Bundeskanzler Sebastian Kurz
ORF
48 Stunden bis eine Woche

Kurz gibt erste Details zum „Freitesten“

Mit 18. Jänner sollen Geschäfte und Lokale wieder öffnen und auch Veranstaltungen wieder stattfinden können. Wer sich testet, darf daran teilnehmen. Alle anderen müssen sich noch bis zum 24. Jänner an die Lockdown-Regeln halten. Wie dieses „Freitesten“ kontrolliert werden soll, hat zuletzt für heftige Debatten gesorgt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat Mittwochabend in der ZIB2 erste konkrete Details genannt.

So sollen Veranstalter von Kultur- und Sportevents von den Besuchern und Besucherinnen und in Hotels, gemeinsam mit dem Vorweisen der Tickets oder dem Meldezettel den negativen Test verlangen, der nicht älter als 48 Stunden ist. „Dafür ist der Betreiber verantwortlich“, sagte Kurz. Das sei die einzige Möglichkeit, diese Branchen wieder hochzufahren.

In der Gastronomie sei das schwieriger. Kurz: „Hier werden Gesundheitsbehörden Stichproben durchführen, und sie können auf die Hilfe anderer Behörden wie zum Beispiel von der Polizei zurückgreifen.“ Es sei allerdings ein „Irrglaube“, dass die Gastronomie am 18. Jänner rund um die Uhr aufmachen werde. Dafür werde es noch andere Sicherheitskonzepte brauchen. Dafür sei aber in der Gastronomie auch ein Testergebnis, das bis zu einer Woche zurückliegen kann, möglich.

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Mit einem Rückblick zum Jahreswechsel analysiert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Interview mit ZIB2-Moderator Martin Thür den Umgang mit der Coronavirus-Pandemie.

Kritik von SPÖ und aus Kulturbereich

Von der SPÖ und aus dem Kulturbereich kam am Donnerstag scharfe Kritik am Kanzler. SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda sah „erneut eine massive Schlechterstellung der Kultur gegenüber der Gastronomie“, wie das schon im Frühjahr mit den Quadratmeter-Regeln der Fall gewesen sei. Auch die geplante Beschränkung der Kulturveranstaltungen auf den Nachmittag sei eine Katastrophe für die Kultur, „weil damit fünf von sieben Vorstellungstagen in der Woche de facto wegfallen. Wer kann schon am Mittwoch um 15.00 Uhr ins Theater gehen?“, so Drozda.

All das sei die Konsequenz „fehlenden Verständnisses von Türkis-Grün für die Bedeutung von Kunst und Kultur für die Gesellschaft und mangelnden Respekts vor den Menschen, die in diesem Bereich tätig sind. Sie haben in dieser Regierung einfach keine Lobby.“

Als „demokratie- und kulturpolitisch unverträglich“ bezeichnete die IG Autorinnen Autoren die Gesundheitskontrolle bei Kulturveranstaltungen. „Wenn es das Ziel der Regierung war, den Kunst- und Kulturbetrieb stufenweise wieder zuzulassen, so sollte sie sich auf diese Aufgabe konzentrieren und sich damit beschäftigen, wie die nächsten Schritte aussehen können und nicht, welche Spezialrestriktionen sie dem Kunst- und Kulturbetrieb noch auferlegen kann, um ihn möglichst lange, möglichst stark zu behindern“, so Geschäftsführer Gerhard Ruiss.

Ex-Verfassungsrichter skeptisch

Zuvor hatten einige Verfassungsexperten das „Freitesten“ als problematisch angesehen. Ex-Verfassungsrichter Rudolf Müller warnte etwa, dass das geplante „Freitesten“ verfassungswidrig sein könnte. Für die Besserstellung Getesteter müsste der Antigen-Test eine dem Lockdown vergleichbare Wirkung haben. Aber er bietet nur eine Momentaufnahme der Viruslast. Daher sei er ungeeignet, die Bewegungsfreiheit für eine ganze Woche sachlich zu rechtfertigen. Von 15. bis 17. Jänner sollen wieder Massentests angeboten werden.

Es sei „keine Überraschung“, so Kurz, dass einige Verfassungsexperten das skeptisch sehen. Es sei nie vorhersehbar, wie der Verfassungsgerichtshof entscheide, weil im Gremium die Mehrheit entscheide. Die Regierung habe zuletzt intensiv an einem ausgeklügelten Modell des „Freitestens“ gearbeitet: „Wenn wir nicht die nächsten Monate im Lockdown verbringen wollen, müssen wir auf Tests setzen“, appellierte Kurz.

Details zum „Freitesten“ weiter unklar

Der harte Lockdown gilt bis zum 24. Jänner. Alle mit einem negativen Testergebnis sollen aber schon ab 18. Jänner wieder Gastronomie und Kultur nutzen dürfen. Die Regeln für das Testen um mehr Bewegungsfreiheit sind noch unklar, Verfassungsexperten melden bereits Bedenken an.

Debatte über Kontrollen

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte für kommende Woche eine Verordnung mit der Regelung zum „Freitesten“ angekündigt. Bereits am Mittwoch hatte der „Kurier“ aus einem Entwurf erste Details berichtet – sehr zum Ärger von NEOS: „Dass Medien den Begutachtungsentwurf zum Freitesten wieder einmal vor dem Parlament bekommen, ist kein gutes Zeichen für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament im kommenden Jahr.“

NEOS-Klubobmann Niki Scherak vermisst klare Regeln, wie die Kontrollen durchgeführt werden sollen. Auch die FPÖ kritisierte, dass die „Corona-Testpflicht in Österreich jetzt Realität“ werde. Laut den Medienberichten sollen nicht nur Kulturveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen und der Gastronomiebesuch von der Testpflicht umfasst sein, sondern auch Veranstaltungen im privaten Bereich. Ein offizieller Entwurf für die notwendige Gesetzesänderung lag bis zum späten Abend am Mittwoch noch nicht vor.

In den vergangenen Tagen hat es dazu heftige Debatten gegeben – auch ÖVP-intern. ÖVP-Innenminister Karl Nehammer hat ausgeschlossen, dass die Polizei in Geschäften oder Lokalen auf Freitests kontrolliert, aber ÖVP-Wirtschaftsvertreter waren strikt dagegen, das den Unternehmen umzuhängen – genauso wie ÖVP-Tourismusministerin Elisabeth Köstinger. Auch die Wirte wehrten sich – mehr dazu in tirol.ORF.at. Nun wurde offenbar ein Kompromiss gefunden – die Gastronomen müssen nicht selbst kontrollieren, die Hoteliers und Veranstalter von Kultur- und Sportevents schon.

Kaiser vermisst rechtliche Grundlagen

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hatte sich schon zuvor skeptisch gezeigt, dass ein Test nicht älter als 48 Stunden sein dürfe. Das soll nun bei Veranstaltungen laut Kurz die Regel werden. Kaiser vermisst dafür die rechtlichen Grundlagen. Laut Kaiser ist auch in Diskussion, dass in Betrieben, die ihre Mitarbeiter testen, auch Bestätigungen ausgestellt werden können – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

In einer Videokonferenz zwischen der Regierung und den Landeshauptleuten sei zudem geplant, dass in Bezirken, die eine 7-Tage-Inzidenz von 150 überschreiten, Massentests zwingend vorgeschrieben werden sollen.

Blockade im Bundesrat offen

Die Opposition könnte der Regierung einen Strich durch das Vorhaben machen, durch „Freitesten“ ein persönliches Lockdown-Ende per 18. Jänner zu ermöglichen. Ob sie diese Regelung im Bundesrat geschlossen blockiert und damit de facto verhindert, steht noch nicht fest. Bisher lehnt nur die FPÖ das „Freitesten“ klar ab. SPÖ und NEOS warten noch auf den Gesetzesentwurf – und fordern die Regierung bzw. die intern uneinige ÖVP auf, klar zu sagen, was gewollt ist.

Um vor der Testphase noch in Kraft zu treten, muss das Gesetz im Parlament vor dem 15. Jänner beschlossen werden. Mit einem geschlossenen Nein im Bundesrat kann die Opposition das verhindern, denn dann ist die Regelung auf Wochen blockiert.