaufgaben gemacht, so Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in einer Aussendung. Die Zollbeamten sollen sich „flexibel regional und bei Bedarf auch bundesweit aushelfen“. Zugleich informiere das Ministerium mit Schulungen, einer Hotline und auf seiner Website über die Auswirkungen des Brexits auf Unternehmen und Spediteure.