Der südkoreanische Zerstörer „Choi Young“
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Iran vs. Südkorea

Säbelrasseln in Straße von Hormus

In einem Manöver der iranischen Revolutionsgarden ist am Montag der unter südkoreanischer Flagge fahrende Tanker „Hankuk Chemi“ festgesetzt worden. Offiziell wurde das mit Verstößen gegen Umweltauflagen begründet. Doch es dürfte vielmehr ein Streit über Geld dahinter stecken. Südkorea reagierte bereits und schickte am Dienstag einen Zerstörer mit 300-köpfiger Besatzung in die Straße von Hormus.

Dieses Schiff, eigentlich auf den Kampf gegen Piraterie spezialisiert, ist Dienstagnachmittag in der Straße von Hormus eingetroffen. Durch die strategisch wichtige Meerenge wird ein Fünftel der weltweiten Ölproduktion transportiert. Die Aufgabe des Zerstörers sei es, die „Sicherheit unserer Staatsbürger zu gewährleisten“, hieß es aus dem Verteidigungsministerium in Seoul.

Das Kriegsschiff sei seit Ende vergangenen Jahres in der Region, an eine offensive Aktion werde nicht gedacht, sagte ein nicht genannter Militärsprecher der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. „Diese Frage sollte diplomatisch gelöst werden.“

Der südkoreanische Zerstörer „Choi Young“
APA/AFP/YONHAP
Der südkoreanische Zerstörer erreichte Dienstagnachmittag die Straße von Hormus

Iranischer Botschafter einbestellt

Das südkoreanische Außenministerium teilte derweil mit, es werde „schnellstmöglich“ eine Delegation nach Teheran entsandt, um in bilateralen Verhandlungen die Freilassung des Tankers und der 20 Besatzungsmitglieder zu erreichen. Die Besatzungsmitglieder stammen nach Angaben der Revolutionsgarden aus Südkorea, Indonesien, Vietnam und Myanmar. Südkorea bestellte zudem den iranischen Botschafter ein.

Die iranischen Revolutionsgarden hatten am Montag den mit Chemikalien- und Ölprodukten beladenen Tanker „Hankuk Chemi“ mit der Begründung beschlagnahmt, er habe „wiederholt“ gegen Umweltauflagen verstoßen und die Gewässer mit Chemikalien verunreinigt. Der Tanker wurde in die Hafenstadt Bandar Abbas geleitet.

Der Schiffsbetreiber DM Shipping im südkoreanischen Busan wies die Vorwürfe laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap zurück. „Wenn es wirklich um Wasserverschmutzung gegangen wäre, hätte zuerst die Küstenwache auf das Schiff zukommen müssen“, sagte Lee Chun Hee vom Schiffsbetreiber. „Stattdessen waren es bewaffnete Soldaten.“

Streit über eingefrorene Bankkonten

Der Zwischenfall ereignete sich aber inmitten von Spannungen zwischen beiden Staaten aufgrund eingefrorener iranischer Bankkonten in Südkorea. Die Konten wurden infolge der Sanktionen der USA gegen Teheran gesperrt. Nach Berichten südkoreanischer Medien geht es um sieben Milliarden Dollar (etwa 5,3 Milliarden Euro). Die Höhe der Summe wurde vom südkoreanischen Außenministerium nicht bestätigt. Aber der Gouverneur der iranischen Zentralbank, Abdolnasser Hemmati, bezifferte den Betrag auf umgerechnet 5,7 Milliarden Euro.

Der südkoreanische Vizeaußenminister Choi Jong Kun will nach den Ankündigungen aus Seoul in der kommenden Woche zu einem seit längerer Zeit geplanten Besuch nach Teheran reisen. Die iranische Regierung fordert die Freigabe der eingefrorenen Milliardenguthaben.

Eine Überwachungskamera des südkoreanischen Tankers „Hankuk Chemi“ zeigt ein Boot der iranischen Revolutionsgarden neben dem Tanker
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Die Überwachungskamera des südkoreanischen Tankers zeigt ein Boot der Revolutionsgarden

Spekulationen, dass Teheran den Tanker als Druckmittel zur Freigabe der Konten einsetzen könnte, wurden am Dienstag durch Äußerungen vom iranischen Regierungssprecher Ali Rabiei angeheizt: „Südkorea hat in den letzten Jahren, als der Iran wegen der US-Sanktionen unter enormem Druck stand, unsere Konten mit über sieben Milliarden Dollar gesperrt gehalten“, sagte er im Staatsfernsehen. Dadurch sei auch die Einfuhr von wichtigen Medikamenten in der Coronavirus-Krise blockiert worden. „Das ist etwas, was den Iranern in Erinnerung bleiben wird.“

Medien: Geld für CoV-Impfstoffe

Die iranische Regierung wies Vorwürfe zurück, der jüngste Vorgang komme einer Geiselnahme gleich. Vielmehr sei es die südkoreanische Regierung, die den Iran zu erpressen versuche, so die iranische Regierung. Medien zufolge braucht der Iran das Geld für die Beschaffung von Coronavirus-Impfstoffen.

Die südkoreanische Außenministerin Kang Kyung Wha äußerte sich nicht zu Spekulationen, der Iran wolle durch die Beschlagnahme des Tankers erreichen, dass Südkorea die eingefrorenen Guthaben freigibt. „Wir müssen erst die Fakten verifizieren und die Sicherheit der Crew garantieren“, sagte Kang.

Südkorea ist – wie andere Länder auch – wegen US-Sanktionen gegen den Iran zur Beschränkung von Finanzgeschäften mit dem Land verpflichtet. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump setzte die Strafmaßnahmen wieder in Kraft, als sie sich aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran zurückzog. Der Iran hofft nach der Amtsübernahme von Trumps designiertem Nachfolger, Joe Biden, auf eine Aufhebung der Sanktionen. Kritiker des Iran werfen dem Land vor, immer wieder Schiffe festzusetzen, um sich Verhandlungsvorteile zu verschaffen.

Urananreicherung gestartet

Am Montag verkündete der Iran zudem mit der Anreicherung von Uran auf die 20-Prozent-Schwelle – die Vorstufe für waffenfähiges Uran – begonnen zu haben. Das bestätigte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Das stellt einen klaren Verstoß gegen das internationale Atomabkommen dar. Die EU erklärte, dennoch an dem Abkommen festhalten zu wollen.

Das internationale Atomabkommen von 2015 soll sicherstellen, dass der Iran nicht die Fähigkeiten zum Bau einer Atombombe erlangt. US-Präsident Trump hatte die von ihm als unzulänglich betrachtete Vereinbarung jedoch im Mai 2018 einseitig aufgekündigt und danach neue Sanktionen gegen Teheran in Kraft setzen lassen. Seitdem hat sich auch der Iran schrittweise aus dem Abkommen zurückgezogen. Der Iran zeigt sich aber gesprächsbereit.

„Nukleare Erpressung“

„Unsere Maßnahmen sind umkehrbar, wenn sich alle Parteien wieder an das Abkommen halten“, so der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. Der kommissarische US-Verteidigungsminister Christopher Miller ließ aber wissen, dass niemand an der „Entschlossenheit der USA zweifeln“ solle. Der geplante Abzug des US-Flugzeugträgers „USS Nimitz“ aus der Golfregion wurde verschoben.

Die USA werfen dem Iran aufgrund der begonnen Urananreicherung „nukleare Erpressung“ vor. Für den Nahost- und Iran-Experten Guido Steinberg ist dieser Schritt keine Überraschung: „Es scheint die Strategie der Iraner zu sein, bei der Prioritätenliste des designierten US-Präsidenten Joe Biden dafür zu sorgen, dass das Thema Iran und das Atomprogramm nach oben rutschen“, so Steinberg im Ö1-Mittagsjournal.

Das sei zum einen „taktisches Kalkül“. Zum anderen gehe es aber auch darum, Sanktionserleichterungen zu erreichen. Der Schritt zeige den „hohen Leidensdruck der iranischen Führung“, so Steinberg. Diese habe die Sorge, dass die iranische Wirtschaft völlig zusammenbricht.