Pro-Trump-Demonstranten mit einer riesigen US-Flagge
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„Schändlich“

Unruhen lösen international Entsetzen aus

Die Ereignisse am und im Kapitol in der US-Hauptstadt Washington in der Nacht auf Donnerstag haben international für Entsetzen gesorgt. Selbst bisher enge politische Verbündete des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump verurteilten die Erstürmung des US-Kongresses durch Anhänger Trumps.

Nach einem ersten Schweigen reagierte am Donnerstag die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying: „Wir hoffen, dass das amerikanische Volk so schnell wie möglich wieder Frieden, Stabilität und Sicherheit genießen kann.“ Zuvor hatte die chinesische Botschaft in den USA aufgrund der „ernsten“ Situation eine Warnung für die chinesischen Bürger in den USA ausgesprochen.

Bei den Vorfällen handle es sich um eine inneramerikanische Angelegenheit, sagte Maria Sacharowa am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. „Gleichwohl richten wir die Aufmerksamkeit erneut darauf, dass das US-Wahlsystem archaisch ist, es entspricht nicht heutigen demokratischen Standards.“ Das lasse Raum für „zahlreiche Verstöße“, sagte Sacharowa. Russland wünsche dem amerikanischen Volk, „dass es diesen dramatischen Moment der eigenen Geschichte mit Würde übersteht“.

Mit großen Entsetzen reagierten die Spitzen der EU sowie zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Von „schändlichen Szenen im US-Kongress“ sprach der britische Regierungschef Boris Johnson. Er hatte immer wieder die „guten Beziehungen“ zu Trump betont, dieser bezeichnete ihn vice versa als „britischen Trump“.

Britische Innenministerin gibt Trump Schuld

„Die Vereinigten Staaten stehen in aller Welt für Demokratie, und nun ist entscheidend, dass es zu einer friedlichen und geordneten Machtübergabe kommt“, sagte Johnson nun. Ihm wird vorgeworfen, dass er Trumps Festhalten an der Macht nicht kritisiert hatte. Der britische Außenminister Dominic Raab fügte hinzu: „Die USA sind zu Recht stolz auf ihre Demokratie, und es kann keine Rechtfertigung für die gewaltsamen Versuche geben, die rechtmäßige und anständige Machtübergabe zu behindern.“ Die britische Innenministerin Priti Patel machte Trump direkt für die Unruhen verantwortlich. Seine Äußerungen hätten zu den Ausschreitungen geführt.

„Angriff auf US-Demokratie“

„In den Augen der Welt scheint es, als stünde die amerikanische Demokratie heute Abend unter Belagerung“, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Mittwochabend auf Twitter. „Das ist ein beispielloser Angriff auf die US-Demokratie, ihre Institutionen und den Rechtsstaat.“

„Das ist nicht Amerika“, schrieb Borrell weiter. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 3. November müsse „vollständig respektiert werden“. Er schließe sich den Worten des gewählten US-Präsidenten Joe Biden an, fügte Borrell hinzu: „Die Stärke der US-Demokratie wird über extremistische Einzelpersonen triumphieren.“

Von der Leyen: „Glaube an Stärke der US-Institutionen“

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte: „Ich glaube an die Stärke der US-Institutionen und der Demokratie.“ Biden habe die Präsidentschaftswahl gewonnen, unterstrich sie. „Ich freue mich darauf, mit ihm als dem nächsten Präsidenten der USA zusammenzuarbeiten.“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
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Von der Leyen stellte die künftige Zusammenarbeit mit Biden in den Vordergrund

EU-Ratspräsident Charles Michel bezeichnete den US-Kongress als einen „Tempel der Demokratie“. Die EU vertraue darauf, dass die USA eine „friedliche Machtübergabe an Joe Biden sicherstellen“ würden.

„Unter solchen Umständen ist es wichtig, dass die politischen Führer ihren Anhängern die Notwendigkeit aufzeigen, von Gewalt Abstand zu nehmen sowie demokratische Prozesse und Rechtsstaatlichkeit zu respektieren“, ließ UNO-Generalsekretär Antonio Guterres am Mittwoch (Ortszeit) über seinen Sprecher Stephane Dujarric mitteilen. „Aufwiegelung zur Gewalt und Gewalt selbst haben keinen Platz im demokratischen Prozess“, teilte das OSZE-Büro für Menschenrechte und demokratische Institutionen (ODIHR) mit.

Van der Bellen: „Angriff auf Herz der Demokratie“

„Ich beobachte mit tiefer Sorge den populistisch angestachelten, demokratieverachtenden Angriff auf das Kapitol in Washington, das Herz der US-Demokratie“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf Twitter. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg zeigten sich auf Twitter „schockiert über die Szenen in Washington“ bzw. „tief beunruhigt über den Angriff auf die Demokratie“. Nun müsse eine friedliche und geordnete Machtübergabe gesichert werden, twitterte Kurz.

Schallenberg sprach von einem „inakzeptablen Angriff auf die Demokratie“. Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verurteilte auf Twitter den „bedrohlichen Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat“. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte sich ebenso wie die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) „schockiert“. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) warnte indes vor extremem Gedankengut.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich auf Twitter ebenfalls bestürzt über die „Bilder der Gewalt“: „Mit Biden muss diese Spaltung der USA überwunden werden.“ FPÖ-Chef Norbert Hofer nannte die Bilder aus Washington „verstörend und angsteinflößend zugleich“. Demokratie sei „keine Selbstverständlichkeit“, man müsse alles dafür tun, „damit sie nicht untergraben und geschwächt wird“. NEOS-Außenpolitik-Sprecher Helmut Brandstätter hoffte, der Angriff könne ein „Weckruf für mehr gegenseitigen Respekt und Gesprächskultur zwischen Regierenden und Opposition“ sein.

„Wir glauben an die Demokratie“

Donnerstagfrüh verurteilte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer auf Twitter verbreiteten Videobotschaft den Sturm auf das Kapitol. Wenn in einer der ältesten Demokratien der Welt die Anhänger eines scheidenden Präsidenten mit Waffeneinsatz die legitimen Ergebnisse einer Wahl infrage stellen, dann werde das universelle Prinzip „ein Mensch, eine Stimme“ attackiert, so Macron. Auf Englisch beendete er seine sonst in Französisch gehaltene Rede mit den Worten: „Was heute in Washington DC passiert ist, ist nicht Amerika, definitiv nicht. Wir glauben an die Stärke unserer Demokratien. Wir glauben an die Stärke amerikanischer Demokratie.“

Auch der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach von einem „ernsthaften Angriff auf die Demokratie“ der Vereinigten Staaten. Sein deutscher Amtskollege Heiko Maas reagierte besorgt: „Trump und seine Unterstützer sollten endlich die Entscheidung der amerikanischen Wähler*Innen akzeptieren und aufhören, die Demokratie mit Füßen zu treten.“ Auch NATO-Chef Jens Stoltenberg sprach von „schockierenden Szenen“.

Merkel „wütend und traurig“

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war angesichts der Ausschreitungen in Washington „wütend und auch traurig“. Auch sie gab Trump dafür die Verantwortung. Sie bedauere, dass dieser bis heute seine Niederlage bei der Präsidentenwahl nicht eingestanden habe. Das habe die Ereignisse erst möglich gemacht. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis zeigte sich zuversichtlich, dass die Demokratie in den USA die Krise überwinden werde. Die Ereignisse seien jedoch schrecklich und machten ihm Angst. Als „Sturm auf das Herz der Demokratie“ verurteilte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ereignisse. Er sprach von einem „bewaffneten Mob, aufgestachelt von einem amtierenden Präsidenten“.

Abgeordneter bereut Trumps Nobelpreis-Nominierung

Auch europäische Rechtspopulisten übten Kritik. „Jede Gewalttat, die darauf abzielt, den demokratischen Prozess zu untergraben, ist unzulässig“, sagte etwa die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen. „Der Sturm auf das Kapitol ist ein gewaltsamer Angriff auf die höchsten demokratischen Institutionen der USA“, hieß es in einer Erklärung der AfD-Spitze Jörg Meuthen und Tino Chrupalla sowie der Bundestagsfraktionschefs Alexander Gauland und Alice Weidel.

Christian Tybring-Gjedde von der norwegischen rechtspopulistischen Fortschrittspartei, der Trump für den Friedensnobelpreis nominiert hatte, würde das nicht noch einmal tun. Die Nominierung für 2021 sei für Trumps Engagement für das Abkommen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Israel gewesen. Nach der Wahlniederlage habe sich Trump allerdings nahezu „mental instabil“ gezeigt. Nun halte er einen Preis für Trump für „sehr unnatürlich“, so Tybring-Gjedde.

Für Polen „innere Angelegenheit“ der USA

Polen glaube an die Kraft der amerikanischen Demokratie, so der polnische Präsident Andrzej Duda. Die Ereignisse seien aber die „innere Angelegenheit der Vereinigten Staaten“. Die Macht hänge vom Wählerwillen ab, und über die Sicherheit des Staates und seiner Bürger würden die dazu berufenen Dienste wachen.

Gesetzlosigkeit und Gewalt seien das Gegenteil von den Werten, die Amerikaner und Israelis schätzten, sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor einem Treffen mit US-Finanzminister Steven Mnuchin in Jerusalem. „Ich habe keinen Zweifel, dass die amerikanische Demokratie siegen wird – sie hat es immer getan.“ Der israelische Außenminister Gabi Aschkenasi nannte die Tumulte in der US-Hauptstadt einen Angriff auf die demokratischen Werte.

„Was da in den USA passiert ist, zeigt auch den beträchtlichen Imageschaden, den dieser Mensch (Trump) der großen Nation USA zugefügt hat“, sagte der iranische Präsident Hassan Rouhani. Während seiner Präsidentschaft habe Trump die Demokratie geschwächt, dafür aber den Populismus gestärkt, sagte der iranische Präsident im Staatsfernsehen weiter. Rouhani sagte, er hoffe, dass die USA und die Welt diesen „Analphabeten“ bald los seien und der neue US-Präsident Biden und sein Team ihre Lehren aus den vergangenen vier Jahren ziehen würden.

Venezuela: USA in „tiefer Krise“

Venezuela hat nach dem Sturm von Trump-Anhängern auf das US-Kapitol in Washington die „politische Polarisierung“ und „Spirale der Gewalt“ in den USA verurteilt. Diese zeige „die tiefe Krise, in der sich das politische und soziale System der Vereinigten Staaten befindet“, hieß es in einer Erklärung des venezolanischen Außenministers Jorge Arreaza. „Mit dieser unglücklichen Episode leiden die USA unter dem, was sie anderen Ländern mit ihrer Politik der Aggression angetan haben.“

Argentiniens Präsident Alberto Fernandez zeigte sich über die Ereignisse bestürzt. Er vertraue aber darauf, dass es einen friedlichen Machtwechsel, der den Willen des Volkes anerkenne, gebe.