Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP)
APA/Helmut Fohringer
Nach Plagiatsvorwürfen

Rücktrittsforderungen an Aschbacher

Der Plagiatsjäger Stefan Weber ortet nicht nur in der Diplomarbeit von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) Plagiate, sondern auch in ihrer Dissertation. Während sich ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann am Samstag zurückhaltend zeigte, forderten FPÖ und SPÖ angesichts der Vorwürfe den Rücktritt der Ministerin. Aschbachers Büro wies die Anschuldigungen zurück.

Die FPÖ forderte heute die Aberkennung der akademischen Titel und den Rücktritt der Ministerin. „Der Kanzler muss sofort den Rücktritt seiner Ministerin einleiten, um weiteren Schaden von der Republik abzuwenden“, forderte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Die Dissertation lese sich, als sei sie von einem Ghostwriter mit nicht deutscher Muttersprache oder von einem Übersetzungsprogramm geschrieben worden.

Auch aus der SPÖ kamen am Wochenende Rücktrittsforderungen – unter anderem vom Nationalratsabgeordneten Max Lercher: „So geht es jedenfalls nicht, dass man von den normalen Leuten fordert, immer noch mehr zu leisten, und sich dann selber durchschummelt.“

SPÖ: „Unverantwortlich und unentschuldbar“

In einer Aussendung der SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl von Samstag heißt es: „Während die Regierung Studierenden das Leben immer schwerer macht, gelten für die Führungsriege der ÖVP offenbar andere Gesetze“, so Kuntzl mit Verweis auf die Novelle des Universitätsgesetzes.

Und weiter: „Wir haben in Österreich eine Rekordarbeitslosigkeit von über 500.000. Doch statt einer ihrer zentralen Aufgaben nachzugehen, die Arbeitslosigkeit zu senken, hat Aschbacher nichts Besseres zu tun, als sich um ihren Titel zu kümmern.“ Das sei „unverantwortlich und unentschuldbar gegenüber allen in Österreich Lebenden, die ihren Job verloren haben und nicht selten um ihre Existenz bangen“, so Kuntzl.

Plagiatsvorwürfe gegen Ministerin Aschbacher

Der für seine Plagiatsprüfungen bekannte Medienwissenschaftler Stefan Weber ortet in der Diplomarbeit von Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) schwere Mängel. „Plagiate, falsche Zitate, mangelnde Deutschkenntnisse“, lautet sein Urteil. Die Ministerin lässt ausrichten, sie habe nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet.

Faßmann erinnert an Guttenberg

Faßmann will unterdessen die Prüfung durch die FH Wiener Neustadt abwarten, wo Aschbacher den Studiengang Wirtschaftsberatende Berufe besuchte. Dass Qualifizierungsarbeiten von Politikerinnen und Politikern im Fokus medialer Aufmerksamkeit stehen, sei nicht neu, sagte Faßmann bei einer Pressekonferenz heute, auf die Plagiatsvorwürfe gegen seine Regierungskollegin angesprochen.

„Mir fällt spontan Guttenberg ein, den es ganz hart getroffen hat“, verwies Faßmann auf den deutschen CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg, der nach der Aberkennung seines Doktortitels 2011 als Verteidigungsminister zurückgetreten war. Die Fachhochschule Wiener Neustadt habe die richtige Vorgangsweise gewählt und prüfe den Fall nun. Vermutlich werde es eine externe Begutachtung geben, so Faßmann. Keine Stellungnahme gibt es vorerst vom Bundeskanzleramt.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
„Mir fällt spontan Guttenberg ein, den es ganz hart getroffen hat“, antwortete Faßmann, als er zu den Vorwürfen gegen seine Kollegin angesprochen wurde

Kritik an der Position Faßmanns kommt von Kuntzl: Zwar sei es richtig, die Vorwürfe zuerst einer Prüfung zu unterziehen, allerdings müsse Faßmann eine eindeutige Position beziehen, welche Konsequenzen es für Aschbacher nach sich zieht, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten“, so die SPÖ-Wissenschaftssprecherin abschließend.

Büro weist Vorwürfe zurück

Weber schrieb am Donnerstag in seinem Blog, die Diplomarbeit sei „eine einzige wissenschaftliche Katastrophe“ und ortete „Plagiate, falsche Zitate, mangelnde Deutschkenntnisse“. Im Büro der Ministerin zeigte man sich Medienberichten zufolge von den Vorwürfen völlig überrascht. Man müsse sich diese erst in Ruhe ansehen, hieß es dazu etwa im „Kurier“.

Aschbacher habe ihre Diplomarbeit 2006 „nach bestem Wissen und Gewissen“ verfasst. Sie habe dafür sogar die Note „Sehr gut“ bekommen, wie der „Standard“ mit Verweis auf Angaben von Aschbachers Pressesprecher berichtete. SPÖ-Wissenschaftssprecherin Kuntzl forderte Aschbacher am Samstag dazu auf, ausführlich Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. „Ein simples ‚nach bestem Wissen und Gewissen‘ gehandelt zu haben, wie es aus ihrem Ministerium heißt, reicht da nicht aus!“, so Kuntzl.

Dokument zur Vergebung der Dissertation inklusie eidesstattlicher Erklärung von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP)
APA
Der für seine Plagiatsprüfungen bekannte Medienwissenschaftler Weber ortet auch in der Dissertation von Aschbacher Plagiate

Dissertation an slowakischer Uni

Sollte die Hochschule zu dem Schluss kommen, dass der Magistergrad durch das Vortäuschen wissenschaftlicher Leistungen erschlichen wurde, ist er wieder abzuerkennen. Dafür ist allerdings nicht nur das eine oder andere schlampige Zitat nötig: Eine Erschleichung ist erst dann anzunehmen, wenn einerseits Täuschungsabsicht vorliegt und andererseits „wesentliche Teile“ ohne entsprechenden Ausweis abgeschrieben wurden.

Konsequenzen hätte eine Aberkennung des Magistergrads auch für den PhD-Titel Aschbachers. Im vergangenen Frühjahr reichte Aschbacher – bereits als Ministerin – ihre Dissertationsschrift an der slowakischen Technischen Universität in Bratislava ein und verteidigte sie im August erfolgreich. Auf etwas über 130 Seiten beschäftigt sich die Politikerin in der Dissertation mit dem „Entwurf eines Führungsstils für innovative Unternehmen“ – so der Titel der Arbeit, die im Onlinekatalog der Universität abrufbar ist.

Weber zur Dissertation: „21 Prozent plagiiert“

Gegenüber der „Kleinen Zeitung“ sagte ein Sprecher von Aschbacher, dass die 2012 angemeldete Arbeit im Wesentlichen Ende 2019 fertiggestellt gewesen sei, also bevor Aschbacher Ministerin wurde. 2020 seien dann nur noch einige Formalitäten zu erledigen gewesen. Die Defensio fand seinen Angaben zufolge im August statt.

Weber sah sich auch die Dissertation an, wie er gegenüber ORF.at sagte. Das Ergebnis: Mindestens 21 Prozent der Arbeit seien plagiiert, sagte er. Demzufolge bestehe der Text zu 21 Prozent aus Textpassagen, die aus anderen Quellen übernommen wurden, ohne sie als Zitate auszuweisen. „Das ist ein sehr hoher Wert“, befindet Weber, der zudem wegen der „systematischen Verschleierung“ indirekter Zitate von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgeht.

Es gebe auch etliche „Stilblüten“, die er so „noch nie“ gesehen haben will. Dass ein Übersetzungsprogramm dafür verantwortlich ist, glaubt er nicht. „Die Programme sind schon so gut, dass sie solche Kunstsätze nicht produzieren.“

„Annahmen sind wie Seepocken“

Die teilweise kaum noch verständlichen Sätze erwecken den Eindruck, als entstammten sie direkt einem automatischen Übersetzungsprogramm. Tatsächlich scheint das bisweilen der Fall zu sein. Puls24 berichtete etwa von einer Stelle, bei der augenscheinlich Teile eines „Forbes“-Artikels von Google Translate übersetzt und dann weitgehend unverändert in die Arbeit kopiert wurden. Darunter findet sich etwa die Feststellung: „Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns.“

Das habe dem „Standard“ zufolge wohl auch dazu geführt, "dass Aschbacher in ihrer Dissertation angibt, für ihre wissenschaftliche Arbeit mit ‚Hunderten von Teams‘ zusammengearbeitet zu haben. Der Autor des „Forbes"-Artikels heißt Robert Tucker und ist Chef einer Consulting-Firma in Kalifornien. Er schrieb: ‚In my work with hundreds of teams (…)‘. Aus ‚work‘ wurde ‚Dissertation‘“.

Papers mit Doktoratsbetreuer veröffentlicht

Aschbacher scheint zudem in Publikationsdatenbanken als Koautorin mehrerer Aufsätze auf, gemeinsam mit ihrem Doktoratsbetreuer und wechselnden dritten Personen. Das Themenspektrum ist weit und reicht von einer Managertypologie über Wasserkraftnutzung in der Slowakei und dem Potenzial für Biomasse bis hin zum Phänomen „Brain Gain“. Die zwischen 2016 und 2020 veröffentlichten Schriften weisen ähnliche Merkmale auf wie Aschbachers Dissertation.

Slowakische Regierung kämpft mit Plagiatsskandalen

Pikant ist auch der Studienort Slowakei: Dort war die Regierung im Vorjahr unter Druck geraten, nachdem Regierungchef Igor Matic, Parlamentspräsident Boris Kollar und Bildungsminister Branislav Gröhling vorgeworfen wurde, bei ihren akademischen Abschlussarbeiten nicht redlich gearbeitet, sondern plagiiert zu haben.

Anfang November beschloss die Regierung dann ein Gesetz, das erlaubt, dass Hochschulen einen akademischen Titel wieder aberkennen können, wenn er durch Betrug erworben wurde. Das allerdings gilt nur für Abschüsse, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes seit 1. Jänner erworben werden. Allen anderen – und damit den betroffenen slowakischen Politikern – droht keine Aberkennung.

In einer parlamentarischen Anfrage will die FPÖ nun von Faßmann erfahren, ob den von der Kommission für wissenschaftliche Integrität schon für 2019 aufgezeigten Mängeln bei Abschlüssen an einer „Hochschule im benachbarten Ausland“ mit Kooperationsvertrag in Österreich nachgegangen werde.