Angelobung von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP)
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Nach Aschbacher-Rücktritt

Kocher als Arbeitsminister angelobt

Nach dem Rücktritt von Christine Aschbacher (ÖVP) am Samstag gibt es seit Montag offiziell einen Nachfolger: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Martin Kocher als neuen ÖVP-Arbeitsminister angelobt. Der 47-jährige gebürtige Salzburger ist parteifrei, zieht aber via ÖVP-Ticket in die Regierung ein.

Bei der Angelobung schilderte Van der Bellen die allgemeinen Umstände, mit denen Kocher als Arbeitsminister umgehen müsse – er stehe vor einer „sehr herausfordernden Aufgabe“. Gleichzeitig verwies das Staatsoberhaupt auf eine „beeindruckende akademische Karriere“ und „fachliche Kompetenz und Expertise“ Kochers. Man durchlaufe eine schwere Beschäftigungskrise, auch sei ein Auge auf den sozialen Zusammenhalt zu legen, sagte Van der Bellen.

Man müsse alles tun, um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern – „und wir wollen in dieser Krise niemanden zurücklassen“, so der Bundespräsident. Van der Bellen hob auch die Hobbys Kochers (Marathonlauf und Bergsteigen) hervor. Dazu brauche es „Durchhaltevermögen, Kondition, Zähigkeit“, „Eigenschaften, die Sie in Ihrem neuen Amt gut brauchen können“.

Bundespräsident Van der Bellen, Bundeskanzler Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Kogler (Grüne) während der Angelobung von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Kocher (r.) mit Bundespräsident und Regierungsspitzen bei der Angelobung

Kocher will „Menschen in Beschäftigung bringen“

Kocher sagte nach seiner Angelobung, ganz entscheidend werde es sein, Arbeitsplätze zu schaffen – und dabei „auf alle Gruppen zu schauen“. Es gebe Gruppen, die stärker von der Krise betroffen sind, und solche, die weniger betroffen sind, so der Minister. Man werde die Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der derzeitigen Akutphase so gut es geht gestalten – aber auch nach Ende des Lockdowns und der derzeit aufrechten Schließungen (etwa in der Gastronomie, im Handel und im Tourismus, Anm.), „um Menschen in Beschäftigung zu bringen“.

Überraschende Kür

Kochers Kür am Wochenende kam überraschend – auch weil die steirische Volkspartei mit dem Ausscheiden Aschbachers nun über keinen Ministerposten im türkisfarbenen Regierungsteam mehr verfügt. Während Aschbacher über eine Plagiatsaffäre stolperte, kann Kocher eine tadellose wissenschaftliche Karriere vorweisen.

Er soll sich als weitgehend unpolitischer Experte ausschließlich auf das Thema Arbeitsmarkt konzentrieren, die Familien- und Jugendagenden wandern ins Kanzleramt – sie werden von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) übernommen. Dafür ist eine Änderung des Bundesministeriengesetzes nötig – diese soll am Donnerstag erfolgen.

Zuletzt IHS geleitet

Der Ökonom und Hochschullehrer Kocher leitete seit September 2016 das Institut für Höhere Studien (IHS) und war seit Juni 2020 auch Präsident des Fiskalrates. Kocher gilt als Experte für Verhaltensökonomie und bis zu seinem Wechsel nach Wien als einer der aktivsten Forscher auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung in Deutschland, wo er bis 2017 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München arbeitete.

Kocher: Anfrage kam überraschend

Die Anfrage, Minister zu werden, sei für ihn überraschend gekommen, sagte Kocher bei seiner Vorstellung am Sonntag. Gleichsam betonte er, in diesen Zeiten Verantwortung übernehmen zu wollen, schließlich handle es sich um die tiefste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Jeder geschaffene Arbeitsplatz werde helfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Laut aktueller IHS-Prognose wird die Arbeitslosigkeit noch 2024 über dem Niveau von 2019 sein. „Das Ziel muss sein, das besser hinzubekommen“, sagte Kocher. Er wolle rascher zurückkehren auf den Wachstumspfad und den Standort stärken.

Martin Kocher und Sebastian Kurz
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Kurz stellte Kocher am Sonntag als neues Regierungsmitglied vor – tags darauf wurde der Ex-IHS-Chef angelobt

„Werden voll losstarten“

Dass die Arbeiterkammer (AK) bereits angekündigt hat, dem neuen Arbeitsminister angesichts der hohen Arbeitslosigkeit keine Schonfrist zu gönnen, nahm Kocher am Sonntag gelassen: „Es gibt keine Einarbeitungszeit. Wir werden voll mit heute Nachmittag losstarten und die Herausforderungen angehen.“

Kocher übernimmt vorerst noch alle Funktionen Aschbachers. Nach einer entsprechenden Änderung des Bundesministeriengesetzes wandert die Zuständigkeit für Familie und Jugend dann zu Raab ins Kanzleramt, was formal eine weitere Angelobung erfordert.

Kurz freut sich über „Topexperten“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte entgegen ersten Plänen die Vorstellung des neuen Ressortchefs im Bundeskanzleramt um einen Tag auf Sonntag vorgezogen. Kurz dankte zuerst Aschbacher erneut, die während der Pandemie gute Arbeit geleistet habe. Sie wolle mit ihrem Rücktritt ihre Familie schützen, das sei zu respektieren.

Auch Aschbacher habe Anspruch auf eine faire Behandlung. Während und nach der Pandemie sei es notwendig, Österreich „zu alter Stärke“ zu führen, so Kurz. Das wolle er mit einem starken Team angehen. „Ich freue mich, dass ich mit Martin Kocher zusätzlich einen Topexperten gewinnen konnte“, so Kurz.

Politologe Filzmaier zur Bestellung von Kocher

Welche Herausforderungen den designierten Arbeitsminister Martin Kocher in seinem Ressort erwarten, analysiert Politologe Peter Filzmaier.

Lob und Kritik für Bestellung

Dem neuen Minister wurde nach seiner Vorstellung ein überwiegend freundlicher Empfang zuteil. Lob gab es vom Koalitionspartner, den Grünen, sowie von SPÖ und NEOS und auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). „Herzlich willkommen“, sagte Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler. Kocher sei „ein kluger Ökonom und vorausschauender Experte“. Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried meinte, dass Kocher in der Öffentlichkeit als Experte gelte. „Es wird jetzt seine Aufgabe sein, dieses Wissen einzubringen, um den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit mit aller Kraft aktiv zu führen.“

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker lobte Kocher als Experten, dem er alles Gute wünsche. Er bedauerte, dass die Regierungsumbildung nicht für einen großen Wurf genutzt wurde, um auch die Gesundheits- und Sozialressorts neu zu organisieren. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian begrüßte die rasche Entscheidung und gratulierte Kocher ebenso wie die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung.

Kritik kam aus der FPÖ. Während für FPÖ-Obmann Norbert Hofer die Qualifikation Kochers „ohne Zweifel“ feststehe und er dem neuen Minister alles Gute wünsche, kritisierte Klubobmann Herbert Kickl den neuen Minister als „beinharten wirtschaftsliberalen Theoretiker“.

Steirische ÖVP nimmt Personalie „zur Kenntnis“

Dass die Familien- und Jugendagenden nun zu Raab ins Frauenressort wandern, stieß bei der SPÖ auf Kritik: SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek kritisierte die Vermischung von Frauen- und Familienpolitik und warf Raab vor, schon als Frauenministerin untätig zu sein. Auch NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter hielt die Vermischung der beiden Themen für problematisch: „Frauenpolitik ist kein Beiwagerl der Familienpolitik.“

Die steirische ÖVP ist mit Aschbachers Abgang im Regierungsteam nicht mehr vertreten. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hatte darauf gedrängt, dass die Nachfolge auch aus der Steiermark kommen soll. Am Sonntag sagte er der APA: „Das Regierungsteam der ÖVP ist Sache von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Wir tragen seine sicher gute Entscheidung mit und nehmen sie zur Kenntnis.“