Zerstörtes Haus in Prokopa
Reuters/Antonio Bronic
Erdbeben in Kroatien

Mehr als 1.000 Gebäude komplett zerstört

Nach dem verheerenden Erdbeben am Dienstag in Kroatien, das sieben Menschenleben forderte, liegt eine erste Schätzung zum Ausmaß des Schadens vor. Mehr als 1.000 Gebäude im Gebiet der Städte Petrinja, Sisak und Glina seien komplett zerstört worden, mindestens so viele seien beschädigt. Das sagte der Verantwortliche der Region Sisak-Moslavina, Ivo Zinic, am Mittwoch zum Regionalsender N1.

Meldungen über Vermisste gebe es vorerst keine. Nachdem die Rettungskräfte auch die entferntesten Dörfer überprüft hätten, würden die endgültigen Opferzahlen feststehen, so Zinic. Bei dem Erdbeben starben am Dienstag sieben Menschen, nach Angaben des Innenministeriums wurden mindestens 26 Menschen verletzt, sechs davon schwer. Die Regierung erklärte den 2. Jänner zum nationalen Trauertag. Außerdem wurden für den ersten Hilfebedarf umgerechnet 16 Mio. Euro bereitgestellt.

Bilder aus den betroffenen Gebieten, die ohnehin zu den ärmsten Teilen des Landes zählen, zeigten enorme Schäden. Zahlreiche Häuser sind dem Boden gleichgemacht. Die Zerstörung wurde vielfach mit dem Kroatien-Krieg (1991–1995) verglichen, viele Menschen haben nach dem Krieg nun zum zweiten Mal ihre Häuser verloren. In Glina und Umgebung gab es am Mittwoch keine Wasserversorgung, wegen beschädigter Leitungen waren Teile der schwer betroffenen 25.000-Einwohner-Stadt Petrinja nach wie vor ohne Strom.

Mann steht vor zerstörtem Haus in Majske Poljane
APA/AFP/Damir Sencar
Ein Mann vor seinem völlig zerstörten Haus in Majske Poljane – in diesem Ort starben fünf Menschen

Frau nach Stunden aus Schutt geborgen

Derweil wurde in den Trümmern mit Spürhunden nach Verschütteten gesucht – nachts wurden von Einheiten der Bergrettung etwa 80 Objekte auf mögliche Verschüttete überprüft. So etwa in Petrinja, wo zahlreiche Häuser im Stadtzentrum in sich zusammenfielen und ein zwölfjähriges Mädchen ums Leben kam. Petrinja ist nur knapp 50 Kilometer vom Epizentrum des Bebens der Stärke 6,3 (laut EMSC) entfernt.

Kroatische Medien berichteten am Mittwoch aber auch über eine geglückte Rettung: So konnte am Dienstag eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung von Petrinja, die stundenlang in ihrem Büro verschüttet war, geborgen werden. Die Hunde hatten sie unter dem Schutt aufgespürt, Rettungskräfte hatten laut Medienberichten vier Stunden benötigt, um sie zu bergen.

Menschen übernachteten aus Angst in ihren Autos

In Petrinja haben laut Medien rund 500 Menschen, deren Häuser zerstört wurden, die Nacht in Notunterkünften verbracht, viele davon in der dortigen Kaserne. Andere kamen bei Verwandten unter, ein Teil der Bevölkerung blieb allerdings bei ihren Häusern. Die Nacht verbrachten sie im Freien oder in ihren Autos. Auch in Sisak blieben die meisten Bewohner bei ihren beschädigten Häusern, rund 130 nützten die Notunterkünfte, die in den Sporthallen von dortigen Schulen errichtet wurden. Mehr als 300 Krankenhauspatienten und Bewohner von Altersheimen wurden aus Sisak und Petrinja nach Zagreb evakuiert.

Menschen durchsuchen nach Erdbeben Trümmer
AP
Suchtrupps inmitten von Schutt im schwer getroffenen Ort Majska Poljana

Viele Hilfsangebote

Hilfe für das betroffene Gebiet langte aus allen Teilen Kroatiens sowie auch aus dem Ausland ein. Zahlreiche Freiwillige trafen ein, um zu helfen. Die Behörden haben diese aufgerufen, nicht mehr nach Petrinja und Sisak zu kommen. „Trotz ihrer guten Absichten erschwert das Gedränge die Arbeit der Rettungsdienste“, twitterte das Innenministerium. In den abgelegenen Dörfern freute man sich unterdessen über die Freiwilligen, die bei den Aufräumarbeiten helfen.

Mehrere Nachbeben am Mittwoch

Für anhaltende Furcht sorgten mehrere Nachbeben Mittwochfrüh. Registriert wurden sie wiederum in den bereits am Vortag stark zerstörten Städten Sisak und Petrinja. Das European-Mediterranean Seismological Centre (EMSC) gab die Stärke des stärksten Erdstoßes mit 4,8 an – zudem wurden noch zwei weitere nennenswerte Beben registriert. Die Epizentren lagen erneut rund 45 Kilometer südöstlich von Zagreb. Die Nachbeben waren auch in Slowenien spürbar.

„Was noch nicht von den Ruinen der Stadt heruntergefallen ist, ist jetzt heruntergefallen“, sagte der Bürgermeister von Petrinja, Darinko Dumbovic, im öffentlich-rechtlichen HRT. Insgesamt seien in den vergangenen 49 Stunden in Kroatien 38 Erdstöße verzeichnet worden, berichtete das Nachrichtenportal Jutarnji.hr am Vormittag.

Starkes Beben schon am Vortag

Am Montag waren im selben Gebiet Erdstöße der Stärke 5,2 und 5,0 verzeichnet worden, im März hatte ein Erdbeben der Stärke 5,4 in Zagreb große Schäden angerichtet. Eine Jugendliche war damals gestorben, mehr als zwei Dutzend Menschen waren verletzt worden.

Als Folge des Erdbebens am Montag wurde im benachbarten Slowenien das Atomkraftwerk Krsko abgeschaltet. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, sagte eine Sprecherin der Anlage am Dienstag. Krsko ist das einzige slowenische Atomkraftwerk und liegt rund hundert Kilometer östlich der Hauptstadt Ljubljana. In der Steiermark wächst unterdessen aktuell wieder die Sorge – mehr dazu in steiermark.orf.at. Der 700-Megawatt-Reaktor wurde während der jugoslawischen Ära gebaut und 1983 in Betrieb genommen.

Zerstörung nach Erdbeben in Kroatien
APA/AFP/Denis Lovrovic
Im Zentrum des Bebens blieb praktisch kein Haus unbeschädigt

12.000 Wahrnehmungsberichte bei ZAMG eingegangen

Das Beben war auch in vielen Regionen Österreichs spürbar. Bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) langten bis Mittwoch nicht weniger als 12.000 Wahrnehmungsberichte ein. Vor allem im Südosten der Steiermark und in Kärnten wurden die Erschütterungen zum Teil kräftig wahrgenommen. Die meisten Personen reagierten aufgeregt oder erschrocken, so die ZAMG.

Weniger als sechs Prozent gaben an, ihr Haus verlassen zu haben, oder beobachteten, wie sich kleine Gegenstände verschoben. Vereinzelt wurden auch das Auftreten von Haarrissen im Verputz bzw. kleine Risse gemeldet. Aus Wien wurden zahlreiche Wahrnehmungen über ein lang andauerndes Schwanken des Gebäudes – besonders in hohen Stockwerken – und über ein Pendeln von hängenden Objekten wie Christbaumschmuck und Luster gemacht.

2020 deutlich mehr Beben in Österreich spürbar

Mit 69 Beben waren in diesem Jahr deutlich mehr Erdbeben in Österreich spürbar als normalerweise. Davon waren 60 „heimische“ sowie fünf Erdstöße aus den Nachbarländern Italien, Slowenien und der Schweiz sowie vier aus Kroatien, die hierzulande wahrnehmbar waren. Insgesamt wurden 2020 laut der am Dienstag veröffentlichten ZAMG-Bilanz 1.465 Erdbeben in Österreich lokalisiert.

Die am stärksten spürbaren Ereignisse des Jahres waren jenes am 22. März bei Zagreb (Kroatien) und das Beben am 8. August bei Zams (Tirol). Sie wurden von Tausenden Menschen zum Teil kräftig wahrgenommen. Gemeldet wurden jedoch nur leichte Gebäudeschäden wie etwa Verputzrisse.