Szene aus „Train your baby like a dog“
TVNOW
Mediendebatte

Mit dem Hundetraining in die Kinderstube

Die Eltern, die im Alltag nicht hin und wieder (oder öfters) an ihren Kindern verzweifeln, sind noch nicht gefunden. Die einen versuchen es nach schlechten Tagen mit gutem Willen – und lesen nach bei Jesper Juul und Co. Anderen macht das Fernsehen ein Angebot: Versuch es doch mit der Kindererziehung wie beim Hundetraining. Nach dem Modell „Super Nanny“ soll nun die Hundenummer für Durchsetzung sorgen. Eine Debatte über Erziehung und Moral ist nur eine Folge. Das Kinderleben ist offenbar nicht nur kein Ponyhof. Sondern auch kein Hundeleben.

Zwei Haushalte in Deutschland. In Chemnitz eine das Zähneputzen verweigernde Zweijährige, die brüllend ins Gitterbett gesetzt wird, wo sie unter keinen Umständen schlafen will; in Berlin eine Vierjährige, die das Geschwisterkind mit dem Spielzeugkochlöffel verfolgt und nach Aussage der Eltern unkontrollierbar ist – beide werden von einer Hundetrainerin mit Goodies versorgt und so auf Linie gebracht: So sieht das neue Lebenstrainingsformat aus, das die Kolleginnen und Kollegen von RTL lizenziert haben und seit einer Woche in die Welt bringen. Mit Erfolg auf jeden Fall beim allgemeinen Erregungslevel.

In „Train Your Baby Like a Dog – Die Hund-Kind-Methode“ werden, wie der Titel verrät, Erziehungsmethoden für Hunde auch an Kindern und Kleinkindern angewandt. Aurea Verebes, eine ausgebildete Hundetrainerin, selbst dreifache Mutter, schwört auch bei ihren eigenen Kindern auf die Methode: „Säugetiergehirne“ würden „gleich funktionieren“.

Probleme beim Vokabellernen? Einschlafprobleme? All das lasse sich mit Elementen des Klicker-Trainings beheben, sagte Verebes selbstbewusst. Die Methode aus der Hundeschule arbeitet mit Belohnungssystemen und soll bei Kindern, wie es heißt, „Wege aus der Negativspirale“ zeigen.

Petition und Beschwerden gegen die Landesmedienanstalt

Der Protest ließ nicht lange auf sich warten. Eine im Vorfeld lancierte Petition gegen die Reality-Show zählte 35.000 Unterschriften, der „Spiegel“ (Onlineausgabe) schriebt von 113 Beschwerden, die bisher bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) eingegangen seien. Wurde der Skandal mit ins Kalkül genommen? Vorbild für die Soap ist immerhin die gleichnamige britische Produktion von 2019, die auf ähnliche Reaktionen stieß.

Die Stoßrichtung der Empörung: der Umstand, dass die Sendung auf die Entmenschlichung von Kindern setzt. Und, dass die Kinder aus benachteiligten Familien kommen. Man kokettiere mit der Ähnlichkeit von Kindern mit Tieren, wie auch der renommierte Hamburger Kinderpsychiater Michael Schulte-Markwort und der Strafrechtler Gerhard Strate im Vorfeld monierten.

Allein der Titel widerspreche „dem Menschenbild unserer Verfassung“ und stelle daher „ein unzulässiges Angebot“ dar, hielten die beiden in einem Brief vom 27. Dezember fest.

„Super Nanny“ Katia Saalfrank
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Auch Ex-RTL-„Super Nanny“ Katia Saalfrank kritisierte die Show wegen ihrer überholten Pädagogik

Kinder nicht konditionieren

Abseits des Tierframings samt Provokationsantrieb schlummert ein pädagogisches Problem, das gerade mal ansatzweise Richtung Verhaltenspsychologie deutet: Kinder mögen positiv bestärkt anstatt gescholten werden. Die Umprogrammierung von Kindern über Belohnungssysteme kultiviere das Gehorchen; nicht ebne es aber dem Weg zum selbstständigen Denken, monieren Experten.

Die Familienberaterin Sandra Teml-Jetter formulierte es im „Standard“-Interview so: „Das Kind sollte nicht nur konditioniert werden, sondern auch verstehen, was mit ihm gemacht wird und was genau man von ihm will.“

Öffentliche Kritik an der Sendung kam auch von der Ex-RTL-„Super Nanny“ Saalfrank: Sie rief sie zum Boykott von „Train Your Baby Like a Dog“ auf.