Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP)
APA/Herbert Pfarrhofer
Neuer Arbeitsminister

Welche Aufgaben auf Kocher warten

Der Wechsel von der über eine Plagiatsaffäre gestolperten Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) zu ihrem Nachfolger Martin Kocher ist binnen kürzester Zeit vollzogen worden. Am Montag wurde der Ex-IHS-Chef angelobt. Seine Rolle als Krisenmanager ist dabei vorgegeben – zumal sich die ohnehin schon düstere Lage auf dem Arbeitsmarkt wohl noch weiter verschärfen wird.

Ende Dezember waren rund 521.000 Menschen ohne Job. Das ist ein Plus von knapp 28 Prozent gegenüber dem Jahr davor. Der Höchststand seit 1945 war im vergangenen April mit 588.000 Jobsuchenden erreicht worden. Besonders stark hat die Krise die Arbeitslosenzahlen im Tourismus und Verkehrswesen in die Höhe schießen lassen. Zusätzlich waren Ende Dezember über 417.000 Personen in Kurzarbeit.

Kocher wird hinsichtlich einer Frist in naher Zukunft zu handeln haben, denn mit Ende März läuft das CoV-bedingte Kurzarbeitsprogramm aus – die Sozialpartner drängen auf eine Verlängerung. Anfang Jänner hatte Kochers Vorgängerin Aschbacher noch eine Weiterführung der Kurzarbeit über März hinaus in Aussicht gestellt und Gespräche mit den Sozialpartnern für Februar angekündigt.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Kocher (l.) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Angelobung am Montag

Wie Kocher hier vorgehen will, wird sich wohl bald weisen: Zumindest im vergangenen Sommer nach Ende des ersten Lockdowns hatte Kocher noch vor womöglich zu hohen Anreizen bei der Kurzarbeit gewarnt. Damals wünschte er sich eine Differenzierung bei der Kurzarbeit zwischen Industrie und Dienstleistungen wie Gastronomie, Tourismus oder Event-Sektor.

Langzeitarbeitslosigkeit als drückende Herausforderung

Eine weitere Herausforderung für Kocher ist das Zügeln der drückend hohen Langzeitarbeitslosigkeit – bundesweit sind viele Arbeitslose sehr lange auf Jobsuche: Die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen lag Ende Dezember bei über 137.000, ein Plus von 37,3 Prozent gegenüber dem Jahr davor. Eine weitere Steigerung ist zu erwarten, so geht das sozialliberale Momentum Institut für 2021 von einem weiteren „kontinuierlichen Anstieg“ aus.

Auch der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria sieht das so – und warnt: Betroffene würden ständig an Qualifikation verlieren, weil es den Kontakt mit der Arbeitsmarktsituation nicht gebe. Das Momentum Institut fordert staatlich geförderte Stellen für Langzeitarbeitslose, außerdem ein Konjunkturpaket – die Agenda Austria fordert eine Entlastung des Faktors Arbeit und eine Senkung der Lohnnebenkosten.

Für Kocher herausfordernd wird jedenfalls die Umsetzung der CoV-Joboffensive. Die mit 700 Mio. Euro dotierte Arbeitsmarktinitiative der Regierung soll via AMS Aus- und Weiterbildungen für über 100.000 Arbeitslose bringen. Etwas weniger als zwei Drittel der Mittel, nämlich 428 Mio. Euro, sind für 2021 vorgesehen. Die Maßnahme soll Menschen ohne Job für den erwarteten Konjunkturaufschwung heuer und im kommenden Jahr qualifizieren. Der Qualifizierungsfokus liegt auf Digitalisierung, Pflege und Gesundheit, nachhaltigen Jobs und dem Bereich MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik).

Insolvenzwelle erwartet

Dabei dürfte heuer noch einiges an Ungemach drohen: Für spätestens ab dem zweiten Halbjahr erwartet der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) eine Insolvenzwelle, sowohl bei Firmen als auch bei Privaten. Aufgrund des „extremen Rückstaus an Insolvenzen und der Zunahme der verschuldeten Haushalte infolge des Verlusts Tausender Arbeitsplätze steht fest, dass auf Österreich eine Insolvenzwelle zukommen wird.“

Dank der staatlichen CoV-Hilfen war die Zahl der Insolvenzen im Vorjahr trotz Wirtschaftskrise gesunken. Nach dem Wegfall der staatlichen Maßnahmen ab der zweiten Jahreshälfte 2021 erwartet der AKV bei den Firmenpleiten einen Anstieg um bis zu 15 Prozent gegenüber dem Niveau des Jahres 2019, sollte es nicht zu einer Verlängerung der Stundungen über den 31. März 2021 hinaus kommen.

Mahrer: „Menschen zu Stellen bringen“

Zur Lösung der prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt plädiert Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) für das Schaffen von Anreizen – man müsse auf dem Arbeitsmarkt „Angebot und Nachfrage zusammenzuführen“. Auch verwies Mahrer auf den Fachkräftemangel, den es sogar jetzt – in Zeiten der Krise – gebe, in diesem Zusammenhang sprach er von „Licht im Schatten“ auf dem Arbeitsmarkt. Drum müsse man die Menschen zu den Stellen bringen, wo es in Zukunft auch eine Nachfrage geben werde.

Katzian fordert Arbeitslosengeld-Erhöhung

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian brachte das aus seiner Sicht „wichtigste Betätigungsfeld für den Minister“ auf den Punkt: „Wir haben 502.000 Arbeitslose und 50.000 offene Stellen“, so Katzian im Ö1-Morgenjournal. Es müssten Wege gefunden werden, den Arbeitslosen zu helfen – auch etwa mittels Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Auch sei die Qualifizierung weiterzuentwickeln, um das Finden von Arbeitsplätzen zu erleichtern.

Kocher: „Auf alle Gruppen schauen“

Unmittelbar nach seiner Angelobung sagte Kocher, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen entscheidend sei – dabei wolle er „auf alle Gruppen schauen“. Es gebe Gruppen, die stärker von der Krise betroffen sind, und solche, die weniger betroffen sind, so der Minister. Man werde die Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der derzeitigen Akutphase so gut es geht gestalten – aber auch nach Ende des Lockdowns und der derzeit aufrechten Schließungen (etwa in der Gastronomie, im Handel und im Tourismus, Anm.), „um Menschen in Beschäftigung zu bringen“.

Wann kommt die Homeoffice-Regelung?

Während diese Entscheidung erst ansteht, ist ein anderes Versäumnis dringend nachzuholen, denn eine gesetzliche Homeoffice-Regelung konnte die zurückgetretene Arbeitsministerin nicht mehr vorlegen. Aschbacher holte dafür die Sozialpartner ins Boot, die eigentlich bis Weihnachten avisierte Einigung kam bisher nicht zustande. Die Sozialpartner geben sich dazu bedeckt. Die Verhandlungen seien im Laufen, hieß es bei WKÖ. Der ÖGB bestätigt das und betont darüber hinaus, dass das Thema für die Gewerkschaft sehr weit oben auf der Agenda stehe.

Betroffen sind jedenfalls sehr viele Menschen: Laut Statistik Austria waren im dritten Quartal – also noch vor dem zweiten Lockdown – über 700.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice, knapp 20 Prozent der Beschäftigten.