Eine Ärztin verabreicht eine Injektion
APA/Hans Punz
21.000 noch diese Woche

Offizieller Impfbeginn doch früher

Nach Kritik an den nur zögerlich anlaufenden Impfungen gegen das Coronavirus soll der für den 12. Jänner angepeilte, offizielle Impfbeginn vorgezogen werden. Darauf haben sich Logistikexperten des Verteidigungsressorts sowie Vertreter des Gesundheitsministeriums und der Bundesländer in einer Videokonferenz geeinigt. Noch diese Woche sollen rund 21.000 Dosen verimpft werden, wie die APA Mittwochfrüh vermeldete.

Bis Dienstag seien zudem weitere rund 43.000 eingemeldet worden. Mit den bisher rund 6.800 Geimpften lautet das bis Dienstag kommender Woche angepeilte Ziel somit, knapp 71.000 Personen gegen das Coronavirus zu impfen. Und auch die in der kommenden Woche eintreffenden rund 60.000 Impfdosen sollen rasch verimpft werden, hieß es. „Wir ziehen die Impfungen vor und warten nicht auf den 12. Jänner“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch. „Beim Impfen geht es um Schnelligkeit und um Menschenleben. Daher gibt es keinen Grund, dass Impfdosen über Wochen zwischengelagert werden.“

Zuletzt hat es von etlichen Seiten Kritik am verzögerten Impfstart in Österreich gegeben. Bemängelt wurde vor allem, dass mehr Impfdosen in Österreich vorhanden waren, als verimpft wurden. Die Sektionschefin für öffentliche Gesundheit Katharina Reich hatte das Vorgehen am Dienstag mit der „logistischen Herausforderung“ gerechtfertigt und betont, dass man sich „genau im Plan“ befinde.

Sektionschefin Reich zur Impfstrategie

Katharina Reich, Sektionschefin für öffentliche Gesundheit, über die österreichische Impfstrategie.

Aufgeteilt nach Bundesländern sollen bis kommende Woche in Niederösterreich 18.445 Personen geimpft werden. Dahinter kommt Wien mit 9.415 verimpften Dosen, gefolgt von Vorarlberg (8.460), Steiermark (8.455), Kärnten mit Osttirol (8.345), Oberösterreich (5.650) und Tirol (5.120). In Salzburg sollen es laut Plan bis kommende Woche 4.970 Geimpfte, im Burgenland 2.070 sein.

„Hochkomplexe Herausforderung“

63.000 Impfdosen gegen das Coronavirus wurden bisher nach Österreich geliefert, weitere 63.000 kommen bis Ende dieser Woche dazu. Diese Zahlen gab das Gesundheitsministerium am Dienstag bekannt. Ausgeliefert wurden bisher aber erst 8.360 Dosen. Davon wurden bisher 6.770 Personen geimpft, sagte Reich, Chief Medical Officer im Gesundheitsministerium, im ZIB2-Interview.

Dass nicht sofort alle verfügbaren Impfstoffe verwendet würden, erklärte Reich damit, dass die Impfung für die Alters- und Pflegeheime eine „hochkomplexe Herausforderung“ sei. Das müsste sorgfältig geplant sein. Im Jänner und Februar sollen nun Personen der ersten Prioritätsgruppe aus Alters- und Pflegeheimen geimpft werden. Im März folge die nächste Gruppe, so Reich.

„Ausreichend Impfdosen zur Verfügung“

Der Impfstoff wurde zunächst in ein Zentrallager nach Wien geliefert, danach in 17 Logistikzentren des Pharmagroßhandels in die Bundesländer transportiert. Von dort aus wurde er in die vorgesehenen Einrichtungen mit priorisiertem Impfbedarf – Pflegeheime und Covid-19-Stationen in Krankenanstalten – zugestellt. „Zielvorgabe“ des Ministeriums ist es, dass bis Ende Februar 158.000 Personen in Pflegeheimen und Spitälern und das dortige Personal geimpft sind.

Zahl der ausgelieferten Dosen nach Bundesländern – Balkengrafik
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BMI

Man liege bei der Auslieferung jedenfalls „gut im Plan“, hielten am Dienstag auch der Verband der Österreichischen Impfstoffhersteller (ÖVIH) und der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) fest. „Für Österreich stehen ausreichend Impfstoffdosen zur Verfügung. Allein vom Biontech/Pfizer-Impfstoff sind aus dem von der EU-Kommission vereinbarten Umfang 5,5 Millionen Dosen für Österreich vorgesehen. 3,5 Millionen über das Basiskontingent und zwei Millionen Dosen über ein bereits vereinbartes optionales Kontingent“, sagte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog.

SPÖ beantragt Sondersitzung zu „Impfchaos“

Anders als in Deutschland gibt es in Österreich keine tagesaktuellen Daten zu den Impfungen und auch keine Aufschlüsselung der einzelnen Bundesländer. Die SPÖ sieht die Impfaktion durch „das Chaos, das Zögern und die Pannen“ der türkis-grünen Regierung gefährdet und wird daher am Donnerstag eine Sondersitzung des Nationalrats beantragen. Für SPÖ-Partei- und -Klubvorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist das Vorgehen der Regierung „fahrlässig“, wie sie in einer Stellungnahme erklärte. Bei der Sondersitzung will Rendi-Wanger eine wirksame neue Teststrategie thematisieren.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Roland Schlager
„Impfen, impfen, impfen“, fordert die SPÖ-Chefin

Die Impfung sei der „Schlüssel im Kampf gegen die Corona-Pandemie“, daher müsse das Motto lauten: „Impfen, impfen, impfen!“, so die SPÖ-Chefin. Wichtig sei, dass die Menschen Vertrauen haben und die Regierung mit einem klugen Plan vorgeht. Derzeit sieht es aber leider nicht danach aus, wie Rendi-Wagner findet: „Weit über 60.000 Impfdosen werden gebunkert und nicht verimpft. Das ist grob fahrlässig. Worauf wartet die Regierung? Impfen heißt Menschenleben retten – jede einzelne Schutzimpfung zählt!“

Die Impfung sei nicht nur wichtig für die Gesundheit der Menschen, sondern auch für die heimische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, argumentierte die SPÖ-Chefin: „Ein Zögern schwächt die Impfbereitschaft und erhöht das Risiko von Virusmutationen. Deshalb muss Geschwindigkeit aufgenommen und der Impfturbo eingeschaltet werden.“ Andere Länder hätten vorgezeigt, dass das möglich ist. Es brauche nun eine „wirksame und neue Teststrategie“ für die Zeit nach dem Lockdown bzw. bis eine hohe Durchimpfungsrate erreicht ist, so die SPÖ-Chefin.

FPÖ wirft Regierung Versagen vor

Auch die FPÖ hat am Mittwoch kein gutes Haar an der Regierung gelassen und ihr einmal mehr „Versagen“ in der Pandemie attestiert. Es vergehe kein Tag, ohne dass das Versagen Österreichs im Kampf gegen die Pandemie sichtbar werde, meinte FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer in einer Aussendung. Als Beleg führte Hofer an, dass, obwohl in Österreich seit Tagen Zigtausende Impfdosen lagern, der Start der Impfung in Altenwohn- und Pflegeheimen erst für den 12. Jänner geplant gewesen sei. Und nach einer „Welle des Entsetzens“ gehe es nun offenbar doch, dass in dieser Woche 21.000 Dosen verabreicht werden.

In Graz wird die Schauspielerin Gerti Pall (88) geimpft
APA/Peter Kolb
In einigen Pflegeheimen wird schon geimpft, andere müssen noch warten

Gerade im Bereich der Altenwohn- und Pflegeheimen passiere „ein schwerer Fehler nach dem anderen“, so Hofer, der eine lange Liste an Verfehlungen ortet. Etwa sei die Vorbereitung auf die zweite Welle verschlafen worden. Dann seien Heime mit mangelhaften FFP2-Masken im Auftrag des Gesundheitsministeriums beliefert worden. Zudem sei verabsäumt worden, rechtzeitig eine „echte Teststrategie“ in den Heimen zu installieren. Und die „Impfpanne“ sei nun der letzte Anschlag auf die besonders gefährdeten Mitmenschen in den Heimen.

NEOS sieht Reaktion erst nach Druck

Scharfe Kritik gab es auch von NEOS. "Jeden Tag sterben Menschen in Alters- und Pflegeheimen, weil die Regierung die gefährdetsten Einrichtungen wider besseres Wissen bis heute nicht ausreichend schützt. Jeder Tag, an dem in Alters- und Pflegeheimen nicht geimpft wird, gefährdet weitere Menschenleben“, sagte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker.

Es sei entschieden zu wenig, dass sich der Kanzler jetzt dafür „abfeiere“, dass nach „medialem Druck“ und „verstörenden Interviews“ des Coronavirus-Sonderbeauftragten und der neu bestellten Sektionschefin im Gesundheitsministerium nun doch noch 20.000 Impfdosen diese Woche verimpft werden sollen, so Loacker. „Lebensrettend sind die lange ersehnten und erwarteten Impfungen nicht, wenn sie in irgendwelchen Kühlschränken liegen, sondern erst, wenn sie in den Armen der Patienten gelandet sind.“

Kurz verweist auf „europäischen Beschaffungsprozess“

Österreich könne den europäischen Beschaffungsprozess nicht beeinflussen, sagte Kurz außerdem: „Aber was wir tun können und tun müssen, ist, dass jeder gelieferte Impfstoff schnellstmöglich verteilt und verimpft wird.“ Vorrang hätten alle Altenwohn- und Pflegeheime. Diesbezüglich sei man mit den Ländern und Pflegeheimen in Kontakt. Werden Impfdosen dort noch nicht abgerufen, sollen diese an die Bundesländer übergeben werden, damit ältere Menschen, die nicht in Pflegeheimen leben, sowie medizinisches Personal schnell geimpft werden können, erklärte der Kanzler.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) appellierten am Mittwoch an die Einrichtungen in allen Bundesländern, die Impfstoffe abzurufen. „Nur wenn der Impfstoff auch angefordert wird, können die zuständigen Stellen die Impfstoffe auch liefern“, so Tanner. Auch wenn dieser sensible Impfstoff eine logistische Herausforderung sei, „wollen wir doch, dass er möglichst rasch zu den am meisten von Corona gefährdeten Menschen kommt“, sagte Anschober.

Anschober: Impfkampagne nimmt Tempo auf

Die Empfehlung der EMA für die Genehmigung der Marktzulassung eines zweiten Impfstoffes sei eine gute Nachricht für die EU und für Österreich – „unsere Prognosen sind ein weiteres Mal erfüllt“, sagte der Gesundheitsminister. Nach den beiden Genehmigungen sei man bei der verbindlichen Lieferung von 927.000 Dosen durch Biontech und 200.000 von Moderna im ersten Quartal.

Die Vorbereitung der Alten- und Pflegeheime und der Logistik für diese größte Impfkampagne Österreichs sei eine Herausforderung. Viele Betroffene mit schweren Mobilitätseinschränkungen, manche mit Demenzerkrankungen, das teilweise erforderliche Einholen von Zustimmungserklärungen, Fragen von möglichen leichten Nebenwirkungen – viele dieser Punkte machten es laut dem Ressortchef erforderlich, zu Beginn eine kurze Pilotphase zu verwirklichen, in der Tausende Impfungen durchgeführt wurden.

Die ersten Erfahrungen seien positiv, weshalb man in einer zweiten Phase über 21.000 Impfungen bis Sonntag vorziehen könne. Für die kommende Woche ist laut Anschober bereits jetzt die Auslieferung von 53.745 Dosen fixiert, ab Dienstag wird gleichzeitig parallel flächendeckend in ganz Österreich in Altersheimen und Covid-19-Stationen geimpft. Ab diesem Anlaufen des umfassenden Logistikkonzeptes werden alle gelieferten Impfdosen raschestmöglich verimpft.

Lehner: E-Impfpass kann Impfquote in Echtzeit erfassen

Unterdessen ist laut dem Vorsitzenden der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, der elektronische Impfpass nicht nur „voll einsatzbereit“, sondern es kann mit ihm auch die Durchimpfungsrate tagesaktuell erfasst und abgerufen werden. Damit könne er zum „entscheidenden Faktor“ für den Sieg über die Pandemie werden, so Lehner am Mittwoch in einer Aussendung.

Das Pilotprojekt wurde im Herbst gestartet, mittlerweile hätten „sämtliche niedergelassenen Ärzte österreichweit“ Zugang. „Der Pilot war erfolgreich, und der E-Impfpass ist in allen Bundesländern verfügbar. Die Eintragungsmöglichkeit ist vom Dachverband sichergestellt“, erklärte Lehner: „Wir müssen diese Technologie unbedingt im Kampf gegen Corona nutzen, um möglichst rasch diese Krise zu überwinden.“

Geht es nach der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), müsse der Implementierung des E-Impfpasses „allerhöchste Priorität“ eingeräumt werden, wie deren Präsident Thomas Szekeres am Mittwoch in einer Aussendung betonte. So wichtig andere Projekte wie beispielsweise das E-Rezept auch seien, „der E-Impfpass hat jetzt absoluten Vorrang“, meinte auch dessen Vize und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart.

Tablet-Lösung für Wahlärzte?

Bis Ende März soll ein Großteil der Arztordinationen angeschlossen sein. Aktuell finden noch die letzten Praxistests statt. Dann startet die Ausrollung der Software im niedergelassenen Bereich. Für jene Ärztinnen und Ärzte, die das E-Card-System nicht verwenden, wie beispielsweise Medizinerinnen und Mediziner, die keinen Kassenvertrag haben, Arbeits- sowie Schulärztinnen und -ärzte soll es eine Tablet-Lösung geben. Für den Kostenaufwand der Anbindung der jeweiligen Ordinationssoftware erhielten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte eine einmalige Förderung von der Bundesregierung.

Dadurch, dass die Anbindung erst im Laufe des ersten Quartals erfolgt und aktuell noch zu wenige Tablets vorhanden sind, werde der E-Impfpass allerdings erst ab April valide Daten liefern, hieß es. Gerade bei Covid-19-Impfungen müsse dann viel nacherfasst werden.