„Angesichts der immer noch zu hohen Zahlen ist es notwendig, die Maßnahmen, die Einschränkungen, zu verlängern“, sagte Spahn dazu in der TV-Sendung „RTL Aktuell“. Auf den Intensivstationen habe man gerade einen Höchstwert an CoV-Patienten. Man müsse jetzt unbedingt das Infektionsgeschehen senken und für längere Zeit niedrig halten. „Das ist besser, als zu früh zu lockern und dann möglicherweise in einigen Wochen schon wieder vor möglichen schwierigen Fragen zu stehen.“
Diese Meinung wird offenbar auch von den Vertretern der deutschen Bundesländer geteilt. Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) haben sich die Bundesländer am Samstagnachmittag in einer Telefonschaltung zur Vorbereitung der am Dienstag anstehenden Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits darauf geeinigt, den jetzigen Lockdown zu verlängern.
„Sicherlich bis Anfang Februar“
Uneinigkeit herrscht der Zeitung zufolge allerdings noch hinsichtlich der Dauer des Lockdowns und darüber, wie insbesondere mit Kindertagesstätten und Schulen weiter verfahren werden sollte. Vor allem die derzeit von der Coronavirus-Pandemie besonders stark betroffenen deutschen Bundesländer seien für eine Lockdown-Verlängerung bis zum 31. Jänner.
Zu ihnen gehörten dem Bericht nach Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen. Bremen, Hamburg und Hessen neigten dagegen dazu, schon früher neu zu entscheiden. Da auch der Bund die vorsichtigere Seite unterstütze, werde zumindest laut „Bild“-Zeitung der Lockdown „sicherlich bis Anfang Februar“ verlängert.
Vorgangsweise bei Schulöffnungen noch offen
Ähnlich seien die Trennlinien bei Schulen und Kindergärten verlaufen, berichtete die „FAZ“ weiter unter Berufung auf Teilnehmer der Bundesländer-Telefonkonferenz. Die stark betroffenen Länder wollten sie weiter geschlossen halten, die weniger stark betroffenen Länder überlegten, Kindergärten und Schulen bis zur siebenten Klasse ab dem 11. Jänner wieder zu öffnen. In höheren Klassen solle es dann Wechsel- oder Distanzunterricht geben.
Spahn sagte laut RTL, er halte eine weitere Schließung von Schulen und Kindergärten für richtig. Das sei für Schüler und Eltern zwar schwierig. „Aber auch da gilt: Es ist für alle leichter, jetzt eine Woche länger die Schulen zu zu haben, als sie aufzumachen und dann irgendwann in einigen Wochen wieder vor Debatten zu stehen.“
ZIB-Korrespondentin Verena Gleitsmann aus Berlin
Deutlicher Anstieg bei Infektionszahlen befürchtet
Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann sagte im Deutschlandfunk, die Zahlen der Patienten, die in den Krankenhäusern behandelt werden müssten, sprächen eine sehr deutliche Sprache. Auf die Frage, ob sie mit einer Verlängerung des Lockdowns rechne, antwortete die SPD-Politikerin: „So wie es aussieht, ist kein anderes Vorgehen angezeigt.“
Selbst eine Verschärfung der gegenwärtigen Maßnahmen schloss Reimann nicht aus. „Das muss man im Lichte der Infektionszahlen sehen, die wir Anfang der kommenden Woche haben.“ Gegebenenfalls müsse man dann „ein anderes Vorgehen wählen“. Es sei zu befürchten, dass es nach den Feiertagen noch einmal einen massiven Anstieg der Infektionszahlen gebe.
„Sollten kein Stückwerk machen“
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die Zielmarke für ein Ende des Lockdowns auf deutschlandweit 25 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu verschärfen.
„Wir sollten kein Stückwerk machen, sondern sagen, wir gehen aus dem Lockdown raus, wenn wir diese Zielinzidenz von 25 erreicht haben. Vorher nicht“, zitierten RTL und ntv den Politiker. Als Grund für die Verschärfung verwies Lauterbach demnach auf neue, gefährlichere Varianten des Coronavirus. Selbst die momentane Zielmarke von 50 Neuinfektionen sei noch weit weg. „Das erreichen wir allenfalls Ende Jänner. Das glaube ich aber auch noch nicht.“
Auch der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Uwe Janssens, plädierte in der „Rheinischen Post“ („RP“) dafür, bis zu einem Inzidenzwert von unter 25 keine Lockerungen in Aussicht zu stellen. „Wir werden erst Ende kommender Woche in den Krankenhäusern sehen, wie stark Weihnachten zur Verbreitung von Covid-19 beigetragen hat. Die Effekte von Silvester dann noch deutlich später.“
Sieben-Tage-Inzidenz bei 141
Das Robert Koch-Institut bezifferte die Sieben-Tage-Inzidenz für das rund 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählende Land am Samstag mit 141,2. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen positiv getestet wurden. Die Gesamtzahl der bekannten Ansteckungsfälle stieg binnen 24 Stunden um 12.690 auf knapp 1,76 Millionen, die Zahl der Todesfälle legte um 336 auf 33.960 zu.
Allerdings sind die Daten kaum mit denen der Vorwoche vergleichbar, da über die Feiertage weniger Menschen getestet und weniger Fälle gemeldet wurden.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte der „Bild“-Zeitung, am wichtigsten sei es, „dass man den Menschen klarmacht, dass wir jetzt noch vor zwei, drei, vier Monaten stehen, die Anstrengungen von allen erfordern“. Das ärztliche und pflegerische Personal sei „definitiv am Rande der Leistungsfähigkeit“.
Italien verschiebt Auftakt von Skisaison
Weiter angespannt ist die Coronavirus-Lage auch in vielen anderen Ländern. So bleiben in Italien nun auch die Skigebiete länger geschlossen als ursprünglich geplant. Die Wiedereröffnung sei vom 7. auf den 18. Januar verschoben worden, teilte die Regierung am Samstag mit.
Auch Frankreich hatte eine Wiedereröffnung der Skilifte für den 7. Jänner ins Auge gefasst. Regierungssprecher Gabriel Attal bezeichnete es in der vergangenen Woche aber als „wenig wahrscheinlich“, dass dieser Termin angesichts der weiterhin hohen Coronavirus-Fallzahlen eingehalten werde.
Zudem wurde in Frankreichs besonders stark von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Gebieten die nächtliche Ausgangsbeschränkung vorgezogen. Schon ab 18.00 Uhr dürfen Menschen laut einem Regierungssprecher in 15 französischen Departements seit Samstag das Haus nur noch mit triftigem Grund verlassen. Die meisten dieser Gebiete liegen im Nordosten des Landes, teils in Grenznähe zu Deutschland, Belgien und der Schweiz.