Der französische Modedesigner Pierre Cardin
Reuters/Charles Platiau
1922–2020

Modeschöpfer Pierre Cardin ist tot

Pierre Cardin hat die Mode revolutioniert und in über 70 Jahren ein Imperium aufgebaut. Er entwarf elegante Damenkleider und Uniformen, sein Name prangte aber auch auf Zigaretten, und er brachte als Erster Mode für die breite Masse auf den Markt. Nun ist der Designer im Alter von 98 Jahren gestorben.

„Ein Tag großer Traurigkeit für unsere ganze Familie, Pierre Cardin ist nicht mehr“, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung seiner Familie. Er habe Frankreich und der Welt ein einzigartiges künstlerisches Erbe hinterlassen – und das nicht nur in der Mode, schrieben Cardins Nichten und Neffen. Seine treibende Kraft sei die Arbeit gewesen. Laut französischen Medienberichten starb er am Dienstag in einem Krankenhaus bei Paris.

Mit Cardin hat Frankreich einen der größten Visionäre der Mode verloren. Denn der Designer begründete nicht nur die futuristische Mode mit, sondern entwarf als Erster seiner Branche Mode für die Masse und vermarktete wie kein anderer seinen Namen weltweit. Mineralwasser Essbesteck, Plattenspieler, Bettwäsche, Armbanduhren, Zigaretten und Autos trugen und tragen seinen Namen.

Der französische Modedesigner Pierre Cardin bei einer Modeschau in Istanbul (im Jahr 2006)
Reuters/Fatih Saribas
Der Designer war bis ins hohe Alter aktiv

Weltweiter Reichtum

Sein Geschäftssinn machte ihn zu einem der reichsten Männer Frankreichs. Hunderte Fabriken und Lizenzen weltweit gehörten ihm, dazu mehrere Restaurants und Theaterhäuser, ein Museum in Paris, ein Schloss und ein halbes Dorf. Cardin versteckte seinen Reichtum nicht: Er könne sich alles leisten, wie er einst in einem Interview unbefangen erklärte. Dafür schlug ihm auch Hass entgegen, sagte er einmal selbst.

Luxus habe ihn noch nie interessiert, wie der Sohn eines französischen Weinhändlers sagt, der eigentlich Pietro Cardini heißt und in der Nähe von Venedig zur Welt kam. Für einen Mann, der Schlösser besaß wie das Marquis de Sade im südfranzösischen Lacoste oder eine der teuersten Villen Frankreichs, eine verblüffende Aussage. Was ihn interessiere, sei der kreative Aspekt seiner Unternehmen und Vorhaben. Schließlich hatte er auch sein eigenes Museum in Paris.

Miterfinder der futuristischen Mode

Cardin galt neben Paco Rabanne und Andre Courreges als Erfinder der futuristischen Mode. So schickte er Anfang der 1960er Jahre seine Mannequins in astronautenähnlichen Anzügen und mit Helm über den Laufsteg. Bis ins hohe Alter hinein entwarf er Kollektionen. Zu seinen erfolgreichsten Kreationen gehörten geometrisch geschnittene Minikleider mit Schießscheibenmustern und Röcke mit Vinylstreifen.

Pierre Cardin, 2006
APA/AFP/Francois Guillot
Der Designer gilt als Miterfinder der futuristischen Mode

Seine Ideen zu seinen Kollektionen – sein erstes Haute-Couture-Defilee präsentierte er 1953 – kamen ihm entweder auf der Straße oder nachts, im Unterbewusstsein. „Wenn es Nacht ist, sehe ich Formen, Materialien, Farben. Ich wache auf, mache das Licht an, zeichne und schreibe“, wie er 2008 der „Welt am Sonntag“ offenbarte. Dass man ihn in seiner Branche das „Enfant terrible“ nannte, hatte ihn nie gestört.

Geschäfte bis nach China

Der Designer wurde am 2. Juli 1922 als Sohn eines französischen Weinhändlers in Italien geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging er nach Paris und begann als Modezeichner im Haus Paquin. Nur kurze Zeit später wechselte er zu Christian Dior, wo er 1947 bei der Kreation des legendären „New Look“ mitwirkte. Drei Jahre später gründete er sei eigenes Haute-Couture-Unternehmen.

Pierre Cardin, 1984
AP/Alexis Duclos
Cardin sorgte nicht nur mit seinen Entwürfen immer wieder für Aufsehen

Der kinderlose Branchenveteran war auch der erste Couturier, der eine Pret-a-porter-Kollektion auf den Markt brachte – und entwarf als Erster auch Mode für Männer. Bald schon stand er im Ruf, die besten Herrenanzüge und Kostüme von Paris herzustellen. Cardin war auch ansonsten seiner Zeit voraus: Er streckte früher als alle anderen seine Fühler nach der ehemaligen Sowjetunion aus und entdeckte früher als alle den chinesischen Markt. Für China entwarf er schließlich auch Uniformen und präsentierte dort neue Kollektionen.

Die Trauer über sein Ableben ist groß: „Sein brillantes und reichhaltiges Schaffen wird auf dem Gebiet der Mode und der Haute Couture, aber darüber hinaus auf allen künstlerischen Gebieten bleibende Spuren hinterlassen“, so reagierte Frankreichs ehemaliger Kulturminister Jack Lang. Er sei „jemand, der alles in der Mode, wie wir sie heute kennen, erfunden hat“, sagte die Pariser Stil-Ikone Sophie Fontanel dem Sender Franceinfo.