Queen Elizabeth II
Reuters/ Ben Stansall
Queen stimmt Gesetz zu

Brexit vor Vollzug

Großbritannien schließt um Mitternacht den Brexit endgültig ab. Dann endet nach einer elfmonatigen Übergangsphase seit dem Austritt aus der EU auch die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Das britische Parlament billigte am Mittwoch den Post-Brexit-Handelspakt zwischen Großbritannien und der EU. Anschließend stimmte Königin Elizabeth II. dem Ratifizierungsgesetz zu und setzte es damit in Kraft.

Der Deal, den Premierminister Boris Johnson nach langen Verhandlungen am Heiligen Abend mit der EU vereinbart hatte, soll einen harten Bruch mit der Staatengemeinschaft vermeiden. Um Mitternacht am 1. Jänner wird der britische EU-Austritt nach dem Ende der Übergangsfrist auch wirtschaftlich vollzogen.

Wichtigster Punkt in dem Abkommen ist, dass im Warenhandel auch künftig keine Zölle und Mengenbeschränkungen gelten. Zudem regelt der knapp 1.250 Seiten umfassende Vertrag viele weitere Themen, darunter Fischfang und Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz und Polizei.

Dennoch gibt es große Änderungen: So werden an den Grenzen künftig Kontrollen nötig, weil Standards überprüft werden müssen, unter anderem bei Agrarprodukten. Für Bürgerinnen und Bürger ist die Möglichkeit des einfachen Umzugs vorbei. Auch die Visafreiheit bei Reisen ist künftig zeitlich begrenzt. Großbritannien steigt außerdem aus dem Studierendenaustauschprogramm Erasmus aus. Das EU-Parlament muss dem Pakt noch zustimmen.

Post-Brexit-Deal von Queen abgesegnet

Mit Jahreswechsel tritt das Handelsabkommen in Kraft, das die Europäische Union mit den Briten für die Zeit nach dem Brexit verhandelt hat. Nun segnete auch die Queen den Pakt ab.

Ablehnung in Schottland

Das schottische Parlament lehnte den Handelspakt am Mittwoch ab. Die Abgeordneten stimmten mit 92 zu 30 Stimmen für eine Entschließung, nach der das Abkommen „Schottlands ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen ernsthaften Schaden“ zufüge. Das Votum hat keinen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess im britischen Parlament in London.

Britischer Premierminister Boris Johnson
AP/Alberto Pezzali
Schottland lehnt den von Johnson ausgehandelten Deal ab

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte zuvor gefordert, die Abgeordneten sollten gegen den „faulen Brexit, den Schottland die ganze Zeit abgelehnt hat“ stimmen. Der Brexit-Handelspakt, den Johnson mit der EU-Kommission vereinbart hatte, biete keine Vorteile, nur erhebliche Nachteile. Schottlands Stimme sei zu jedem Zeitpunkt ignoriert worden. Auch die nordirische Versammlung lehnte den Vertrag ab.

Der walisische Regierungschef Mark Drakeford nannte den Vertrag „enttäuschend“: „Für unsere Bürger bedeutet er längere Schlangen an Flughäfen, Visa für längere Reisen, teurere Mobilfunkkosten. Weniger Menschen aus der EU, die in unserem Gesundheits- und Sozialhilfewesen arbeiten und sich um Leute in Not kümmern“, sagte Drakeford. Wie Sturgeon warf er Johnsons Regierung „Kulturvandalismus“ vor, weil sie aus Erasmus aussteigt.

Gibraltar wird Teil des Schengen-Raums

Nicht im Abkommen festgelegt wurde die weitere Vorgangsweise mit dem britischen Überseegebiet Gibraltar. Spanien und Gibraltar verhandelten fast bis zum letzten Augenblick bilateral darüber. Donnerstagnachmittag teilte dann Außenministerin Arancha Gonzalez Laya mit, dass die beiden Staaten eine Grundsatzeinigung erzielt hätten. So soll Gibraltar dem Schengen-Raum beitreten. Damit werde vermieden, dass die Grenze zwischen Spanien und Gibraltar am Südzipfel der Iberischen Halbinsel ab dem 1. Jänner 2021 zu einer undurchlässigen EU-Außengrenze werde, so Gonzalez.

Die spanische Außenministerin hatte zuvor davor gewarnt, dass sich an der Grenze zu Gibraltar in kleinerem Maßstab ähnliche Szenen wie beim Lastwagenstau vor Dover in Großbritannien wiederholen könnten. Rund um Weihnachten hatten Tausende von Fernfahrern tagelang in ihren Lastwagen ausharren müssen, weil Frankreich die Grenze überraschend geschlossen und von allen Einreisenden einen negativen Coronavirus-Test verlangt hatte.

Noch kein Chaos am Ärmelkanal erwartet

Inzwischen löste sich der Rückstau am Ärmelkanal allerdings wieder auf. Und auch für die kommenden Tage rechnen die Verantwortlichen nicht damit, dass es zu einem Verkehrschaos kommen wird. „Ich bin zuversichtlich, dass am 1. Jänner alles gut klappen wird“, sagte John Keefe, der Chef von Getlink, einem der im Eurotunnel zwischen Großbritannien und Frankreich aktiven Zugbetreiber, nach Angaben der britischen BBC.

Sophie Roupetz (ORF) aus Dover

Sophie Roupetz (ORF) berichtet über die Stimmung in der Küstenstadt Dover, wenige Stunden bevor der Brexit zum Jahreswechsel vollzogen wird.

„Ich denke nicht, dass sich der Verkehr vor der ersten oder zweiten Jänner-Woche stauen wird. Diese ruhige Anfangsphase ermöglicht es allen, sich vorzubereiten“, so Keefe. Das englische Logistikunternehmen Youngs Transport and Logistics kündigte der BBC zufolge an, seine Transporte in den ersten Jänner-Tagen auszusetzen und zunächst die Lage zu beobachten. Viele andere könnten diesem Beispiel folgen.

Österreich zufrieden mit Abkommen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bedankte sich auf Twitter bei EU-Chefverhandler Michel Barnier für seine unermüdliche Arbeit. Auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck begrüßte die Unterzeichnung des Abkommens. „Österreichische Firmen werden auch nach dem 31.12.2020 weiterhin eine bedeutende Rolle am Markt des Vereinigten Königreichs spielen“, so Schramböck. „Das Vereinigte Königreich ist und bleibt ein wichtiger Partner für uns in Europa – der Brexit ist ein Abschied, aber nicht das Ende langjähriger guter wirtschaftlicher Beziehungen.“

EU-Parlament: Deal „fair und ausgewogen“

Der Brexit-Beauftragte des Europäischen Parlaments, David McAllister, wertete den Handelspakt der EU mit Großbritannien angesichts der schwierigen Umstände als guten Kompromiss. Der Deal sei „umfassend, fair und ausgewogen“, sagte der CDU-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag-Ausgabe).

„Unsere künftige Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich steht damit auf einer soliden und rechtlich abgesicherten Grundlage, mit der Perspektive, unsere Beziehungen weiter zu vertiefen.“ Die fairen Wettbewerbsbedingungen seien „rechtlich verbindlich präzisiert worden“, lobte McAllister.