Die demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi
Reuters/Erin Scott
Pelosi zu Trump

„Sofort zurücktreten“ oder Impeachment

Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus planen nach Angaben von mit dem Vorgang vertrauten Personen, am Montag ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump einzuleiten. Ein Dokument der Mehrheitsführerin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in dem Vorwürfe gegen Trump ausgeführt werden, zirkuliere derzeit, hieß es am Freitag in Washington. Und es sprach sich erstmals auch eine republikanische Senatorin für Trumps Rücktritt aus.

Als Anklagepunkt gegen Trump wird vorgebracht: Anstiftung zur Gewalt gegen die US-Regierung mit der Absicht, den Sieg von Joe Biden bei der Präsidentenwahl zu kippen. Die demokratische Führung des US-Kongresses hatte bereits am Donnerstag angekündigt, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump durchzuführen, wenn dieser nicht von Vizepräsident Mike Pence für amtsunfähig erklärt werde.

Nach Angaben einer ranghohen demokratischen Abgeordneten könnte das Repräsentantenhaus bereits am Mittwoch über das Impeachment abstimmen. Laut „New York Times“ („NYT“) stellte die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus Trump vor die Alternative, entweder „sofort zurückzutreten“ oder sonst ein zweites Absetzungsverfahren zu riskieren.

Erste Republikanerin fordert Rücktritt

Der „verstörte Präsident“ stelle eine Gefahr dar, die größer nicht sein könne, warnte Pelosi, die als Vorsitzende des Repräsentantenhauses Trumps mächtigste Gegenspielerin im Kongress ist. Sollte Trump nicht umgehend freiwillig zurücktreten, werde das Parlament handeln. Ein Erfolg gilt allerdings als äußerst unwahrscheinlich – obwohl sich am Freitag mit Lisa Murkowski die erste republikanische Senatorin offen für Trumps sofortigen Rücktritt aussprach. Murkowski ist gemäßigt und kritisierte Trump in den vergangenen Jahren mehrmals offen. In den Reihen der Demokraten ist der Druck zu handeln aber nach dem Angriff auf den Kongress durch Trumps Mob stark gestiegen.

Judd Deere, Sprecher des Weißen Hauses, warnte dagegen vor einer Amtsenthebung Trumps. Ein solcher Schritt so kurz vor dem Ende der Amtszeit würde das Land nur noch mehr spalten, sagte er.

Ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wäre ein historischer Moment. Noch nie in der Geschichte der USA musste sich ein Präsident zweimal einem solchen ohnehin extrem seltenen Verfahren stellen. Gegen Trump hatten die Demokraten bereits Ende 2019 in einer anderen Angelegenheit wegen Machtmissbrauchs und Behinderung des Kongresses ein Impeachment auf den Weg gebracht. Der Senat sprach den Republikaner dann aber im Februar 2020 frei.

Der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy und die demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi
APA/AFP/Getty Images/Tasos Katopodis
Pelosi wurde bereits als Präsidentin des Repräsentantenhauses wiedergewählt.

Biden gegen Absetzung

Der künftige Präsident Joe Biden wollte sich zunächst zu einem eventuellen Impeachment selbst nicht äußern. Bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung seiner letzten Regierungsmitglieder betonte Biden, er habe seit Langem gesagt, dass Trump nicht fähig sei, das Land zu regieren. Am schnellsten werde das Ende von Trumps Zeit durch seine, Bidens, Angelobung vollzogen, so Biden. Aber er betonte: Würde Trumps Amtszeit noch ein halbes Jahr dauern, wäre er sofort für ein Impeachment.

Zugleich betonte Biden, dass Trump nicht zur Angelobung kommen wolle, sei eines der wenigen Male, dass er mit diesem übereinstimme, so Biden.

Seine erste Priorität würden die Bekämpfung der Pandemie und die Wiederbelebung der Wirtschaft sein. In einer späteren Frage kritisierte Biden aber auch Senatoren, die Trump bis zuletzt unterstützen, scharf, darunter Ted Cruz. Dieser und andere sollten bei der nächsten Wahl klar abgewählt werden, so Biden auf die Frage, ob Cruz und andere zurücktreten sollten.

Prominenter Republikaner winkt ab

Der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, lehnt eine Absetzung oder ein neues Amtsenthebungsverfahren indes ab. Den abgewählten Präsidenten zwölf Tage vor der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Biden seines Amtes zu entheben, würde „unser Land nur noch mehr spalten“, sagte McCarthy am Freitag. Für den Start eines Impeachments reicht im Repräsentantenhaus eine einfache Mehrheit, die die Demokraten haben. Das Verfahren selbst findet aber im Senat statt – und zur Amtsenthebung ist dort eine Zweidrittelmehrheit nötig. Dort haben die Republikaner aber bis 20. Jänner eine knappe Mehrheit.

Seit der Erstürmung des Kapitols in Washington durch militante Trump-Anhänger am Mittwoch steht der scheidende Amtsinhaber stark unter Druck. Erst nach langem Zögern verurteilte Trump am Donnerstag die Gewalt in Washington und rief das Land zur „Versöhnung“ und „Heilung“ auf.