Soldaten vor einem eingestürzten Haus
APA/EPA/Damir Sencar
Tote bei Beben in Kroatien

Weitere Erdstöße, Suche nach Verschütteten

Sieben Tote und Dutzende Verletzte hat das starke Erdbeben Dienstagmittag in Kroatien gefordert, dessen Ausläufer auch in Ostösterreich noch deutlich spürbar waren. In den schwer betroffenen Orten in Zentralkroatien verbrachten viele Menschen die Nacht im Freien oder in ihren Autos – aus Angst vor Nachbeben. Und tatsächlich gab es Mittwochfrüh weitere Erdstöße.

Registriert wurden im Gebiet um die Kleinstädte Sisak und Petrinja – die Orte waren auch beim Beben am Vortag zentral betroffen. Das European-Mediterranean Seismological Centre (EMSC) gab die Stärke des stärksten Erdstoßes mit 4,8 an – zudem wurden noch zwei weitere nennenswerte Beben registriert. Die Epizentren lagen erneut rund 45 Kilometer südöstlich von Zagreb. Die Nachbeben waren auch in Slowenien spürbar.

„Was noch nicht von den Ruinen der Stadt heruntergefallen ist, ist jetzt heruntergefallen“, sagte der Bürgermeister von Petrinja, Darinko Dumbovic, im öffentlich-rechtlichen HRT. Insgesamt seien in den vergangenen 49 Stunden in Kroatien 38 Erdstöße verzeichnet worden, berichtete das Nachrichtenportal Jutarnji.hr.

Frau nach Stunden aus Schutt geborgen

Derweil wurde in den Trümmern mit Spürhunden nach Verschütteten gesucht – nachts wurden von Einheiten der Bergrettung etwa 80 Objekte auf mögliche Verschüttete überprüft. So etwa in Petrinja, wo zahlreiche Häuser im Stadtzentrum in sich zusammenfielen und ein zwölfjähriges Mädchen ums Leben kam.

Kroatische Medien berichteten aber auch über eine geglückte Rettung: So konnte am Dienstag eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung von Petrinja, die stundenlang in ihrem Büro verschüttet war, geborgen werden. Die Hunde hatten sie unter dem Schutt aufgespürt, Rettungskräfte hatten laut Medienberichten vier Stunden benötigt, um sie zu bergen.

Petrinja ist nur knapp 50 Kilometer vom Epizentrum entfernt und wurde durch das Beben der Stärke 6,3 (laut EMSC) stark beschädigt. Neben Rettungskräften waren auch 130 Soldaten im Einsatz. Die Hälfte der Stadt mit ihren rund 25.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sei zerstört, sagte der Bürgermeister von Petrinja, Darinko Dumbovic. Auch die Militäreinheiten, die in Petrinja stationiert sind, halfen bei der Bergung.

Bagger räumt Schutt bei einem eingestürztem Haus weg
Reuters/Antonio Bronic
Mit einem Bagger wurde Schutt aus den Straßen von Petrinja entfernt

Viele Menschen verbrachten Nacht im Freien

Viele Menschen verbrachten die Nacht in Wagen oder Zelten. Um sich warmzuhalten, entzündeten sie Feuer im Freien. Wasser, Essen und Decken wurden verteilt. Obwohl Notunterkünfte organisiert wurden, blieben viele bei ihren zerstörten Häusern.

„Glücklicherweise ist es derzeit ein milder Winter“, sagte ein Bewohner von Petrinja zum Nachrichtenportal 24sata, der zusammen mit seiner Familie die Nacht im Auto vor seinem Haus verbrachte. Wie er betonte, könne man das auf Dauer nicht aushalten. „Wir haben zehn Decken im Auto gehabt, es war aber trotzdem kalt“. Viele Bewohner der Gegend haben bereits zum zweiten Mal ihr Haus verloren, nachdem sie erstmals im Kroatien-Krieg (1991–1995) getroffen wurden.

Vor allem Ältere wollten ihr Heim nicht verlassen. „Wir konnten einige Bewohner nicht davon überzeugen, ihre zerstörten Häuser zu verlassen. Sie blieben am Feuer in ihren Höfen“, sagte eine Mitarbeiterin des Roten Kreuzes zum kroatischen Fernsehen HRT. In den Dörfern konnten viele nicht weg, weil sie sich um ihr Vieh kümmern müssen, so die Vizebürgermeisterin von Glina, Branka Baksic Mitic, laut Nachrichtenportal „Index“.

Fünf Tote allein in Majske Poljane

Mindestens fünf Leben hatte das Beben am Dienstag im Dorf Majske Poljane in der Nähe von Glina gefordert. Ein weiteres, siebentes Todesopfer gab es laut Medien in einer eingestürzten Kirche nahe Sisak. Rund 20 Menschen wurden verletzt. Das zweite Beben innerhalb von zwei Tagen hinterließ im rund 20 Kilometer vom Epizentrum entfernten Glina immense Zerstörungen. In der Gegend sei kaum ein Haus unbeschädigt geblieben, hieß es.

Bilder der Zerstörung

Das Militär half mit Transportflugzeugen bei der Evakuierung von Patienten aus dem Spital in der ebenfalls stark betroffenen Stadt Sisak. Beinahe alle Gebäude im dortigen Allgemeinkrankenhaus wurden beschädigt, sodass Patientinnen und Patienten, darunter auch Covid-19-Erkrankte, nach Zagreb gebracht werden mussten. Soldaten halfen auch bei Evakuierung von Patienten aus der Pneumologieklinik in Petrinja.

Erhebliche Schäden wurden auch aus der nahe gelegenen Stadt Sisak vermeldet, die rund 15 Kilometer entfernt von Petrinja liegt. Das Krankenhaus musste geräumt werden, alle bis auf ein Gebäude seien durch das Beben beschädigt worden, Patientinnen und Patienten wurden nach Zagreb gebracht, hieß es. Nach Angaben des Gesundheitsministers Vili Beros soll die Armee beim Transport aushelfen. Das Krankenhaus in Sisak hat trotzdem 20 verletzte Personen aus Petrinja aufgenommen, darunter zwei Schwerverletzte.

Zerstörung nach Erdbeben in Kroatien
AP
Die Kleinstadt Petrinja wurde schwer von dem Beben getroffen

Starkes Beben schon am Vortag

Am Montag waren im selben Gebiet Erdstöße der Stärke 5,2 und 5,0 verzeichnet worden, im März hatte ein Erdbeben der Stärke 5,4 in Zagreb große Schäden angerichtet. Eine Jugendliche war damals gestorben, mehr als zwei Dutzend Menschen waren verletzt worden.

Als Folge des Erdbebens am Montag wurde im benachbarten Slowenien das Atomkraftwerk Krsko abgeschaltet. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, sagte eine Sprecherin der Anlage am Dienstag. Krsko ist das einzige slowenische Atomkraftwerk und liegt rund hundert Kilometer östlich der Hauptstadt Ljubljana. In der Steiermark wächst unterdessen aktuell wieder die Sorge – mehr dazu in steiermark.orf.at. Der 700-Megawatt-Reaktor wurde während der jugoslawischen Ära gebaut und 1983 in Betrieb genommen.

Zerstörung nach Erdbeben in Kroatien
APA/AFP/Denis Lovrovic
Im Zentrum des Bebens blieb praktisch kein Haus unbeschädigt

12.000 Wahrnehmungsberichte bei ZAMG eingegangen

Das Beben war auch in vielen Regionen Österreichs spürbar. Bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) langten bis Mittwoch nicht weniger als 12.000 Wahrnehmungsberichte ein. Vor allem im Südosten der Steiermark und in Kärnten wurden die Erschütterungen zum Teil kräftig wahrgenommen. Die meisten Personen reagierten aufgeregt oder erschrocken, so die ZAMG.

Weniger als sechs Prozent gaben an, ihr Haus verlassen zu haben, oder beobachteten, wie sich kleine Gegenstände verschoben. Vereinzelt wurden auch das Auftreten von Haarrissen im Verputz bzw. kleine Risse gemeldet. Aus Wien wurden zahlreiche Wahrnehmungen über ein lang andauerndes Schwanken des Gebäudes – besonders in hohen Stockwerken – und über ein Pendeln von hängenden Objekten wie Christbaumschmuck und Luster gemacht.

Auch in einigen Gebieten Italiens war das Erdbeben zu spüren, wie die italienische Zivilschutzbehörde mitteilte. Auf Twitter schrieben zahlreiche italienische User, sie hätten das Beben gespürt.

2020 deutlich mehr Beben in Österreich spürbar

Mit 69 Beben waren in diesem Jahr deutlich mehr Erdbeben in Österreich spürbar als normalerweise. Davon waren 60 „heimische“ sowie fünf Erdstöße aus den Nachbarländern Italien, Slowenien und der Schweiz sowie vier aus Kroatien, die hierzulande wahrnehmbar waren. Insgesamt wurden 2020 laut der am Dienstag veröffentlichten ZAMG-Bilanz 1.465 Erdbeben in Österreich lokalisiert.

Die am stärksten spürbaren Ereignisse des Jahres waren jenes am 22. März bei Zagreb (Kroatien) und das Beben am 8. August bei Zams (Tirol). Sie wurden von Tausenden Menschen zum Teil kräftig wahrgenommen. Gemeldet wurden jedoch nur leichte Gebäudeschäden wie etwa Verputzrisse.

Papst betet für Todesopfer und ihre Familien

Unterdessen drückte Papst Franziskus seine Solidarität mit den Opfern in Kroatien aus. Er bete für die Todesopfer und ihre Familien sowie für die vielen Verletzten, sagte der Heilige Vater bei der Generalaudienz am Mittwoch. Der Papst äußerte die Hoffnung, dass die kroatischen Behörden mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft der vom Erdbeben betroffenen Bevölkerung Hilfe leisten können.