Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Helmut Fohringer
Anschober bestätigt

Kein „Freitesten“ aus dem Lockdown

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Montag bestätigt, dass es kein vorzeitiges „Freitesten“ aus dem Lockdown geben wird. Aufgrund des Widerstands der Opposition fehlt der Koalition die nötige Mehrheit im Bundesrat. Auch Fachleute hatten das Vorhaben der Regierung kritisch gesehen. Und derzeit sind die CoV-Zahlen ohnehin zu hoch.

Der Lockdown in Österreich wird somit für alle bis zum 24. Jänner dauern. Er bedauere das, akzeptiere aber die demokratische Entscheidung, sagte der Minister nach der Sitzung des Hauptausschusses am Montagvormittag im Parlament.

Eine weitere Gesprächsrunde am Montagnachmittag zwischen Anschober und den Vertretern der Parlamenstfraktionen brachte wie erwartet keine Haltungsänderung in Sachen „Freitesten“. Man habe „außer Streit gestellt, dass es eine breite Mehrheit für das ‚Freitestesten‘ nicht gibt“, sagte der Minister nach dem Treffen im Gesundheitsministerium.

Statement von Gesundheitsminister Rudolf Anschober nach Gespräch mit den Klubobleuten

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) informiert über sein Gespräch mit den Klubobleuten aller Parteien zum Thema Coronavirus.

Gesundheitsausschuss angekündigt

Man habe sich aber bei den anderen Testbereichen verständigt, konkret was die geplanten Tests bei bestimmten Berufsgruppen und Zugangstestungen (etwas zu Kultureinrichtungen, Anm.) betrifft. Man werde mit den Fraktionen einen „gemeinsamen Arbeitsprozess starten“. Bis Freitag dieser Woche werde sein Haus rechtliche Vorschläge machen, diese soll dann den Fraktionen übermittelt werden. Nächste Woche könnte dann im Gesundheitsausschuss des Nationalrates der Arbeitsprozess starten.

Schließlich erscheint auch die „Freitest“-Option weiter nicht gänzlich vom Tisch. Konkret wolle man nach Angaben Anschobers noch zusammen mit der Opposition abklären, ob „Freitesten“ nach dem verlängerten Lockdown in bestimmten Bereichen ermöglicht werden soll.

„Keine Blankoaussage“

Anschober sprach nach dem Treffen mit den Parteienvertretern von einem „guten Gespräch“. Demnach gebe es von der Opposition auch „keine strikte Ablehnung“ zum weiteren Krisenmanagement der Regierung, aber aber auch keinen „Blankoschein“. Die Opposition kann – was im Falle der „Freitestungen“ am Sonntag auch geschlossen angedroht wurde – mit ihrer knappen Mehrheit im Bundesrat das Inkrafttreten von Gesetzen verzögern.

Offen bleibt indes auch, wie es nun am 24. Jänner weitergeht. Von ihm werde es „keine Blankoaussage für die nächsten Monate“ geben, wie Anschober dazu noch sagte.

Schulöffnung: Verweis auf anstehende Gespräche

Unklar war am Montag vorerst, was das Aus für das „Freitesten“ nun für den für 18. Jänner geplanten Start des Präsenzunterrichts bedeutet. Dieser könnte am 18. Jänner wieder beginnen, da der verlängerte Lockdown den schulischen Bereich nicht betreffe, wie das Bildungsministerium am Montag bekanntgab. Eine Garantie für diesen geplanten Termin sei aber nicht möglich. Die Rückkehr in die Klassenzimmer sei immer abhängig von der Entwicklung der Infektionszahlen, außerdem verwies das Ministerium noch auf die laufenden Gespräche mit allen Parlamentsparteien sowie den Landeshauptleuten.

Anschober wollte sich zur Verlängerung des Lockdowns in Sachen Schule nicht festlegen. Das tat dagegen ÖVP-Klubchef August Wöginger. Auf die Frage, ob auch die Schulen geschlossen bleiben, antwortete Wöginger: „Ja, Lockdown ist Lockdown.“

Wie Anschober am Nachmittag dazu sagte, werde Bildungsminister Faßmann darüber entscheiden, ob die Schule wie geplant wieder zum Präsenzunterricht zurückkehren werde, und er wolle diesem sicher nichts über Medien ausrichten. Vielmehr werde man in den nächsten Tagen das weitere Prozedere besprechen.

„Regelmäßige Testinfrastruktur“ geplant

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bestätigte am Montag unterdessen, dass in Österreich nun eine „regelmäßige Testinfrastruktur“ geschaffen werden soll. Zuvor kündigten bereits die Tiroler und Kärntner Landeshauptmänner Günther Platter (ÖVP) und Peter Kaiser (SPÖ) nach einer Videokonferenz mit der Bundesregierung an, dass nach dem Aus für die Möglichkeit des „Freitestens“ in den Bundesländern nun permanente Tests geplant seien.

Vorgesehen seien diese „für Berufsgruppen, die sich regelmäßig testen lassen müssen, als Eintrittskarte für Kultur, Tourismus und andere Bereiche und für jene, die sich freiwillig testen wollen“, wie Tanner dazu laut APA noch mitgeteilt habe. Ob es sich somit erneut um eine Art von „Freitesten“ handeln soll, bleibt bisher allerdings offen.

Vorteil durch Teilnahme an Test

Ursprünglich war ja geplant, dass jene, die sich einer Testung unterziehen, bereits eine Woche früher Vorteile lukrieren können – etwa den Besuch von Kultur- und Sportevents oder den Einkauf von Gütern, die man nicht täglich braucht, beispielsweise Kleidung oder Bücher. Zudem sollten persönliche Dienstleister wie Friseure mit 17. Jänner wieder Kunden empfangen können und die Schulen den Präsenzunterricht aufnehmen.

Eine entsprechende Novelle, die das „Freitesten“ ermöglicht hätte, war kurz vor Jahreswechsel in Begutachtung geschickt worden. Am Sonntag hatte aber die Opposition aus unterschiedlichen Gründen angekündigt, dem Gesetz die Zustimmung zu verweigern.

So wie die FPÖ und Teile der SPÖ äußerten in der Begutachtung auch mehrere Länder verfassungsrelevante Bedenken. Auch der Verfassungsdienst im Kanzleramt empfahl in seiner Stellungnahme Nachbesserungen. Kern der Kritik ist eine Passage, die Gesundheitsminister Anschober die Möglichkeit einräumen würde, nicht näher definierte „Rechtswirkungen“ an die Bestätigung eines Coronavirus-Tests zu knüpfen. Diese sei zu unbestimmt.

Über 9.300 Stellungnahmen

Insgesamt veröffentlichte das Parlament am Montag mehr als 9.300 Stellungnahmen zum „Freitesten“ – viele davon wortgleich. Aufrufe über Whatsapp und in Sozialen Netzwerken hatten nämlich den Eindruck erweckt, auf der Website des Parlaments könnte „Einspruch“ gegen das Gesetzesprojekt eingelegt werden. Tausende Bürgerinnen und Bürger haben daraufhin Stellungnahmen abgeschickt und die Website des Parlaments am Wochenende stundenlang in die Knie gezwungen. Laut Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wurde bei 70 Prozent der Eingaben derselbe Textbaustein verwendet.

Regierung gibt Opposition Schuld

Ihr Plan, mit 18. Jänner über „Freitestungen“ die Öffnung von Handel, Schule oder Kultur zu ermöglichen, sei durch die Haltung der Opposition nicht mehr umzusetzen, berichtete die APA unter Berufung auf namentlich nicht genannte Vertreter der Regierung. Generell hat das ÖVP-geführte Bundeskanzleramt in Fragen der CoV-Politik meist auf schnelleres und härteres Vorgehen gedrängt als der grüne Gesundheitsminister Anschober.

ÖVP-Klubchef Wöginger warf der Opposition vor, sie habe sich „geschlossen einbetoniert“. Das sei vor allem von der SPÖ erstaunlich, aber offensichtlich habe der Nationalratsklub dem Druck aus den Bundesländern nachgegeben. „Jetzt wäre ein nationaler Schulterschluss notwendig gewesen, aber wenn es im Bundesrat keine Mehrheit gibt, kann die Woche der Öffnung ab dem 18. Jänner nicht so ablaufen wie geplant. Wir bemühen uns nun um das Vorgehen nach dem 24. Jänner“, sagte der ÖVP-Klubobmann.

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer kündigte an, nun mit der Opposition jene Punkte zu diskutieren, „denen zumindest SPÖ und NEOS positiv gegenüberstehen, wie etwa breitflächige Tests bei bestimmten Berufsgruppen“. Dass sich die Opposition gegen das „Freitesten“ stelle, „müssen wir zur Kenntnis nehmen“. „Damit gilt der Lockdown für alle bis 24. Jänner“, so Maurer.

Rendi-Wagner warnt vor viertem Lockdown

Die Opposition wollte am Montag von Schuldzuweisungen in ihre Richtung nichts hören. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sagte nach der Sitzung des Hauptausschusses im Parlament, ausschlaggebend für die Verlängerung oder das Ende des Lockdowns könnten ausschließlich die Infektionszahlen sein. Alle Experten würden diese derzeit als „zu hoch“ einschätzen.

Die tägliche Neuinfektionsrate müsse weiter gesenkt werden, „sonst droht uns ein vierter Lockdown im Februar“, das dürfe nicht passieren. Man werde erst Ende dieser Woche wissen, ob die Zahlen rückläufig sind – „darauf basierend ist die Entscheidung zu treffen, ob es einen Lockdown bis Mitte Jänner oder bis 24. Jänner braucht“, so Rendi-Wagner.

Der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer sprach Montagfrüh von „Drohgebärden“ der Regierung. Diese seien „skandalös und wider jede Vernunft“. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wehrte sich indes gegen den „deplatzierten“ Vorwurf, daß man „Blockadepolitik“ betrieben habe.

Scharfe Kritik von FPÖ und NEOS

FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belawokitsch ortete in der Ankündigung der Regierung, dass der Lockdown nun für alle bis 24. Jänner gelten wird, ein „Beleidigtsein“ von Bundeskanzler Kurz. Der Lockdown sei jedenfalls ein „absolut untaugliches Mittel“. Sie verwies auch auf die Vorgabe im Covid-Gesetz, wonach Beschränkungen nur erfolgen dürfen, sofern die Krankenhaus-Kapazitäten am Limit seien. „Das ist nicht der Fall.“

Und der steirische FPÖ-Landesparteisekretär Stefan Hermann warf der Regierung „dreist-dumme Agitation“ vor, wenn diese nun versuche, der Opposition die Schuld zu geben. Auch Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger ortete einen „Pfusch“: „Es wird andauernd gepfuscht, und man gibt anderen die Schuld“, sagte Abwerzger und sah Kurz andauernd in der „Trotzecke“ sitzen wie ein „unreifer Teenager“.

Ein „Versagen“ der Regierung über die letzten Monate hinweg ortete NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos. Er kritisierte die kurze Begutachtungsdauer von nur knapp drei Tagen: Die Regierung habe hier „schnell etwas über die Silvesterfeiertage durchpeitschen“ wollen, so seine Kritik.

Auch Virologin sieht „Freitesten“ kritisch

Auch die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der Medizinischen Universität Wien hält nichts vom „Freitesten“. Sie verwies Sonntagabend in der ZIB2 darauf, dass ein Schnelltest nur für den jeweiligen Tag Gültigkeit habe. Aber dass – wie für die Gastronomie von der Regierung geplant – auch ein eine Woche alter Schnelltest als Nachweis reichen würde, damit hätte sie als Virologin „schon ein Problem“.

Virologin Puchhammer-Stöckl zum Freitesten und zur CoV-Impfung

Elisabeth Puchhammer-Stöckl, Leiterin des Zentrums für Virologie der MedUni Wien, spricht im ZIB2-Interview über das „Freitesten“, die anhaltend hohen Infektionszahlen und die Coronavirus-Impfungen sowie über die in Großbritannien aufgetretene Virusmutation.

Verlängert wurden am Montagvormittag indes die derzeit geltenden Ausgangsbeschränkungen um weitere zehn Tage. Die Verlängerung im Hauptausschuss ist notwendig, da die Ausgangsbeschränkungen laut dem Covid-Gesetz maximal für zehn Tage verfügt werden dürfen und dann einer Verlängerung bedürfen.