Mobiltelefon zeigt gesperrtes Twitter-Profil von Donald Trump
Reuters/Joshua Roberts
Trump-Sperre

Politik kritisiert Twitters Machtfülle

Die fragwürdige Symbiose zwischen dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump und seinem bevorzugten Sprachrohr Twitter hat am Wochenende mit Trumps Sperre ein Ende genommen. Dass ein Privatunternehmen einem Staatschef mit einem Schlag seine wichtigste Kommunikationsplattform entziehen kann, dürfte aber noch länger für Debatten sorgen. Am Montag meldeten mehrere europäische Spitzenpolitiker ausdrückliche Kritik an der Machtfülle von Twitter und anderen Big-Tech-Konzernen an.

Unter anderem ließ die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wissen, dass sie Trumps dauerhafte Sperre auf Twitter für „problematisch“ halte. Betreiber von Sozialen Netzwerken hätten eine sehr hohe Verantwortung dafür, dass „politische Kommunikation nicht vergiftet wird durch Hass, durch Lüge, durch Anstiftung zur Gewalt“. Deswegen müssten Netzwerke auf solche Inhalte reagieren.

Allerdings könne in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nur eingegriffen werden „innerhalb des Rahmens, den der Gesetzgeber definiert, nicht nach dem Beschluss der Unternehmensführung von Social-Media-Plattformen“, so ihr Regierungssprecher Stefan Seibert. Die Regulierung von Big-Tech-Unternehmen, die ihren Sitz quasi ausnahmslos in den USA haben, dort aber kaum reguliert werden, ist ein dauerhafter Konfliktpunkt zwischen den USA und der EU.

Französische Kritik an „Digitaloligarchien“

Auch die französische Regierung fordert bereits länger eine strengere Regulierung ein. Drastische Worte nach der Twitter-Sperre wählte dann auch Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire: Er zeigte sich „schockiert“ darüber, dass Entscheidungen solcher Tragweite Privatunternehmen überlassen würden. Die Regulierung der Internetbranche könne aus seiner Sicht „nicht von der Digitaloligarchie selbst vorgenommen werden“. Das sei laut Le Maire Aufgabe der Justiz. Diese „digitalen Oligarchien“ bezeichnete er als „Bedrohung für die Staaten und die Demokratie“.

Angela Merkel
APA/AFP/Tobias Schwarz
Merkel verwies auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit

EU-Kommissar sieht „9/11-Moment“

Einen „9/11-Moment“ und einen „Wendepunkt“ der Regulierung von Onlinenetzwerken sieht man indes in Brüssel. EU-Kommissar Thierry Breton verglich die Ausschreitungen im Kapitol sogar mit 9/11: „So wie der 11. September einen Paradigmenwechsel bei der weltweiten Sicherheitspolitik hervorgerufen hat, werden wir 20 Jahre später Zeuge eines Vorher–Nachher bei der Rolle von digitalen Plattformen in unserer Demokratie“, schrieb der Binnenmarktkommissar in einem Gastkommentar für Politico.

Breton schrieb, es sei verblüffend, dass ein Firmenchef ohne Kontrolle den Stecker „aus den Lautsprechern“ des Präsidenten der USA ziehen könne. Das zeige unter anderem die großen Schwachstellen darin, wie der digitale Raum in unserer Gesellschaft organisiert sei. Die vergangenen Tage hätten deutlich gemacht, dass man nicht auf den guten Willen der Plattformen oder ihrer kreativen Interpretation des Gesetzes vertrauen könne. Breton verwies darauf, dass Europa weltweit der erste Kontinent sei, der den digitalen Raum umfassend reformieren wolle.

Nawalny sieht möglichen Präzedenzfall

Ein Sprecher der EU-Kommission betonte am Montag, wenngleich dies Regeln für die EU seien, sollten sie Regierungen weltweit inspirieren. Sie sollten ein Gleichgewicht zwischen dem Respekt von Grundrechten auf der einen sowie mehr Verantwortung für Plattformen auf der anderen Seite schaffen. Aus der Position eines Oppositionellen kritisierte der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny die Sperre: Wenn jemand zum Schweigen gebracht werden solle, werde argumentiert: „Dies ist nur die übliche Praxis, sogar Trump wurde auf Twitter blockiert.“

Trumps Accounts bei Twitter und Facebook waren nach den Ausschreitungen im Kapitol in Washington bis auf Weiteres gesperrt worden. Die Plattformen verweisen auf das Risiko, dass der Präsident mit seinen Äußerungen weitere Gewalt anzetteln könne. Die Reaktionen auf die Sperre fielen international gemischt aus. Zu den größten Kritikpunkten gehört, dass die Sperre Jahre zu spät gekommen sei. Trump selbst kündigte an, er erwäge die Gründung eines eigenen Sozialen Netzwerks. Die Twitter-Aktie gab am Montag stark nach.

Weiterer Kommunikationskanal gesperrt

Abseits von Twitter wurde am Montag ein weiterer relevanter Kommunikationskanal für Trump-Anhängerinnen und -Anhänger blockiert. Amazon, Google und Apple und andere Dienstleister verunmöglichten am Montag die Nutzung des Onlinedienstes Parler, der sich zuletzt als Alternative für die großen Netzwerke etabliert und bei der Organisation der Ausschreitungen im Kongress eine wichtige Rolle gespielt hatte. Amazon begründete den Schritt damit, dass das Netzwerk nicht schnell genug gegen gewalttätige Inhalte auf der Plattform vorgegangen sei. „Die meisten Leute, die genug Server haben, um uns zu hosten, haben die Türen vor uns verschlossen“, so Parler-Chef John Matze.