WikiLeaks-Gründer Julian Assange
Reuters/Henry Nicholls
Freilassung abgelehnt

Assange bleibt in Haft

WikiLeaks-Gründer Julian Assange bleibt in Großbritannien in Haft. Ein Gericht in London lehnte am Mittwoch den Antrag der Verteidigung ab, den 49-Jährigen gegen Kaution freizulassen. Am Montag hatte dieselbe Richterin einen Auslieferungsantrag der USA gegen Assange abgelehnt.

Vanessa Baraitser hatte ihre erste Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen begründet, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Nun sagte sie, Assange könne im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gut behandelt werden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Assange wie in der Vergangenheit versuche zu fliehen.

Assange hatte sich fast sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London einer Strafverfolgung entzogen. Die US-Justiz kündigte Berufung gegen das Urteil zur Auslieferung an – auch gegen die neue Entscheidung kann sie berufen. Baraitser sagte am Mittwoch, der Ausgang der Berufung sei noch offen. Assange drohen in den USA im Fall einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.

Stella Morris, die Partnerin von WikiLeaks-Gründer Julian Assange, mit WikiLeaks-Chef Kristinn Hrafnsson and WikiLeaks-Botschafter Joseph Farrell in London
Reuters/Henry Nicholls
Assanges Partnerin Stella Morris mit WikiLeaks-Chef Kristinn Hrafnsson and WikiLeaks-Botschafter Joseph Farrell in London

Die US-Justiz wirft Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning – damals Bradley Manning – geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seinen Unterstützern gilt er hingegen als investigativer Journalist, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.

Assange muss im Gefängnis bleiben

WikiLeaks-Gründer Assange bleibt in Haft. Ein Londoner Gericht lehnte seinen Antrag auf Freilassung gegen Kaution ab. Abgeschlossen ist das Verfahren damit aber noch nicht.

Der juristische Streit um Assange begann damit, dass Schweden in Großbritannien ein Auslieferungsgesuch wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen den WikiLeaks-Gründer stellte. Um seiner Auslieferung zu entgehen, flüchtete sich Assange 2012 in die Botschaft Ecuadors und lebte dort sieben Jahre lang. 2019 wurde ihm aber das Asyl entzogen. Das schwedische Verfahren wurde inzwischen eingestellt. In Großbritannien wurde Assange jedoch vorgeworfen, gegen Kautionsauflagen verstoßen zu haben. Er wurde deshalb festgenommen und in ein Londoner Hochsicherheitsgefängnis gebracht.

Verteidiger: Assange hat keinen Grund zu fliehen

Die Ablehnung des US-Auslieferungsantrags am vergangenen Montag habe die Lage für den 49-Jährigen geändert, sagte Edward Fitzgerald am Mittwoch während der Verhandlung in London. Assange habe keinen Grund, aus dem Land zu fliehen, sondern vertraue dem ordnungsgemäßen Verfahren in Großbritannien.

Außerdem betonte Fitzgerald die persönliche Situation des gebürtigen Australiers. „Es ist die erste Möglichkeit, mit seinen jungen Kindern zusammenzuleben.“ Assange war während seines jahrelangen Asyls in der ecuadorianischen Botschaft in London Vater zweier Kinder geworden. Assange sitzt seit 15 Monaten in London in Haft. Er solle nun wenigstens seine „bedingte Freiheit“ wiedererhalten, sagte der Anwalt vor der Entscheidung durch das Gericht.

Demonstrationen nach dem Urteil gegen Julian Assange am 4.1.2021 in London
Reuters/Henry Nicholls
„Die Wahrheit ist kein Verbrechen“: Unter seinen Unterstützern gilt Assange als investigativer Journalist

Fitzgerald wies vor Gericht auch darauf hin, dass es in Assanges Zellentrakt einen starken Coronavirus-Ausbruch gegeben habe. Richterin Baraitser allerdings betonte unter Berufung auf aktuelle Zahlen der Gefängnisleitung, dass derzeit nur drei Gefangene infiziert seien.

US-Vertreterin warnte vor Freilassung

„Er hat gezeigt, dass er sehr viel auf sich nehmen kann, um einer Auslieferung zu entgehen“, sagte die US-Vertreterin vor Gericht, Clair Dobbin, am Mittwoch in London. Die Anwältin verwies auf Assanges Flucht in die Botschaft von Ecuador sowie Hilfs- und Asylangebote vor allem lateinamerikanischer Staaten wie zuletzt Mexiko. Dobbin sagte, Assange habe das Vertrauen derjenigen ausgenutzt, die sich auf ihn verlassen hätten. Er betrachte sich als über dem Gesetz stehend.

NGO sieht geringe Erfolgschancen für US-Justiz

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen sieht, was eine Auslieferung betrifft, keine großen Erfolgschancen mehr für die US-Justiz. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Berufung der USA Erfolg haben wird“, sagte die Londoner Vertreterin der Organisation, Rebecca Vincent, der Deutschen Presse-Agentur.

„Ich sehe nicht, welche neuen Argumente die Anwälte vor Gericht einbringen könnten.“ Sie hofft, dass der gewählte US-Präsident Joe Biden nach seinem Amtsantritt die Strafverfolgung Assanges beilegen wird. Biden soll am 20. Jänner in den USA vereidigt werden und damit die Ära Donald Trumps beenden.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte das Urteil. „Die heutige Entscheidung, Julian Assanges Antrag auf Kaution abzulehnen, macht seine fortgesetzte Inhaftierung zu einem Akt der Willkür und verschlimmert die Tatsache, dass er seit mehr als einem Jahr unter harten Bedingungen im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert ist“, betonte der Europa-Direktor von Amnesty, Nils Muiznieks, laut einer Aussendung seiner Organisation.

UNO-Warnung vor Präzendenzfall

Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, warnte vor einem Präzedenzfall, „der investigativen Journalisten den Schutz der Pressefreiheit verweigert und den Weg für ihre Strafverfolgung unter dem Vorwurf der Spionage ebnet“. Das Urteil vom Montag sei gefährlich. Es gehe nur noch um die Frage, ob Assange fit genug sei, um die Haftbedingungen in den USA zu erdulden, sagte Melzer einer Mitteilung zufolge.