Testteilnehmer im Rahmen eines Aufnahmetests für das Medizinstudium
APA/Martin Hörmandinger
IHS-Studie

Aufnahmetest bei Medizin als sozialer Filter

Die 2005 eingeführten Zugangsbeschränkungen an den Unis haben in den betroffenen Fächern zu einer höheren Erfolgsquote und Prüfungsaktivität geführt, aber nicht zu mehr Abschlüssen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Evaluierung des Instituts für Höhere Studien (IHS). Vor allem im Medizinstudium wirkt das Aufnahmeverfahren wie ein sozialer Filter, der Akademikerkinder bevorzugt. Das Bildungsministerium will nun bei Letzterem „genau hinschauen“.

In einem Fazit halten die Studienautorinnen und -autoren fest, dass die Beschränkungen einen „Trade-off“ mit sich bringen: Gibt es einen selektiven Aufnahmetest, haben die dabei Erfolgreichen nachher bessere Studienbedingungen, eine höhere Erfolgsquote und niedrigere Drop-out-Raten. Umgekehrt sinkt die Gesamtzahl der Abschlüsse (weil ja viele potenzielle Absolventinnen und Absolventen an der Aufnahme scheitern), außerdem gibt es in manchen Studien unerwünschte soziale Effekte.

Das bedeute, dass „die oft geäußerte Vermutung, durch Aufnahmeverfahren mit selektivem Test würden jene nicht zugelassen, die ohnehin nicht erfolgreich gewesen wären, nicht bestätigt werden kann“.

Künftig weniger Absolventen

Eine geringere Zahl an Abschlüssen bei einer gleichzeitig geringen Drop-out-Rate bedeute, dass auch früher erfolgreiche Studierende heute nicht mehr aufgenommen werden. „Insbesondere in den Studienfeldern, in denen österreichweit Aufnahmeverfahren implementiert wurden, ist somit damit zu rechnen, dass die Anzahl der AbsolventInnen in Zukunft niedriger als vor Einführung der Aufnahmeverfahren sein wird“, heißt es in der Studie.

Das IHS hält in seiner Evaluierung dabei fest, dass es „die“ Aufnahmeverfahren so nicht gibt, da sie sich je nach Studium in der Ausgestaltung und damit in den Auswirkungen unterscheiden. So sind sie etwa unterschiedlich selektiv: In der Medizin erhalten nur sehr wenige Aufnahmewerber einen Platz, in anderen Studien praktisch alle. In manchen Studien verringerte sich die Anzahl der begonnenen Studien durch die Einführung von Aufnahmeverfahren sehr stark (Medizin, Psychologie, Publizistik, Wirtschaft, Architektur, Informatik), in manchen Studien hingegen nur wenig (Biologie, Pharmazie). Nicht zuletzt unterscheiden sich die einzelnen Studien in der Ausgestaltung der Aufnahmeverfahren.

Weniger Medizinstudenten aus Nichtakademiker-Familien

„Kritisch“ sieht das IHS vor allem den Rückgang der Studierenden aus nicht akademischem Elternhaus in der Medizin und Veterinärmedizin nach Einführung der Zugangsbeschränkungen. In der Medizin sank sowohl die Zahl der Studienanfänger mit Eltern ohne Matura (von rund 30 bis 35 Prozent vor der Beschränkung auf 20 bis 25 Prozent) als auch jene der Absolventen mit Eltern ohne Matura (von rund 30 Prozent auf rund 20 Prozent).

Umgekehrt hätten die Aufnahmeverfahren aber auch dazu geführt, dass sich die Erfolgsquoten nicht nach der Elternbildung unterscheiden – vor Einführung des Aufnahmetests studierten Akademikerkinder erfolgreicher als ihre Kommilitonen aus Nichtakademiker-Haushalten.

Ministerium: „Effekte so nicht intendiert“

Im Bildungsministerium will man daher vor allem in der Medizin und eventuell auch in der Veterinärmedizin „genau hinschauen“. „Da gibt es durch die Aufnahmeverfahren Effekte, die so nicht intendiert sind“, betonte man gegenüber der APA.

Das IHS schlägt unter anderem vor, dass auch das Medizin-Aufnahmeverfahren nicht nur aus einem Test bestehen sollte, sondern ebenfalls aus Elementen, die der Studienberatung und Orientierung dienen. So sollten etwa Online-Self-Assessments eingesetzt werden. Außerdem sollten die Medizinunis im Internet und den Sozialen Netzwerken aktiv werden, um Halbwissen entgegenzutreten: „Alleine das ‚Gerücht‘, dass der MedAT nur mit teuren Vorbereitungskursen schaffbar sei, kann zur Abschreckung von finanziell schwächer Gestellten führen.“

Beschränkungen behindern lebenslanges Lernen

Weiters problematisch sieht das IHS den Rückgang von älteren Studienanfängern in fast allen Studien mit Aufnahmeverfahren – und zwar unabhängig von dessen Art. Insgesamt ist das Durchschnittsalter bei Studienbeginn in vielen Studien um 0,5 Jahre oder mehr gesunken. „Aufnahmeverfahren sind einem ‚Life Long Learning‘-Ansatz somit nicht förderlich.“

Frauenanteil bei Informatik noch geringer

Weitere Effekte der Verfahren: In der Informatik ist der geringe Frauenanteil bei den Studienanfängern weiter zurückgegangen (von 24 auf 20 Prozent). Und in manchen Studien abseits der Medizin und Veterinärmedizin sank der Anteil der Studienanfänger mit Eltern ohne akademischen Abschluss – etwa in der Pharmazie. Einschränkung: Auch als die Zugangshürde zuletzt abgeschafft wurde, blieb der Anteil auf dem niedrigeren Niveau.

Das sozial selektivste Studium ist übrigens Business and Economics an der Wirtschaftsuniversität: In diesem (neuen) Studium mit 240 Studienplätzen gibt es den niedrigsten Anteil aus nicht akademischem Elternhaus. Bereits unter den Studienwerbern ist der Anteil aus nicht akademischem Elternhaus mit 28 Prozent am niedrigsten – im Verlauf des Aufnahmeverfahrens sinkt ihr Anteil noch etwas, nämlich auf 22 Prozent unter den Studienanfängern.

Abgesehen von den genannten Studien führten die Aufnahmeverfahren aber nicht zu starken Verschlechterungen in der soziodemografischen Zusammensetzung der Studierenden. Medizin und Wirtschaft zählen freilich zu den Studien mit dem höchsten Prestige und den besten Berufsaussichten.