Verabreichung einer Covid-Impfung
APA/Georg Hochmuth
Offizieller Impfbeginn

Opposition ortet weiter Versäumnisse

Obwohl die Regierung den offiziellen Impfbeginn von 12. Jänner auf „noch diese Woche“ vorverlegt hat, ortet die Opposition weiter Versäumnisse. Die SPÖ will eine Sondersitzung des Nationalrats am Donnerstag beantragen, die FPÖ sieht ein „Impfchaos“, und NEOS stört sich am „Abfeiern“ des Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP). Noch diese Woche sollen jedenfalls rund 21.000 Dosen verimpft werden, heißt es aus den Ministerien.

Die SPÖ sieht die CoV-Impfaktion durch „das Chaos, das Zögern und die Pannen“ der türkis-grünen Regierung gefährdet, was der Grund für die Einberufung der Sondersitzung sei. Für SPÖ-Partei- und -Klubvorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist das Vorgehen der Regierung „fahrlässig“, wie sie in einer Stellungnahme erklärte. Die CoV-Impfung sei der „Schlüssel im Kampf gegen die Corona-Pandemie“, daher müsse das Motto „Impfen, impfen, impfen!“ lauten, so die SPÖ-Chefin.

Die Impfung sei nicht nur wichtig für die Gesundheit der Menschen, sondern auch für die heimische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, argumentierte Rendi-Wagner: „Ein Zögern schwächt die Impfbereitschaft und erhöht das Risiko von Virusmutationen. Deshalb muss Geschwindigkeit aufgenommen und der Impfturbo eingeschaltet werden.“ Andere Länder hätten vorgezeigt, dass das möglich sei. Es brauche nun eine „wirksame und neue Teststrategie“ für die Zeit nach dem Lockdown, bzw. bis eine hohe Durchimpfungsrate erreicht ist, so die SPÖ-Chefin.

FPÖ: „Versagen“ der Regierung

Auch die FPÖ hat am Mittwoch kein gutes Haar an der Regierung gelassen und ihr einmal mehr „Versagen“ in der Pandemie attestiert. Als Beleg dafür führte FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer an, dass, obwohl in Österreich seit Tagen Zigtausende Impfdosen lagern, der Start der Impfung in Altenwohn- und Pflegeheimen erst für den 12. Jänner geplant gewesen sei, wie Sektionschefin Katharina Reich am Dienstag in der ZIB2 bestätigte. Und nach einer „Welle des Entsetzens“ gehe es nun offenbar doch, dass in dieser Woche 21.000 Dosen verabreicht werden.

Impfstart wird vorgezogen

Ursprünglich sollte erst ab 12. Jänner großflächig geimpft werden. Das Gesundheitsministerium will nun aber doch schon diese Woche mehr Impfungen durchführen.

Gerade im Bereich der Altenwohn- und Pflegeheime passiere „ein schwerer Fehler nach dem anderen“, so Hofer, der eine lange Liste an Verfehlungen ortet. Etwa sei die Vorbereitung auf die zweite Welle verschlafen worden. Dann seien Heime mit mangelhaften FFP2-Masken im Auftrag des Gesundheitsministeriums beliefert worden. Zudem sei verabsäumt worden, rechtzeitig eine „echte Teststrategie“ in den Heimen zu installieren. Und die „Impfpanne“ sei nun der letzte Anschlag auf die besonders gefährdeten Mitmenschen in den Heimen.

NEOS: Immer noch über 100.000 Dosen ungenutzt

Scharfe Kritik an der Regierung kam auch von NEOS. Es sei entschieden zu wenig, dass sich der Kanzler jetzt dafür „abfeiere“, dass nach „medialem Druck“ und „verstörenden Interviews“ des Coronavirus-Sonderbeauftragten und der neu bestellten Sektionschefin im Gesundheitsministerium nun doch noch 20.000 Impfdosen diese Woche verimpft werden sollen, so Loacker: Bis jetzt seien über 6.400 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben, die Hälfte davon in Alters- und Pflegeheimen. „ÖVP und Grüne nehmen mit ihrer Untätigkeit und dem von ihrer Regierung verursachten Impfchaos in Kauf, dass es noch mehr werden.“

In Graz wird die Schauspielerin Gerti Pall (88) geimpft
APA/Peter Kolb
In einigen Pflegeheimen wird schon geimpft, andere müssen noch warten

Für Loacker ist es zu wenig, dass diese Woche nun doch noch 20.000 Impfdosen verimpft werden sollen. Bis Ende der Woche werden rund 135.000 Dosen angeliefert worden sein, so Loacker: „Es ist grob fahrlässig, ja gemeingefährlich, wenn die Regierung mehr als 100.000 Dosen ungenutzt herumliegen lässt.“ Dass in den vergangenen zehn Tagen erst 6.770 Menschen in Österreich geimpft worden sind, sei „ein erbärmliches Versagen auf höchster Ebene“.

Ärztekammer: Brauchen keine „Showpolitik und Chaos“

Kritik hagelt es nicht nur von der Opposition. „Seit der ersten öffentlichkeitswirksamen Showimpfung am 27. Dezember ist viel zu wenig geimpft worden – nun scheint es, nach anhaltender Kritik, doch etwas schneller zu gehen“, sagte Harald Mayer, Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Es sei irritierend, dass nicht von Anfang an mehr Tempo beim Impfen an den Tag gelegt worden sei: „Es fehlt ein konkreter Impfplan, zuerst wird lang auf einen Termin beharrt, dann geht es doch plötzlich schneller. Die Bevölkerung braucht aber klare, konkrete Pläne statt Showpolitik und Chaos.“

„Allein aus Rücksichtnahme auf das Personal, dieses so rasch wie möglich in den Spitälern und somit das gesamte Gesundheitssystem zu entlasten, sollte hier das Motto gelten, rasch und effizient durchzuimpfen“, sagte Daniel von Langen, stellvertretender Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte und Turnusärztevertreter.

Laut dem Gesundheitsministerium sind in Österreich bisher 6.770 Personen geimpft worden, davon seit Silvester 700. Zum Vergleich: In Deutschland sind allein in den Pflege- und Altersheimen 190.000 Menschen geimpft worden. Das zeige, so Mayer und von Langen, dass es durchaus möglich sei, gut organisiert in kurzer Zeit deutlich mehr Menschen zu impfen – und das auch transparent über ein Dashboard zu machen. „Mit der Ankündigungspolitik in Österreich muss jetzt Schluss sein. Es sind Taten angebracht“, sagt Mayer. „Es geht schließlich nicht nur um den Schutz der Bevölkerung und der Entlastung der Spitäler, sondern auch um die wirtschaftlichen, persönlichen und psychischen Folgen des Lockdowns", so Langen.

„Geht um Schnelligkeit und Menschenleben“

Auch die in der kommenden Kalenderwoche eintreffenden rund 60.000 zusätzlichen Dosen sollen rasch verimpft werden, hieß es. „Beim Impfen geht es um Schnelligkeit und um Menschenleben. Daher gibt es keinen Grund, dass Impfdosen über Wochen zwischengelagert werden“, begründete Kanzler Kurz die Vorverlegung des offiziellen Impfbeginns.

Kurz verweist auf „europäischen Beschaffungsprozess“

Österreich könne den europäischen Beschaffungsprozess nicht beeinflussen, sagte Kurz außerdem: „Aber was wir tun können und tun müssen, ist, dass jeder gelieferte Impfstoff schnellstmöglich verteilt und verimpft wird.“ Vorrang hätten alle Altenwohn- und Pflegeheime. Diesbezüglich sei man mit den Ländern und Pflegeheimen in Kontakt. Werden Impfdosen dort noch nicht abgerufen, sollen diese an die Bundesländer übergeben werden, damit ältere Menschen, die nicht in Pflegeheimen leben, sowie medizinisches Personal schnell geimpft werden können, erklärte der Kanzler.

Analyse zur Impfstrategie der Regierung

ORF-Innenpolitikredakteur Andreas Mayer-Bohusch analysiert die neuen Pläne der Regierung.

Man liege bei der Auslieferung jedenfalls „gut im Plan“, hielten am Dienstag der Verband der Österreichischen Impfstoffhersteller (ÖVIH) und der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) fest. „Für Österreich stehen ausreichend Impfstoffdosen zur Verfügung. Allein vom Biontech/Pfizer-Impfstoff sind aus dem von der EU-Kommission vereinbarten Umfang 5,5 Millionen Dosen für Österreich vorgesehen“, sagte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) appellierten am Mittwoch an die Einrichtungen in allen Bundesländern, die Impfstoffe abzurufen. „Nur wenn der Impfstoff auch angefordert wird, können die zuständigen Stellen die Impfstoffe auch liefern“, so Tanner. Auch wenn dieser sensible Impfstoff eine logistische Herausforderung sei, „wollen wir doch, dass er möglichst rasch zu den am meisten von Corona gefährdeten Menschen kommt“, sagte Anschober.

Anschober: Impfkampagne nimmt Tempo auf

Durch die Genehmigung der Marktzulassung eines zweiten Impfstoffes von Moderna und der erwarteten Zulassung eines dritten Impfstoffes durch AstraZeneca „kann unsere Impfstrategie wie geplant Schritt für Schritt umgesetzt werden“, sagte der Gesundheitsminister. Im ersten Quartal sei man bei einer verbindlichen Lieferung von 927.000 Dosen durch Biontech und 200.000 von Moderna.

Nach den positiven Erfahrungen einer kurzen Pilotphase könne man in einer zweiten Phase nun über 21.000 Impfungen bis Sonntag vorziehen. Für die kommende Woche ist laut Anschober bereits jetzt die Auslieferung von 53.745 Dosen fixiert, ab Dienstag wird gleichzeitig parallel flächendeckend in ganz Österreich in Altersheimen und Covid-19-Stationen geimpft. Ab diesem Anlaufen des umfassenden Logistikkonzeptes werden alle gelieferten Impfdosen raschestmöglich verimpft.

Lehner: E-Impfpass kann Impfquote in Echtzeit erfassen

Unterdessen ist laut dem Vorsitzenden der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, der elektronische Impfpass nicht nur „voll einsatzbereit“, sondern es kann mit ihm auch die Durchimpfungsrate tagesaktuell erfasst und abgerufen werden. Damit könne er zum „entscheidenden Faktor“ für den Sieg über die Pandemie werden, so Lehner am Mittwoch. Das Pilotprojekt wurde im Herbst gestartet, mittlerweile hätten „sämtliche niedergelassenen Ärzte österreichweit“ Zugang.

Geht es nach der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), müsse der Implementierung des E-Impfpasses „allerhöchste Priorität“ eingeräumt werden, wie deren Präsident Thomas Szekeres sagte. So wichtig andere Projekte wie beispielsweise das E-Rezept auch seien, „der E-Impfpass hat jetzt absoluten Vorrang“, sagte auch dessen Vize und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart.

Tablet-Lösung für Wahlärzte?

Bis Ende März soll ein Großteil der Arztordinationen angeschlossen sein. Aktuell finden noch die letzten Praxistests statt. Dann startet die Ausrollung der Software im niedergelassenen Bereich. Für jene Ärztinnen und Ärzte, die das E-Card-System nicht verwenden, wie beispielsweise Medizinerinnen und Mediziner, die keinen Kassenvertrag haben, Arbeits- sowie Schulärztinnen und -ärzte soll es eine Tablet-Lösung geben. Für den Kostenaufwand der Anbindung der jeweiligen Ordinationssoftware erhielten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte eine einmalige Förderung von der Bundesregierung.

Dadurch, dass die Anbindung erst im Laufe des ersten Quartals erfolgt und aktuell noch zu wenige Tablets vorhanden sind, werde der E-Impfpass allerdings erst ab April valide Daten liefern, hieß es. Gerade bei Covid-19-Impfungen müsse dann viel nacherfasst werden.