Der Sonderbeauftragte des Gesundheitsministeriums, Clemens Martin Auer
APA/Robert Jaeger
Impfstart

Anschober stellt sich hinter Auer

Die Kritik am Impfstart hat auch Gerüchte genährt, wonach der Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium, Clemens Martin Auer, vor der Ablöse stehe. Dem widersprach am Donnerstag Ressortchef Rudolf Anschober (Grüne) vehement und stellte sich hinter seinen Spitzenbeamten. Zuvor hatte die Regierung angekündigt, den Impfstart nach vorne zu verlegen – und bereits im Jänner auch außerhalb der Heime zu impfen.

„Ich schätze die Arbeit dieses Teams sehr, das sind sehr, sehr engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Und von daher gibt es null Notwendigkeit, auch nur irgendeine personelle Veränderung durchzuführen“, sagte Anschober auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Auer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Donnerstag.

Man habe im Gesundheitsministerium seit fast einem Jahr „eine gigantische Herausforderung“, so Anschober. „Dieses Gesundheitsministerium ist das Steuerungszentrum – mit Unterstützung vieler in dieser Republik – für die Bekämpfung der Pandemie. Das ist eine enorme Herausforderung für dieses Team in diesem Haus“, nahm der Minister seine Mitarbeiter vor Kritik in Schutz.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, der Sonderbeauftragte des Gesundheitsministeriums Clemens Martin Auer und AGES-Geschäftsführer Thomas Kickinger
APA/Robert Jaeger
Bei einer Pressekonfernz mit Tanner und Auer stellte sich Anschober hinter seinen Spitzenbeamten

Bereits zuvor hatte eine Sprecherin Anschobers es als „völlig absurd“ bezeichnet, von personellen Konsequenzen unter Mitarbeitern zu schreiben. Die „Kleine Zeitung“ hatte zuvor berichtet, dass Auer angesichts der Diskussionen über den Impfstart auf Drängen der Regierungsspitze abgezogen worden sein soll.

Auer: „Nur noch Lieferproblem“

Auer selbst nahm bei der Pressekonferenz zu dem Zeitungsbericht nicht Stellung. Er widersprach allerdings Berichten, laut denen Zehntausende Impfdosen in Lagern „herumkugeln“. Das sei ein „Mythos“. Die zweite Lieferung von Pfizer und Biontech über 62.000 Dosen sei überhaupt erst „heute ins Land gekommen“, so Auer am Donnerstag.

Für Österreich – wie für die ganze EU – gebe es schon jetzt kein Mengenproblem mehr, sondern „nur noch ein Lieferproblem“, so der Sonderbeauftragte. Nach der Zulassung der Impfstoffe von Biontech und Pfizer sowie Moderna bestehe für die 450 Millionen EU-Bürger jetzt das Problem, „dass die Liefermengen noch nicht ausreichend sind“, sagte der Sonderbeauftragte. Es gebe jedoch insgesamt rund zwei Milliarden Dosen, die vertraglich zugesichert sind.

Was den Impfstoff von Moderna betrifft, kommt Österreich eine besondere Rolle in der EU zu. Die auszuliefernden Chargen werden jeweils von der Agentur für Gesundheits- und Ernährungssicherheit (AGES) kontrolliert, bevor sie verimpft werden, so Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin des Geschäftsfeldes Medizinmarktaufsicht der AGES. Dafür schickt der Hersteller von jeder Charge Proben nach Österreich, deren Qualität dann von der AGES geprüft wird.

Impfung außerhalb der Heime schon im Jänner

Die am Mittwoch erfolgte EU-Zulassung des Impfstoffs von Moderna nannte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag jedenfalls als einen Grund, warum nun bereits im Jänner auch außerhalb der Altersheime mit der Impfung von Menschen über 80 Jahren begonnen werden soll. „Je schneller wir die ältere Generation und vulnerable Gruppen impfen, desto besser werden wir die Krankenhäuser und Intensivstationen entlasten“, so der Kanzler.

Impfung außerhalb der Heime schon im Jänner

In die Impfkampagne in Österreich kommt nun Bewegung. Zunächst war geplant gewesen, dass am 12. Jänner österreichweit in Pflege- und Altersheimen mit den Impfungen begonnen wird. Schon am Mittwoch hieß es, dass dieser Impfstart vorgezogen wird. Am Donnerstag ließ Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wissen, dass erste Impfungen außerhalb der Heime ebenfalls bereits im Jänner stattfinden sollen.

Auch die in der kommenden Kalenderwoche eintreffenden rund 60.000 zusätzlichen Dosen sollen rasch verimpft werden, hieß es. „Beim Impfen geht es um Schnelligkeit und um Menschenleben. Daher gibt es keinen Grund, dass Impfdosen über Wochen zwischengelagert werden“, so Kurz.

„Detailkonzept in Erarbeitung“

Wie die Impfungen abseits der Krankenhäuser und Heime ablaufen sollen, war am Donnerstag allerdings noch nicht klar. Anschober sprach bei der Pressekonferenz mit Tanner auf Nachfrage von einem „Detailkonzept in der Erarbeitung“. Eine „wesentliche Rolle“ sollen laut dem Gesundheitsminister die Gemeinden spielen. Auch niedergelassene Ärzte sollen eingebunden werden. Priorität hätten aber weiterhin die Menschen in den Alters- und Pflegeheimen. Auch wenn die Bevölkerungsgruppe über 80 Jahren „schrittweise“ vorgezogen werden solle.

ORF-Reporter Jänsch zum Impfplan

ORF-Reporter Christian Jänsch berichtet über die Impfstrategie der Regierung. Über 80-Jährige, die sich zu Hause befinden oder familiär betreut werden, sollen bereits im Jänner die Impfung gegen das Coronavirus erhalten können.

Wie bereits zuvor im Ö1-Morgenjournal sagte der Gesundheitsminister, dass die Pilotphase bisher gut verlaufen sei, jetzt könne man mehr in die Breite gehen. „Ziel ist, dass wir bis Ende des Sonntags auf fast 30.000 Impfungen kommen werden.“ Für Montag seien bisher 30.000 Reservierungen eingelangt. Laut Gesundheitsministerium wurden bisher in Österreich Impfdosen für 15.905 Personen ausgeliefert. In der kommenden Woche sollen zumindest weitere 55.000 Impfungen stattfinden, gab das Ministerium bekannt.

Anschober beschwört „Teamwork“

Keine näheren Details ließ sich Anschober am Donnerstag zu möglichen koalitionsinternen Diskussionen entlocken. Dem Vernehmen nach waren die ÖVP und vor allem Bundeskanzler Kurz mit dem langsamen Impfstart in Österreich unzufrieden. In einer Aussprache zwischen Kurz, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Tanner und Anschober soll am Dienstagabend festgelegt worden sein, dass doch vor dem ursprünglich festgelegten 12. Jänner der allgemeine Impfstart erfolgen soll.

Am Donnerstag dankte Tanner bei dem gemeinsamen Pressetermin mit Anschober denn auch Kurz für die Vorverlegung des Impfbeginns. Auf die Nachfrage, wer denn nun was entschieden habe, betonte Anschober hingegen nur mehrfach das „Teamwork in der Bundesregierung“.

Opposition sieht weiter Versäumnisse

Die Opposition wollte sich mit solchen Beteuerungen auch am Donnerstag nicht zufriedengeben. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kritisierte am Donnerstag in einer Pressekonferenz erneut den zögerlichen Impfstart seitens der Regierung. „Impfen heißt Menschenleben retten. Da können wir uns keinen einzigen Tag Pause gönnen.“ Der zuvor von NEOS vorgebrachten Forderung nach einem Rücktritt von Gesundheitsminister Anschober schloss sie sich jedoch nicht an. Der Minister sei in der Verantwortung, das Land so gut wie möglich aus der Krise zu führen.

In Graz wird die Schauspielerin Gerti Pall (88) geimpft
APA/Peter Kolb
In einigen Pflegeheimen wird schon geimpft, andere müssen noch warten

Zumindest, was die Impfungen angeht, ist das für Rendi-Wagner derzeit nicht der Fall. Man habe schon seit Anfang November gewusst, dass zu Weihnachten ein Impfstoff zur Verfügung stehen werde, und trotzdem seien keine entsprechenden Vorbereitungen getroffen werden. So ist der SPÖ-Chefin auch unklar, warum der E-Impfpass noch immer nicht fertig sei. Ärgerlich ist für Rendi-Wagner, dass mit dieser Vorgangsweise seitens der Regierung das Vertrauen der Bevölkerung verspielt werde. Nicht einmal Apotheker und Hausärzte seien entsprechend informiert. Dabei helfe die beste Impfung nichts, wenn sie nicht in den dafür vorgesehenen Muskel injiziert werde.

Anschober für NEOS rücktrittsreif

Noch schärfer fiel die Kritik an der Regierung durch NEOS aus. Gesundheitsminister Anschober „gehört weg“, sagte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker bei einer Onlinepressekonferenz am Donnerstag. Anschober sei die „personifizierte Pannenserie“ und für das Chaos um die Impfungen verantwortlich. Wenn Anschober „zehn Deka Anstand“ hätte, „würde er von selbst den Hut nehmen“, sagte Loacker. Anschober habe als Gesundheitsminister bisher kein Projekt auf die Reihe bekommen, so der Nationalratsabgeordnete.

Auch Bundeskanzler Kurz könne nicht aus der Verantwortung genommen werden, so Loacker. Kurz werde seiner Koordinierungsaufgabe nicht gerecht. „So wie Anschober sein Ministerium nicht im Griff hat, hat Kurz seine Regierung und auch die Krise nicht im Griff.“ Der Kanzler nehme in Kauf, dass Menschen sterben, weil die Impflogistik nicht funktioniere und die Impfung dadurch um Wochen verzögert werde. Loacker: „Das Chaos, Herr Bundeskanzler, ist auch Ihr Chaos, und das haben Sie mitzuverantworten.“

FPÖ-Kritik an E-Impfpass

Kritik kam am Donnerstag auch von den Freiheitlichen – wenn auch mit einer anderen Stoßrichtung. FPÖ-Klubobmann Herber Kickl sah im elektronischen Impfpass „einen weiteren Schritt Richtung Impf-Apartheid“ und kündigte Widerstand gegen das Projekt an. Laut Kickl soll der E-Impfpass dazu dienen, „Nicht-Corona-Geimpfte lückenlos zu stigmatisieren“. Dieser könnte Grundlage für Zugangsschranken bei sämtlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten sein, so Kickl: „Und im Gegensatz zu ELGA gibt es hier nicht einmal die Möglichkeit eines Opting-out.“