Hand hält ein Wattestäbchen
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Mehrheit fehlt

„Freitesten“ dürfte nicht kommen

Das vorzeitige „Freitesten“ aus dem Lockdown dürfte angesichts des Widerstands der Opposition dagegen nicht kommen. Das wurde ORF.at Montagfrüh aus Regierungskreisen bestätigt. Zuvor hatte der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober noch Gespräche mit der Opposition angekündigt, um doch noch eine Einigung zu erzielen.

Das Gespräch Anschobers mit der Opposition findet nun trotzdem wie geplant zu Mittag statt. Auch Bund-Länder-Gespräche sind geplant. Für die geplante Regelung braucht die Koalition einen Teil der Stimmen der Opposition. Die Opposition kann nämlich mit ihrer knappen Mehrheit im Bundesrat das Inkrafttreten von Gesetzen verzögern, was im Falle der auf eine Woche geplanten „Freitestungen“ eine Verhinderung bedeuten würde. Genau das hatten die drei Oppositionsparteien am Sonntag angekündigt. Ohne Einigung droht laut Regierung eine um eine Woche verschobene Öffnung von Handel, Gastronomie, Tourismus, also ab 24. Jänner.

Vorteil durch Teilnahme an Test

Ursprünglich war ja geplant, dass jene, die sich einer Testung unterziehen, bereits eine Woche früher Vorteile lukrieren können – etwa den Besuch von Kultur- und Sportevents oder den Einkauf von Gütern, die man nicht täglich braucht, beispielsweise Kleidung oder Bücher. Zudem sollten persönliche Dienstleister wie Friseure mit 17. Jänner wieder Kunden empfangen können und die Schulen den Präsenzunterricht aufnehmen.

Eine entsprechende Novelle, die das „Freitesten“ ermöglicht hätte, war kurz vor Jahreswechsel in Begutachtung geschickt worden. Am Sonntag hatte aber die Opposition aus unterschiedlichen Gründen angekündigt, dem Gesetz die Zustimmung zu verweigern.

Regierung gibt Opposition Schuld

Ihr Plan, mit 18. Jänner über „Freitestungen“ die Öffnung von Handel, Schule oder Kultur zu ermöglichen, sei durch die Haltung der Opposition nicht mehr umzusetzen, berichtete die APA unter Berufung auf namentlich nicht genannte Vertreter der Regierung. Generell hat das ÖVP-geführte Bundeskanzleramt in Fragen der CoV-Politik meist auf schnelleres und härteres Vorgehen gedrängt als der grüne Gesundheitsminister Anschober.

Ob die Regierung weiter nach einem Kompromiss sucht bzw. ob die Aussichten auf eine Einigung mit der Opposition nach dieser frühmorgendlichen via APA lancierten Ankündigung gestiegen sind, bleibt abzuwarten.

Wöginger: Auch Schulen bleiben zu

Erste Wortmeldungen deuteten aber nicht darauf hin. ÖVP-Klubchef August Wöginger warf der Opposition vor, sie habe sich „geschlossen einbetoniert“. Das sei vor allem von der SPÖ erstaunlich, aber offensichtlich habe der Nationalratsklub dem Druck aus den Bundesländern nachgegeben. „Jetzt wäre ein nationaler Schulterschluss notwendig gewesen, aber wenn es im Bundesrat keine Mehrheit gibt, kann die Woche der Öffnung ab dem 18. Jänner nicht so ablaufen wie geplant. Wir bemühen uns nun um das Vorgehen nach dem 24. Jänner“, sagte der ÖVP-Klubobmann. Auf die Frage, ob auch die Schulen geschlossen bleiben, antwortet Wöginger: „Ja, Lockdown ist Lockdown.“

Der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer, der sich bereits am Wochenende gegen das „Freitesten“ ausgesprochen hatte, sprach Montagfrüh von „Drohgebärden“ der Regierung. Diese seien „skandalös und wider jede Vernunft“.

Rendi-Wagner kritisiert Teststrategie

Am Wochenende hatte sich die Opposition geschlossen gegen das „Freitesten“ gestellt. Die FPÖ hatte schon länger gegen das aus ihrer Sicht verfassungswidrige Gesetzesvorhaben mobilgemacht. Am Sonntag schwenkten auch SPÖ und NEOS auf eine ablehnende Haltung ein. Die Vorschläge der Bundesregierung ergeben für SPÖ-Chefin Rendi-Wagner keinen Sinn, wie diese am Sonntag betonte: Ein, zwei Wochen alte Tests würden niemanden schützen, so die Infektiologin.

Es brauche vielmehr „vernünftige, gezielte Zutrittstests in bestimmten Bereichen für die Monate nach dem Lockdown – bis eine hohe Durchimpfungsrate erreicht ist“, so Rendi-Wagner. Das vorliegende Gesetz gehe aber weit darüber hinaus. Die SPÖ-Chefin sprach von einem „rechtlich bedenklichen Blankoscheck“.

NEOS: „Schlag ins Gesicht“

Zuvor hatte bereits NEOS sein Nein betont. „Wir wollen diesem Minister keine Verordnungsermächtigung mehr geben“, sagte Gesundheitssprecher Gerald Loacker in einer Onlinepessekonferenz. Anschober überschreite regelmäßig die Grenzen, die ihm die Gesetze auferlegten. Was nun beschlossen werden solle, komme einer Selbstaufgabe des Parlaments gleich. Als „Frechheit und Schlag ins Gesicht“ wertete Loacker auch den für Montag angekündigten Termin mit dem Minister nach der kurzen Begutachtungsfrist. „Das ist ein Scheingespräch“, sagte er.

Virologin Puchhammer-Stöckl zum Freitesten und zur CoV-Impfung

Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Leiterin des Zentrums für Virologie der MedUni Wien, spricht im ZIB2-Interview über das „Freitesten“, die anhaltend hohen Infektionszahlen und die Coronavirus-Impfungen sowie über die in Großbritannien aufgetretene Virusmutation.

Auch Virologin sieht „Freitesten“ kritisch

Auch die führende Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl hält nichts vom „Freitesten“. Sie verwies Sonntagabend in der ZIB2 darauf, dass ein Schnelltest nur für den jeweiligen Tag Gültigkeit habe. Aber dass – wie für die Gastronomie von der Regierung geplant – auch ein eine Woche alter Schnelltest als Nachweis reichen würde, damit hätte sie als Virologin „schon ein Problem“. Die Regierung habe die bevorstehende Massentestung nach dem Ferienende offenbar mit einer „Belohnung verknüpfen“ wollen. Bei der ersten Massentestung Anfang Dezember war die Beteiligung weit unter den Erwartungen der Regierung geblieben.

Eine Lockerung des Lockdowns könnte aus epidemiologischer Sicht derzeit ohnehin nicht angezeigt sein. Die Folgen des Lockdowns ab 26. Dezember schlagen sich derzeit zwar noch nicht zur Gänze in den Zahlen wieder. Aktuell sind die Infektionszahlen aber jedenfalls zu hoch – das betonten am Sonntag auch Puchhammer-Stöckl und SPÖ-Chefin Rendi-Wagner. Letztere betonte, es dürfe maximal 1.000 Neuinfektionen pro Tag geben. Puchhammer-Stöckl verwies auf den Wert der 7-Tage-Inzidenz: Dieser Wert dürfe bei maximal 50 sein – das sei auch die Vorgabe etwa in Deutschland. Derzeit liegt dieser Wert aber deutlich über 150.